Bericht aus Bulgarien (423) – „Fruchtsalat“

Kann man öfters machen

Gerade habe ich mir noch einen Fruchtsalat gemacht. Auch in den Schluchten des Balkans braucht man Vitamine. Die Früchte habe ich mir letzte Woche auf dem Markt gekauft, der hier Basar heißt. Da ich nur einen warmen Raum in meiner Hütte habe, brauche ich keinen Kühlschrank. Mein Kühlschrank ist mein Flur. Hab ich auch schon wieder Geld gespart. In meinem Fruchtsalat sind ein Apfel, eine Apfelsine, eine Möhre, eine viertel Rote Beete, ein Drittel von einem Granatapfel und drei getrocknete Datteln. Das schöne an einem bulgarischen Basar ist nicht nur, dass die Sachen preiswert sind, sondern dass man sie sich darüber hinaus selbst aussuchen kann. Man muss also keine abgepackten Netze oder sowas kaufen. Ich wähle mir meine Früchte immer ganz genau aus, sie sind sozusagen Handverlesen. Bestimmte Dinge kaufe ich so gut wie gar nicht mehr, allen voran Fleisch. Ich habe mich in Bulgarien zum Fast-Vegetarier entwickelt. Heute habe ich allerdings altes Weißbrot zu Bröseln verarbeitet, mit denen ich Schnitzel panieren werde. Das zelebriere ich dann richtig. Man nennt mich im Dorf nicht nur den Deutschen, sondern auch den Schnitzel-König. Meine Wiener Schnitzel sind legendär. Sie sind zugleich das einzige Fleisch, das ich esse. Zu irgendwas muss ich schließlich die Semmelbrösel verarbeiten. Die nächsten werde ich zusammen mit meiner Partnerin verspeisen. Sie kehrt Ende der Woche aus Kalifornien in die Schluchten des Balkans zurück, die jetzt auch ihr zuhause sind. Über den Fruchtsalat hätte sie sich heute auch gefreut. Ich mach‘ dann einfach ’nen neuen.

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Bericht aus Bulgarien (422) – „Banitsa backen“

Frisch aus dem Ofen

Ich habe mir gerade ’ne Banitsa gebacken, und zwar nach diesem Rezept. Dass ich jetzt auch backe, hat zwei Gründe. Zum einen spare ich etwas Geld, das ich nicht habe. Der wichtigere Grund ist aber, dass ich weiß, was drin ist in der Banitsa. Aber vor allem: Dass sie auch schmeckt! Es wird mit jedem Tag schwerer, Dinge zu finden, die man noch essen kann. Wenn kaum einer Kohle hat so wie bei mir in der ärmsten Region des Landes, dann verkauft man auch nichts, schon gar nichts teures. Ich gehe davon aus, dass überall nur noch das billigste vom Billigen drin ist, was man anderswo wegschmeißen würde – so schmeckt es zumindest meistens. Aber ich will mich nicht beklagen. Es ist das Kommende. Heute auf dem Balkan, morgen in Berlin. Die Tafel soll dort schon gar nicht mehr hinterherkommen, weil jeden Tag mehr Hungrige vor der Tür stehen. Wäre interessant zu wissen, wie da das Essen ist. Vermutlich ist es derzeit noch etwas besser als bei mir hier. Ist aber bestimmt nur ’ne Frage der Zeit, bis sich auch da die Unterschiede verwischen. Man kann sich darauf auch nicht vorbereiten. Außer man lernt schnell noch ein bisschen kochen und backen. Das kann nicht schaden. – Meine Banitsa sieht übrigens nicht nur gut aus, sondern schmeckt auch lecker. Dazu gibt es selbstgemachten Ayran. Bulgarischen Joghurt, Wasser und etwas Salz, aber nicht zu viel, denn der Schafkäse in der Banitsa ist salzig genug – vermutlich auch mangels Geschmack.

