Bericht aus Bulgarien (185) – “Wie in einem Roman von Dostojewski”

GeburtstagsFeierNamensSchildchen von RumenDemDeutschen
Seit ich in Bulgarien bin, wurde ich öfters eingeladen. Der gestrige Geburtstag meines Bürgermeisters war in Sachen Einladung ein Höhepunkt, denn die Feier, an der etwa 50 Menschen teilnahmen, war episch – das ist keine Übertreibung. Es gäbe viel zu erzählen, man könnte praktisch einen Roman schreiben, wofür mir angesichts täglich neuer Uber Files aber die Zeit fehlt. Ich will so viel verraten, dass ich mich wie in einem Roman von Dostojewski gefühlt habe, so weit man sich heute noch wie in einem Roman von Dostojewski fühlen darf, immerhin war Dostojewski Russe. Dass ich mich wie in einem Roman von Dostojewski gefühlt habe, lag an dem eingeladen Popen, der dem nahegelegenen Kloster vorsteht, das administrativ zu unserem Dorf gehört, was ich irgendwann schon mal gehört hatte. Da ich mich wegen dem Popen, den ich nun auch schon seit 20 Jahren kenne, wie in einem Roman von Dostojewski gefühlt habe, war es am ehesten “Die Brüder Karamasow” mit einem Schuss von “Der Idiot”. Doch genug der Vorrede. Der Pope, der jünger aussieht als er ist und ursprünglich aus dem mazedonischen Teil Bulgariens stammt, hat auch die Band mitgebracht, zwei Frauen und drei Männer. Das war sozusagen sein Geburtstagsgeschenk. Von Anfang an war der Geistliche geistigen Getränken nicht abgeneigt, wobei er immer nur ganz kleine Schlückchen nahm, sowohl vom Whiskey als auch vom Wein. Der Höhepunkt von der Geburtstagsfeier meines Bürgermeisters war, als der Pope selbst anfing zu singen. Zuvor hatten das ausschließlich die beiden Sängerinnen der vom Popen mitgebrachten Band getan. Obwohl er ganz weltliche Lieder sang, war es, als würde ein Engel singen. Film- und Fotoaufnahmen durften dabei nicht gemacht werden, das wollte der Pope nicht, aber ich hatte meine Kamera sowieso zu hause gelassen – aus Erfahrung. In einem seiner Lieder forderte der Pope uns auf, die Gläser zu erheben, um gemeinsam zu trinken, wie überhaupt alles gemeinsam gemacht wird beim Bulgaren. War sonst die Tanzfläche immer und sogleich spektakulär voll gewesen, so blieben die Gäste beim Gesang des Popen auf ihren Stühlen sitzen und lauschten ihm andächtig, wie in der Kirche, wo der Pope sonst singt. Hatten manche ihm zur Begrüßung bereits die Hand geküsst, küssten sie ihm die beim Abschied später alle. