Bericht aus Bulgarien (324) – „Das redundante Ich“

Ne glasuvam – (Ich) wähle nicht (früher)

Redundant bedeutet, dass etwas doppelt oder mehrfach vorhanden ist. Der Begriff leitet sich von dem lateinischen Wort redundare ab (re = „zurück“ und unda = „Welle“) und steht im übertragenen Sinne für „überreichlich“, „wiederholt“ oder „überzählig“. In der bulgarischen Sprache betrifft die Redundanz regelmäßig das Personalpronomen, das man demzufolge einfach weglässt, um sich nicht zu wiederholen, obwohl man sich eigentlich gar nicht wiederholt, denn welche Person gemeint ist, ergibt sich nur aus dem Verb. Folgendes, aktuelles Beispiel soll dies veranschaulichen: Ne glasuvam (не гласувам) heißt genau genommen nur „wähle nicht“, meint aber „ich wähle nicht“ – das „ich“ wird einfach weggelassen. Weitere Beispiele wären: du wählst nicht =  не гласуваш (ne glasuvash) und: wir wählen nicht = не гласуваме (ne glasuvame). Dass im Bulgarischen redundant sein soll und praktisch auch ist (im Deutschen ist es das nicht, ich kann nicht sagen „wähle nicht“ anstelle von „ich wähle nicht“), wer wählen geht, ist merkwürdig und schreit förmlich nach einer Erklärung, die über das rein sprachliche hinausgeht. Eine Möglichkeit ist, dass die einzelne Person, um die es geht, einfach nicht wichtig ist, oder mit anderen Worten: die Person ist nichts wert. Angesichts des Lebens hier, von dem nicht wenige Bulgaren meinen, es sei keine fünf Stotinki (2,5 Cent) wert, erscheint dies sogar logisch. Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, der im Westen gerne gemacht wird, zu denken, dass das, was nichts wert ist, automatisch dumm ist. Das ist auch nicht besonders intelligent, sondern einfach nur materialistisch gedacht. Meine Erfahrung hier in Bulgarien jedenfalls ist, dass es möglicherweise einfach nur „dumm gestellt“* ist, um eine schlimme Zeit zu überbrücken, so wie die Bulgaren die Zeit unter türkischer Herrschaft überlebt haben, indem sie aus Ja Nein und aus Nein Ja gemacht haben. Ob das stimmt, und ob es bei der heute stattfindenden vierten Wahl in eineinhalb Jahren erneut zutrifft, indem nochmals weniger als bei der letzten Wahl wählen gehen, da waren es bereits nur 40 Prozent gewesen, wird man sehen. Ich rechne fest mit einer Wahlbeteiligung unter 40 Prozent und denke deswegen, dass es an der Zeit ist, die Kompetenz und auch die Legitimation der sich zur Wahl stellenden ernsthaft in Frage zu stellen, aber vor allem zu fragen: Cui bono? – Wem zum Nutzen?

* Bei „dumm stellen“ muss ich an folgendes Sprichwort denken: „Der aus dem Osten ist schlau und stellt sich dumm, bei dem aus dem Westen ist es anders rum.“
Ne glasuvam – (Ich) wähle nicht (heute)

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Bericht aus Bulgarien (323) – „Politisch Inkorrekt im Staatlichen Bulgarischen Nationalradio“

Es ist wirklich so: Man kann in Bulgarien alles sagen – sogar im Staatlichen Bulgarischen Nationalradio „Christo Botew“. Hier ein Interview von dreien, was David Engels vor der abendlichen Veranstaltung im Konferenzsaal Nr. 1 im Zentrum von Sofia gegeben hat. Das Interview geführt hat Petir Volgin in seiner regelmäßigen Sendung „Politisch Inkorrekt“, übersetzt hat es Martin Petrushev, der auch die Bücher von David Engels ins Bulgarische übertragen hat. Da wir in besonderen Zeiten leben, in der Selbstverständliches nicht mehr selbstverständlich ist, erlaube ich mir folgendes hinzufügen: Es geht nicht darum, in allem mit David Engels übereinzustimmen. Wer dies meint zu müssen, hat Demokratie nicht verstanden. Es geht darum, dass er dies sagen darf, nicht nur im Staatlichen Bulgarischen Nationalradio, sondern beispielsweise auch bei Öffentlich/Rechtlich in Deutschland, was mir derzeit allerdings mehr als unwahrscheinlich erscheint.
Video RationalerWiderstand
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Bericht aus Bulgarien (322) – „Freedom of Speech in Großbritannien und Bulgarien vs. Neue Impfkampagne in Deutschland“

