Matthias Zehnder aus Basel erklärt das Buch „Every“, das ich am Montag, also gestern, auf dem Flohmarkt in Montana gefunden habe. Ich kenne Matthias Zehnder nicht, oder besser noch nicht. Seine Zusammenfassung ist die beste, die ich im Internet finden konnte.
Heute möchte ich nun endlich über meine Sommerdusche schreiben, so wie ich es bereits vor Tagen angekündigt hatte. Meine Sommerdusche ist ein großes Fass, was ich bereits vor Jahren schwarz angemalt habe, weil es ursprünglich hellblau war. Ein dunkle Farbe, am besten schwarz, ist besser, weil die Sonne dann das Wasser, was sich im Fass befindet, wärmer macht. Im Sommer, wenn es ganz doll heiß ist in Bulgarien, mit 40 Grad im Schatten und so, ist das Wasser in meiner Sommerdusche richtig schön pisswarm. Im Moment ist es das noch nicht, was auch ein Grund ist, dass ich jeden Tag immer noch in den Wald in mein kleines Mineralbad gehe. Dort fließt kontinuierlich etwa 30 Grad warmes Mineralwasser ins Becken. Bisher war ich dort immer alleine, aber langsam kommen die Wanderer aus ihren Löchern, die wenigen, die noch im Land verblieben sind, die meisten sind ja ausgewandert. Manche von ihnen laufen auch an meiner Hütte vorbei, weswegen meine Sommerdusche einen Sichtschutz hat – das Handtuch. Meine Sommerdusche steht auf einem Podest, damit das Fass die nötige Höhe hat. Der Podest ist aus Steinen, die ich jedes Jahr aufs Neue aufschichten muss, weil ich sie nicht draußen lassen will, damit sie mir keiner klaut. Apropos klauen: dieses Jahr werden es 20 Jahre, dass ich die Hütte habe, und noch nie wurde mir etwas geklaut. Doch zurück zur Sommerdusche. Da ich auch beim Duschen sparsam bin, reicht das Wasser im Fass meiner Sommerdusche etwa eine Woche. Dann muss ich es auffüllen. Mein Boiler im Keller bleibt im Sommer komplett ausgeschaltet. Das wenige Geschirr, was ich brauche, wasche ich kalt ab. Beim Duschen habe ich den phantastischen Ausblick auf die Berge des Balkans, von dem ich schon öfters Fotos hier auf meiner Seite veröffentlicht habe, und der vielleicht das schönste ist am Sommerduschen überhaupt.
Foto&Text TaxiBerlin
Am Mittwoch in Sofia auf dem Protest habe ich neben Demonstrationsteilnehmern, die ich kenne, weil sie wie ich regelmäßig zu den Protesten gehen, auch Georgi Alexjew, den obersten für das Parlament und die Regierung zuständigen Polizisten wiedergetroffen, ich hatte hier über ihn geschrieben. Auch Georgi Alexejew und ich grüßten uns per Handschlag, verbunden mit der Frage nach der Befindlichkeit des anderen.
Georgi Alexejew geht es gut, erfuhr ich, so wie mir. Er erfuhr weiter von ihm, der sich den Beitrag über ihn auf meiner Seite angesehen hat, ich hatte ihm dafür meine Karte gegeben, dass er eigentlich keine Uniform tragen müsse, er es aber aus Verbundenheit mit seinen Leuten mache. Die Frage hatte sich ergeben, weil ich ihn auf dem letzten Protest, als man versuchte, das Denkmal für sie Sowjetische Armee mit einer Ukrainischen Flagge zu verhüllen, in Zivil gesehen hatte.
Ich erzählte Georgi Alexejew von meinem Dorf, und dass ich mich dort wohl fühle. Der oberste Polizist kannte zwar nicht mein Dorf, aber die Gegend. Den meisten Bulgaren ist die ärmste Region ihres Landes bekannt, was vor allem an dem Nachbarstädtchen meines Dorfes liegt, der mit einer knapp 130-jährigen Tradition einer der ältesten Kurorte Bulgariens ist, und in dem es wie in meinem Dorf eine Mineralwasserquelle gibt. Im Ausland ist der Kurort wie die gesamte Region weitgehend unbekannt, obwohl es im Kurort Bauten gibt, die an Bad Homburg erinnern, die leider seit Jahren verfallen.
Das Gespräch mit Georgi Alexejew fand vor dem Ministerrat, dem Sitz der bulgarischen Regierung, statt. Später sah ich ihn auf der einen Kilometer entfernten „Orlow Most“ (Adlerbrücke) wieder. Der Protest war für Georgi Alexejew und seine Leute zur Nebensache geworden, lieber unterhielten sie sich mit einer Frau, die auf ihrem kleinen Klappstuhl auf der Brücke saß und eine bulgarische Fahne in der Hand hielt.