PS: Meine Banitsa hat nicht den im Rezept stehende Quark (sie hat dafür mehr Joghurt), ganz einfach deswegen, weil Quark in Bulgarien gänzlich unbekannt ist. Da es auch in Amerika keinen Quark gibt, gehe ich davon aus, dass es sich bei ihm um eine deutsche Erfindung ist, die ich wegen des guten Joghurts nicht vermisse.

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Die Balkanisierung Deutschlands und des Westens

Hatte ich bisher nur die Balkanisierung Berlins beklagt, so muss ich meine Klage nun auf den gesamten Westen ausweiten. Jeffrey Sechs setzt in obigem Video den Krieg in der Ukraine nicht nur in den in westlichen Medien fehlenden Kontext, sondern erklärt ab 12:47 das, was ich meine, so: „Meine Freunde sagen, Jeff, wie konntest du jemals erwarten, dass wir das einhalten? Das ist Unsinn! – Ich antworte: ‚Doch, ihr habt ein Abkommen!‘ – Oh, eine Vereinbarung! Und wir sollen das einfach so hinnehmen?“ – Mit der Vereinbarung ist das Minsker Abkommen gemeint, das, wie Angela Merkel kürzlich zugab, 2015 nur unterzeichnet wurde, um der Ukraine Zeit für die Aufrüstung zu geben. Und das erinnert mich an die Balkanlegende von der Schlange und dem Schäferhund. Der Hund möchte gerne über den Fluss, weiß aber nicht wie. Da bietet sich die Schlange an, ihn über den Fluss zu bringen. Der Hund zögert, denn er ist sich sicher, dass die Schlange ihn beißen und mit ihrem Gift töten wird. Die Schlange beruhigt ihn, sie werde dies nicht tun, er solle sich keine Sorgen machen. Der Hund willigt schließlich ein und lässt sich von der Schlange über den Fluss bringen. Kaum am anderen Ufer angekommen, passiert das, was der Hund befürchtet hatte. Die Schlange beißt ihn. Im Sterben und mit letzter Kraft fragt der Hund die Schlage, warum sie das getan habe, sie hätte ihm doch das Gegenteil versprochen. Darauf die Schlange: „Weil wir auf dem Balkan sind!“ Heute müsste es lauten: „Weil wir der Westen sind und es können!“ – Ob wir es wirklich können, muss allerdings erst noch bewiesen werden.
Video Jeffrey Sachs
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Bericht aus Bulgarien (421) – „Rückmeldungen“

Nach meinem letzten Beitrag, in dem es um meine wunderbare Bulgarisierung ging, erhielt ich zahlreiche Zuschriften, für die ich mich auf diesem Wege noch einmal herzlich bedanken möchte. Eine kam ganz und gar aus Neuseeland, auch dort werde ich also wahrgenommen. Eine andere Rückmeldung kam aus der Schweiz. Der Schweizer hat mir ein Bild von seinem Berg geschickt, weswegen ich auf die Idee gekommen bin, obiges zu veröffentlichen, was mein Ausblick auf „Die Bulgarische Schweiz“, das Balkangebirge, ist. Weitere e-mails erreichten mich aus dem Bayrischen, aus Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Was alle Leserbriefe verband, war, dass die Verfasser meine Berichterstattung schätzen, was mich glücklich macht. Meine Arbeit ist also nicht umsonst, sondern sie erreicht Menschen und spricht sie an. Darüber freue ich mich sehr. – Vielen Dank dafür!
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„Ist Humor eine Waffe, die wir unterschätzen?“