Vidin – Lom – Sofia

Ich komme gerade aus der nächst größeren Vraca, wo ich für meinen nächsten Artikel Menschen zu den morgigen Wahlen interviewt habe. Am Bahnhof traf ich eine junge Anwältin, die in London arbeitet. Nachdem ich sie befragt hatte, wollte sie von mir wissen, ob ich irgendwann nach Deutschland zurückkehren werde. Sie war neugierig, weil es in Großbritannien genauso ist wie in Bulgarien, was die Redefreiheit und das Impfen angeht. Auch im Vereinigten Königreich könne man alles sagen und es gäbe keinen Druck auf Ungeimpfte und auch keine Diskriminierungen wie in Deutschland und Österreich. Die junge Juristin wusste, dass es in den beiden deutschsprachigen Ländern anders ist, weswegen viele Bulgaren bereits von dort in ihre Heimat zurückgekehrt sind oder gerade dabei sind zurückkehren. – Gerade lese ich im ehemaligen Nachrichtenmagazin aus Hamburg, dass in Deutschland eine nächste größere Impfkampagne vorbereitet wird. Ab 1. Oktober ist grundsätzlich eine Auffrischimpfung – also eine dritte Spritze – nötig, um als »vollständig geimpft« zu gelten. Der Corona-Zirkus geht also wie erwartet weiter in der Heimat, allerdings nur für Geimpfte. Als nicht Geimpfter geht er an mir vorbei, weil ich nicht „vollständig geimpft“ sein kann. Das gebietet die Logik. Geimpft bin ich aber trotzdem, und zwar gegen Angst- und Panikmache. Ich verbringe viel Zeit an der frischen Luft, was auch dem Denken guttut. Das kann ich auch nur jedem empfehlen, beispielsweise indem er auf die Straße geht, auf der ich mein halbes Leben zuhause war.  –  So meine Antwort auf die Frage der Anwältin.

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Bericht aus Bulgarien (321) – „Neulich im Goethe-Institut in Sofia“

Konstantinow neben Markow
Als ich am Mittwoch in Sofia war, war ich auch im Goethe-Institut, um Bücher zurückzubringen, die ich mir aus der dortigen Bibliothek ausgeliehen hatte. Das Goethe-Institut befindet sich in der Budapester Straße 1 im Zentrum der bulgarischen Hauptstadt in einer alten Villa, die Bibliothek ist dagegen ganz modern. Alleine dieses Kontrastes wegen lohnt sich der Besuch, aber natürlich auch der Bücher wegen. Für mich war es eine besondere Ehre zu sehen, dass das von mir herausgegebene „Nach Chicago und zurück“ von Aleko Konstantinow neben den beiden Romanen von Georgi Markow, „Die Frauen von Warschau“ und „Das Porträt meines Doppelgängers“, steht. Das zweite von mir herausgegebene Buch, „Bai Ganju, der Rosenölhändler“, war offensichtlich ausgeliehen. Sowohl die Bücher von Aleko Konstantinow, als auch die von Georgi Markow hat der Wieser-Verlag in Klagenfurt herausgebracht. Es gibt aber noch eine andere Verbindung zwischen den beiden Autoren. Beide sind einem Attentat zum Opfer gefallen. Georgi Markow auf der Waterloo-Bridge in London. Das Attentat auf ihn ist auch als „Regenschirm-Attentat“ bekannt. Konstantinow saß in einer offenen Kutsche, als er unweit der Stadt Peschtera in Bulgarien erschossen wurde. Beide Autoren hatten also auch Feinde. Sie sind darüber hinaus, sowohl was ihre Persönlichkeit, als auch was ihr Werk angeht, Ausnahmepersönlichkeiten. Im Ausland sind sie leider kaum bekannt. Entsprechend schwer war es, einen Verlag für Aleko Konstantinow zu finden. Herausgegeben wird nur, was sich lohnt, womit man Geld verdienen kann. Bevor ich nach mehr als einem Jahr intensiver Suche endlich im österreichischen Klagenfurt einen Verlag für die beiden Bücher Konstantinows fand, hatten zuvor 50 von mir kontaktierte Verlage in Deutschland deren Veröffentlichung abgelehnt. Die Entscheidung der Verlage war rein betriebswirtschaftlich. Sie hatte mit dem Autor und den Büchern selbst, ihrem Inhalt und Wert, rein gar nichts zu tun. Wie auch, denn die Verlage in Deutschland kannten weder Konstantinow, noch sein Werk.
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Bericht aus Bulgarien (320) – „Wahlmüdigkeit vs. Kriegsmüdigkeit“

