Foto&Text TaxiBerlin
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Gestern gab es ein Attentat in einem Vorort von Sofia auf einen ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter. Es war nicht der erste Versuch, ihn zu töten, sondern der dritte, und der war erfolgreich. Obwohl ich das Opfer nicht kenne (sein Name, den ich gestern zum ersten Mal gehört habe, ist Alexei Petrov), frage ich mich, ob der Krieg vielleicht schon begonnen hat. Bisher fühlte ich mich in Bulgarien “nur” wie nach einem verlorenen Krieg. Aber vielleicht hat ein neuer bereits begonnen, ohne dass ich es mitbekommen habe. Kann doch sein, oder? Immerhin gibt es aktuell Panzersperren wie obige im Land. Wobei diese noch ganz zivilisiert mit Ampel sind. Möglicherweise ist die Ampel der Hinweis darauf, dass der Krieg doch noch nicht begonnen hat, zumindest nicht offiziell. Spätestens, wenn die Ampel ignoriert wird oder gar zerschossen wurde, dürfte der Krieg begonnen habe. – So denke ich heute.
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Nachdem ich zehn Tage nicht mehr bei Spiegel-Online vorbeigeschaut habe, wusste ich gar nicht mehr, was ich denken soll. Beispielsweise dass selbstfahrende Autos die Straßen von San Francisco erobern, weswegen Konzerne wie General Motors und Alphabet jetzt ein Milliardengeschäft wittern. Das war gestern die Top Meldung. Dass selbstfahrende Autos in der Kritik stehen, weil sie die Straßen blockieren, so dass selbst die Polizei nicht durchkommt, beispielsweise zu einer Schießerei im Stadtteil Mission, das soll ich besser nicht wissen. Die Information über Milliardengewinne ist wichtiger, auch wenn sie mich persönlich nicht betrifft. Auch dass es bereits Widerstand gegen selbstfahrende Autos in San Francisco gibt. Menschen, die etwas gegen sie haben, stülpen aktuell einfach Eimer über die Kameras auf dem Dach und ziehen das Fahrzeug damit aus dem Verkehr. Davon, dass Obdachlose bereits die Straßen von San Francisco erobert haben, auch davon erfahre ich besser nichts. Denn das könnte die Gewinne am Geschäft mit den Touristen schmälern, die das San Francisco von heute als verlorene und dystopische Stadt besichtigen. – Immerhin erfahre ich, dass nur noch 27 Prozent der Deutschen den Staat für fähig hält, seine Aufgaben zu erfüllen. Das Vertrauen in unseren Staat ist auf dem Tiefstand. Mit anderen Worten: Deutschland hat fertig. Ihr könnt euren Laden dicht macht. Der letzte macht das Licht aus. So wie San Francisco eine dystopische Stadt ist, ist Deutschland ein Land im Untergang. Nicht so beim Spiegel. Da geht man nach einer solchen Meldung zur Tagesordnung über oder wie man in Amerika sagt: business as usual. Jetzt wird klarer, dass damals auch niemand den Untergang der DDR auf dem Schirm hatte. Apropos: Die 27 Prozent sind der Durchschnitt. Sieht man sich die Studie genauer an, wird klar, dass es eine Differenz von fast zehn Prozent zwischen Ost und West gibt. – Immerhin, das darf ich wissen, muss allerdings rechnen können, denn die Zahlen werden diesmal andersrum präsentiert. Dort, also im Osten, waren 77 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass der Staat hinsichtlich seiner Aufgaben und der bestehenden Probleme überfordert sei – im Westen waren es nur 68 Prozent. Dann geht es plötzlich nicht mehr darum, ob der Staat seinen Aufgaben gewachsen ist, sondern dass das Ansehen des Staates demnach in Ostdeutschland “besonders schlecht” ist. – Fazit: “Ost = schlecht”. – Danke, lieber Spiegel, für diese Aufklärung!