Ihr Name war Wanja, Tante Wanja, weswegen man sie in der Sowjetunion, wo sie zu sozialistischen Zeiten war, ausgelacht hat. Tante Wanja hat also noch eine Rechnung offen mit dem Russen, wenn man so will. Trotzdem möchte auch sie, so wie 80 Prozent der Bulgaren, dass Bulgarien im Ukrainekrieg neutral bleibt und nicht gegen Russland in den Krieg ziehen. Tante Wanja ist der lebende Beweis, dass das mit prorussisch nichts zu tun hat. Denn Tante Wanja hat ja wie gesagt noch eine Rechnung mit den Russen offen.
Während Tante Wanja erzählte, sah sie, dass ich Fotos machte, was sie nicht wollte, und was ich respektiere, deswegen die Balken in den Bildern. Georgi Alexejew sagte daraufhin zu ihr, dass sie sich keine Sorgen machen solle, weil er mich kennen würde, ich in Ordnung sei, und dass ich aus Deutschland käme, was Tante Wanja aber egal war. Auch dafür habe ich Verständnis. Über den Einsatz von Georgi Alexejew habe ich mich gefreut. In Bulgarien läuft ohne persönliche Kontakte nichts, auch auf dem Protest.
Doch zurück zu Tante Wanja, die man in der Sowjetunion wie gesagt ausgelacht hat, was daran lag, dass Wanja dort ein männlicher Name, besser Spitzname ist, und sie aber eine Frau. Der bekannteste Wanja ist „Onkel Wanja“ von Tschechow, der nicht mehr aufgeführt werden darf in der Heimat. Ein Grund mehr, nach Bulgarien zu kommen. Hier darf „Onkel Wanja“ noch aufgeführt werden, und auch „Tante Wanja“ noch auf der „Orlow Most“, der Adlerbrücke, sitzend sich mit dem obersten Polizisten Georgi Alexejew und seinen Leuten unterhalten.
Auch der Protest am letzten Mittwoch verlief absolut friedlich, so dass man sich als Tourist auch ohne weiteres in einen solchen stürzen kann, so wie ich es mache. Ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail habe aber auch ich beim letzten Protest verpasst, was daran lag, dass ich in dem Moment am anderen Ende des Protestes war, der mit etwa 4.000 Menschen alles andere als klein war.
Verpasst habe ich ein Happening, bei der mit einer Leiter versucht wurde, die Ukrainische Flagge vom vielleicht fünf Meter hohen Balkon des Rathauses von Sofia zu holen. Die Begründung der Protestierenden war, dass hier Bulgarien und nicht die Ukraine ist, und dass das nicht der Krieg der Bulgarien, sondern ein Krieg zwischen der USA und der NATO und Russland ist.
Das Leiter-Happening muss vorher bekannt gewesen sein, denn die Demonstrierenden wurden am Rathaus von Polizisten in Kampfuniform und Helm auf dem Kopf erwartet. Auch dieses Aufeinandertreffen verlief, im Gegensatz ähnlichen Zusammentreffen in Berlin in der Vergangenheit, absolut friedlich. Es war ja auch „nur“ ein Happening, also eine Kunstaktion.
Eine Kunstaktion, die auch wenn die Flagge nicht vom Balkon geholt wurde, noch etwas bedeutete, im Gegensatz zum Gros der Kunst in Deutschland, die ohne Bedeutung, wenn nicht sogar Negativ-Kunst ist. Bevor alle Protestierenden zum Regierungssitz weitergezogen waren, waren schon sämtliche Polizisten in Kampfuniform vom Rathaus in Sofia abgezogen worden, was aber schon wieder eine andere Geschichte ist.
Am heutigen Freitag den 13. möchte ich 13 Fotos von mir vom letzten Protest am Mittwoch veröffentlichen, bei dem es einmal mehr darum ging, die Regierung zu stürzen, die in dem Moment aber noch in Washington war. Was sie dort gemacht hat, ist immer noch unklar. Offiziell hat Ministerpräsident Kiril Petkow mit Joe Biden über die Bekämpfung der Korruption in Bulgarien gesprochen, was die meisten Bulgaren für einen Witz halten.
Da das mit dem Regierung stürzen nun erst einmal ausfallen musste, brauchte die Demonstration am Mittwoch in Sofia ein anderes Motto, und das war: „Macht Liebe, statt Krieg!“ Dieses Motto ist für Bulgarien besonders wichtig ist, weil die Bulgaren am Aussterben sind, und das ganz ohne Krieg. Unter diesem Gesichtspunkt habe ich jedes Bild ausgesucht. Sie sind also „Handverlesen“ und sagen hoffentlich mehr als tausend Worte.
Ganz persönlich erlaube ich mir dem Motto „Macht Liebe, statt Krieg!“ folgendes hinzuzufügen: „Und wenn ihr keine Liebe machen könnt, dann seid wenigstens nett zueinander.“