Sitz des bulgarischen Präsidenten

In Bulgarien wird am Sonntag wieder gewählt, es ist bereits die vierte Wahl in eineinhalb Jahren. Experten erwarten eine noch niedrigere Wahlbeteiligung als bei der letzten Wahl im November, und da lag sie bereits bei nur 40 Prozent. Da die letzte Regierung „pro-westlich“ war, war das kein Problem für den Westen. Die Wahl musste also nicht rückgängig gemacht werden wie neulich noch in Thüringen. Auch die Legitimation der Regierung, die kaum mehr als 20 Prozent der Stimmen aller zur Wahl Berechtigten erhalten hatte, war nie ein Thema gewesen. Dafür war das verlorene Misstrauensvotum der „pro-westlichen“ Regierung ein „Sturz“. Immerhin, die vom bulgarischen Präsidenten, der wiederum „pro-russisch“ sein soll, daraufhin eingesetzte amtsführende Regierung könnte auch nach der Wahl am Sonntag einfach weiter regieren, selbst wenn sie neulich noch auf einen neuen, langfristigen Vertrag mit Gazprom verzichtet hat, weswegen einige Bulgaren nicht nur frieren werden im Winter, sondern es wahrscheinlich auch nur „Die Wahl vor der Wahl“ sein wird, was wiederum daran liegt, dass mit einem Patt als Wahlausgang gerechnet wird. Ein Grund dafür ist die Wahlmüdigkeit der Bulgaren, die zwar nicht schön, aber immer noch besser als die Kriegsmüdigkeit der Deutschen ist. Weitere Gründe stehen in meinem Artikel in der „Epoch Times“, der gerade online gestellt wurde, und der morgen auch in der Printausgabe erscheint.

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War On Europe – Are You Ready?

Wer das Schwert erhebt, wird durch das Schwert umkommen, so steht es bei Matthäus. Auch wenn „nur“ Schwerter, also Waffen, geliefert werden, scheint es sich ähnlich zu verhalten. Und wer’s es noch nicht begriffen hat, den muss man „nudgen“, sozusagen reinschubsen in den Krieg. Vorher sollte er noch Verträge über teures Fracking-Gas abschließen, und dann kann es auch schon los gehen mit dem Krieg. Für den Amerikaner scheint er schon begonnen zu haben. Nur der deutsche Michel schläft mal wieder, so wie man es von ihm gewohnt ist, oder ist gerade mit dem Kauf bekannter Bahnsteigkarte beschäftigt. Unsere Freiheit scheint nicht am Hindukusch und auch nicht in der Ukraine bedroht zu sein, sondern vor unserer Haustür, in der Ostsee, und das vom Amerikaner. Wer’s nicht glaubt, folge dem Geld. Der Dollar ist neuerdings nicht nur mehr wert als der Euro, sondern sein Höchststand war mit 1,04 Euro am Tag nach den Anschlägen auf Nord Stream 2.
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Bericht aus Bulgarien (319) – „Albanien und Amerika“

Erfahre gerade, dass die USA zusammen mit Albanien eine Resolution in den UN-Sicherheitsrat in New York eingebracht hat, welche die sogenannten Referenden in den russisch kontrollierten ukrainischen Gebieten verurteilt. Dazu der Spiegel, das ehemalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg: „Die von den USA und Albanien eingebrachte Resolution hat freilich keinerlei Chancen angenommen zu werden“. Die Zusammenarbeit der USA mit dem kleinen Land Albanien gleich bei mir um die Ecke hat eine lange Tradition, die in obigem Film nachgespielt wird, in dem die USA einen Bürgerkrieg in Albanien inszeniert. Der Unterschied zum heutigen Krieg in der Ukraine ist der, dass es dort heute ein echter Krieg ist. Dem Produzenten des Krieges in Albanien, der von Dustin Hoffmann gespielt wird, war nach seiner erfolgreichen Inszenierung kein langes Leben mehr beschieden. Er stirbt noch im Film. Es bleibt abzuwarten, was mit dem Produzent des heutigen Krieges geschieht.
PS: Dass Bulgarien nicht gemeinsam mit Amerika die Resolution eingebracht hat, lag daran, dass hier Ja Nein und Nein ja bedeutet. Umso überraschender die Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten mit Albanien, denn dort ist es genauso.
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