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Gestern war ich im Nachbarort wegen dem Ölwechsel, den ich letztes Jahr schon machen sollte. Zum Ausgleich dafür, dass ich ihn letztes Jahr nicht gemacht habe, wollte ich diesmal nicht nur den Ölfilter, sondern auch den Luftfilter wechseln lassen. Da man diesen bestellen musste, hatte ich mehr als vier Stunden Zeit. Ich rief bereits erwähnten Landsmann an, der in Berlin bei mir um die Ecke wohnt, wenn er nicht gerade so wie jetzt in Bulgarien ist. Dass er so viel in Bulgarien ist, hat damit zu tun, dass er mit einer Bulgarin zusammen ist. Gemeinsam haben sie eine Art Datsche im Wald, wo es weder Wasser noch Strom gibt. Der Begriff Datsche ist also eher mit Vorsicht zu genießen, Laube trifft es vielleicht eher. Jedenfalls leben sie dort wie die Hippies, allerdings ganz anders als die Hippies, die gegenüber von meiner Berliner Bohemen Bude wohnen. Die Hippies dort sind Party People, die Strom verbrauchen, als gäbe es kein morgen. Außerdem nehmen sie viel Raum ein und sind vor allem eins: laut. Ich gehe davon aus, dass sie sich den größten Teil ihrer Hirnmasse bereits vor Jahren weggekifft, weggesoffen und weggeschnifft haben. Die Hippies hier sind das genaue Gegenteil davon, weswegen ich sie anrief und fragte, ob sie Zeit hätten. Die hatten sie, obwohl sie gerade wie immer viel zu tun haben an ihrer Datsche, die diesen Namen nicht verdient. Kennengelernt habe ich das Paar vor jetzt zwei Jahren auf einer Ausstellung im Ort, auf der ich auch meinen englischen Freund Jerry, der am liebsten Deutscher wäre, kennengelernt habe. Die Ausstellung war nicht der Rede wert, aber deswegen geht man auch nicht auf Ausstellungen. Ich zumindest nicht, insbesondere nicht in Deutschland, wo Kunst seit vielen Jahren Alles oder Nichts bedeuten kann, in den allermeisten Fällen letzteres. Ich will ein aktuelles Beispiel geben, damit klarer wird, was ich meine. Ein Berliner Bekannter und nicht ganz unbekannter Künstler schrieb mir vor wenigen Tagen, dass auch er der Meinung sei, dass die Corona-Zeit in Deutschland aufgearbeitet werden müsste. Daraufhin schlug ich ihm vor, dies gemeinsam zu tun. Er hat, so wie ich, eine Seite im Internet. Meine Idee war, dass ich auf meiner Seite seinen Gesichtspunkt veröffentliche und er im Gegenzug meinen auf seiner, und dass wir unsere beiden Seiten miteinander verlinken, so dass jeder, den es interessiert, beide Standpunkte lesen kann. Erst hieß es von seiner Seite daraufhin, er schaffe es zeitlich nicht. Dann meinte er, er wüsste nicht, was er mir antworten solle, weil meine Argumentation unsachlich sei. Als nächstes schrieb er, dass es ihn überfordern würde, mit mir in eine öffentliche Diskussion zu treten. Am Ende blieb übrig, dass er diesen Dialog lediglich nicht öffentlich führen wolle. Dass er die Öffentlichkeit scheut, verstehe ich, denn für ihn steht etwas auf dem Spiel. Wie viel genau, kann ich nicht sagen, aber mit Sicherheit mehr als für mich. Für mich trifft das zu, was Marx über den Proleten gesagt hat: Ich habe nichts zu verlieren als meine Ketten – sieht man von meinem Auto ab, das nach dem Ölwechsel jetzt doppelt so viel Wert ist. Hahaha. Was die Aussage meines Berliner Bekannten angeht, dass die Corona-Zeit zwar aufgearbeitet werden müsste, was aber andere erledigen sollen, so hat sie keine Bedeutung, oder wie es mein Freund Dietrich einmal formulierte: Den Gutmenschen erkennt man daran, dass er, im Gegensatz zum guten Menschen, die gute Tat delegiert. Die Idee meines Berliner Bekannten und Künstlers war wie so vieles in der heutigen Kunst nicht so gemeint gewesen und am Ende mal wieder nur heiße Berliner Luft. Ein Grund, warum ich um Künstler seit einiger Zeit einen großen Bogen mache. Schon früher, als ich noch getrunken habe, bin ich in Berlin nur wegen dem Alkohol auf ihre Ausstellungen gegangen. Es soll aber auch Ausnahmen geben, die die Regel bestätigen. Von einer wusste gestern Paul zu berichten: Ein Berliner Künstler, der eine Karikatur von Karl Lauterbach mit ganz vielen Spritzen gemalt haben soll. Das fand unser Gesundheitsminister gar nicht witzig, weswegen er über Twitter