Letztes Jahr hat mir einer meiner Leser und Sponsoren meiner Arbeit aus der Heimat das Buch „Wenn’s keiner sagt, sag ich’s“ von Milosz Matuschek zukommen lassen, wofür ich ihm immer noch dankbar bin. Milosz Matuschek wuchs als Spätaussiedler in Deutschland auf, hat Rechts- und Sozialwissenschaften in München, Paris und Regensburg studiert und lange Zeit, genau waren es sechs Jahre, Kolumnen für die Neue Zürcher Zeitung verfasst, bis er zu kritisch wurde und die NZZ ihn rausgekickt hat. Ursprünglich kommt Milosz Matuschek aus Polen. Seine Eltern sind in den Westen gegangen, da war Milosz Matuschek noch ein Kind. Irgendwo begründete Milosz Matuschek sein Motto, das gleichzeitig Titel seines Buches ist, damit, dass seine Eltern nicht in den Westen gegangen seien, damit sie hier heute dieselben Denkverbote wie in Polen erleben. Meinem Vater ginge es, würde er noch leben, heute wahrscheinlich ähnlich. Er hat Bulgarien bereits in den Sechzigern verlassen, an erster Stelle aus materiellen Gründen, aber nicht nur. Auch er war ein sehr freiheitsliebender Mensch. In gewisser Weise trifft die Aussage von Milosz Matuschek auch auf mich zu. Ich bin nicht ’89 auf die Straße gegangen, um mir heute sagen zu lassen, was ich denken darf und sagen kann. Eine Frage geht mir aktuell auch durch den Kopf, die in obigem Interview beantwortet wird. Es ist die Frage, ob wir vielleicht den Humor als Waffe unterschätzen. Bereits gestern hatte ich die Frage für mich mit Ja beantwortet. Das war, bevor ich das Interview mit Milosz Matuschek gehört habe. Wenn du wissen willst, wie er die Frage beantwortet, musst du nur obigem Gespräch lauschen.
Interview Apolut
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Neues Talk-Radio aus Berlin mit Paul Brandenburg


Talk Radio ist ein sehenswerter Film von Oliver Stone aus dem Jahr 1988 aus Amerika. In Berlin hat Jürgen Kuttner das Talk Radio Anfang der Neunziger mit seinem legendären Sprechfunk erfunden. Seit einiger Zeit gibt es wieder einen Sprechfunk auf RadioEins mit Jürgen Kuttner, der aber mit dem Sprechfunk auf FritzRadio von Anfang der Neunziger, als die Mitschnitte mittels Musikkassetten im Land verbreitet wurden, nichts zu tun. Berliner Talk Radio im besten Sinne ist aktuell die Sendung Paul Brandenburg Live. Der Arzt Paul Brandenburg lädt dazu immer einen Experten ein, Zuhörer können anrufen, ihre Statements abgeben und Fragen stellen. Ein regelmäßiger Anrufer der Sendung ist der Berliner Polizist Lutz, der aus dem Nähkästchen plaudert, in obiger Ausgabe unter anderem über Party People in meinem ehemaligen Stadtbezirk, dem Friedrichshain. Ein anderes Thema sind die zahlreichen Landsleute, 1.5 Millionen, die seit 2015 ihre Heimat verlassen haben, und zu denen ich auch gehöre. Wenn ich es richtig verstanden habe, sollen mittlerweile mehr Menschen Deutschland verlassen, als hinkommen. So wie ich es auch in meinem letzten Artikel beschrieben habe: Ein Land zum Davonlaufen.
TalkRadio PaulBrandenburg
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Tierärzte und ihre Telefonansagen

Tierärzte haben’s echt drauf! Gut, nicht alle. Aber manch einer eben doch. Dazu braucht er keine asozialen Netzwerke, nein, noch nicht mal Internet. Er spricht einfach auf Band, praktisch analog, und jeder, der Ohren hat, kann ihn anrufen und es abhören. Wie genial ist das denn?! – Fragte mich gestern noch ein Freund, warum ich nicht bei Twitter bin, überlege ich heute schon, ob ich mir nicht ein Telefon mit Anrufbeantworter zulege. Man scheint mit Ansagen auf solchen Geräten viele Menschen zu erreichen. Vor allem spricht man nicht wenigen von ihnen aus dem Herzen. So würde ich aus den Schluchten des Balkans die 30.000 Aufrufe und die fast 5.000 Daumen nach oben nach nur sechs Stunden deuten.
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