dazu aufgerufen haben soll, das Kunstwerk zu zerstören. Ein schönes Verständnis von Kunstfreiheit, jetzt nicht von Paul, sondern von Karl. Den Landsmann Paul und seine bulgarische Partnerin Paula, wie ich die beide nennen möchte, sind die, die ich neben Jerry vor zwei Jahren auf einer Ausstellung hier in Bulgarien kennengelernt habe. Es ist also nicht so, dass ich gar nicht mehr auf Ausstellungen gehe, auch hier bestätigen die Ausnahmen die Regel. Ich gehe noch auf Ausstellungen, aber nicht der Kunst und schon gar der Künstler wegen. Ich gehe wegen den Leuten hin. Leute wie Jerry, Paul und Paula. Mit den beiden letzteren saß ich gestern in einem der zahlreichen Cafés im Ort, wo wir uns bei einem „Kurzem“, dem bulgarischen Espresso, drei Stunden lang ausgiebig unterhalten haben. Fast vier Monate waren sie hier, jetzt gehen sie wieder zurück nach Berlin, so wie vor zwei Jahren auch. Damals war es später geworden, vermutlich September, wenn nicht gar Oktober. Seinerzeit haben sie sich hier in Bulgarien die Impfung gekauft, was 250 Euro gekostet hat, wenn ich mich richtig erinnere. Auch ich hätte mir die Impfung kaufen können, mich aber dagegen entschieden. In meinem Beitrag „Bulgarien – die große Freiheit“ auf Multipolar habe ich darüber geschrieben. Paul und Paula haben sich die Impfung gekauft, um in Berlin ihre Ruhe zu haben. An die große Corona-Erzählung haben sie, genauso wie ich und die allermeisten Bulgaren, nie geglaubt. Auf den Trick mit der Solidarität sind Paul und Paula nicht hereingefallen, obwohl auch ihnen so wie allen echten Linken Solidarität wichtig ist. Allerdings Solidarität mit richtigen Menschen, – und nicht mit selbst ernannten Menschenfreunden, den Gutmenschen unter den Superreichen, die sich mithilfe ihrer nützlichen Idioten, Solidaritätsgläubige so genannte Linke, eine Goldene Nase verdient haben. Nach Berlin gehen sie, weil dort das Geld ist. Jedenfalls mehr als in Bulgarien, zumindest noch. Ansonsten geht ihnen die Stadt ähnlich wie mir auf die Nerven, allen voran der Leute wegen. Klar, auch in Bulgarien hat jeder seine Macke, genauso wie Paula, Paul und ich eine Macke haben. Aber die Macken der Menschen in der deutschen Hauptstadt sind besondere Macken. Auch in Sachen Macke gibt es einen deutschen Sonderweg, das ist keine Überraschung. Ebenso, dass aufgrund der deutschen Macke die Welt und mit ihr Bulgarien mit jedem Tag behämmerter wird. Die größte Macke der Menschen in der deutschen Hauptstadt ist ihre vorgespielte Kühlheit, hinter der sich Unsicherheit und Angst verbergen. Auf den ersten Blick sieht es immer so aus, als würden sie alle bemitleiden, die nicht so kühl sind wie sie, beispielsweise mich, Paul und Paula. Die Wahrheit ist, dass wir sie bemitleiden müssten, allen voran wegen ihrer Vereinsamung und Entwurzelung, wenn wir Zeit dazu hätten. Nicht nur, dass wir keine Zeit haben. Mit Mitleid ist diesen Menschen auch nicht geholfen. Sie müssen selbst den Schmerz fühlen. Das steht ihnen, davon bin ich fest überzeugt, noch bevor. Oder sie werden krank, was sie streng genommen schon sind. Dann bleibt eigentlich nur noch böse übrig. Auch böse sind sie bereits, denn nichts anderes ist ihre aufgesetzte Kühlheit. Praktisch sind sie schon tot, so wie permanent unterkühlte Körper am Ende einfach nur tot sind, tot sein müssen. Dass diese Leichen auf zwei Beinen den eigenen Tod sozusagen verpasst haben, liegt daran, dass der Tod aus ihrem Leben ausgeschlossen ist. Der Tod kommt dort nicht vor. Für sie ist der Tod ein Fehler, ein Fehler im System, in ihrem System. So krank sind diese Menschen. Genau darüber habe ich gestern mit Paul und Paula gesprochen. Kann man sich ein solches Gespräch unter diesen kühlen Menschen in einem Berliner Café bei einem Latte mit Hafermilch vorstellen? Wohl nicht. In Bulgarien sind sie normal. Auch am Nachbartisch in dem Café, in dem wir gestern saßen, wurden ähnliche Themen besprochen. Fast könnte man meinen, die Bulgaren wären alles Philosophen. Ganz so ist es nicht. Aber doch in dem Sinne, dass das Philosophieren auch die Vorbereitung auf den Tod ist.
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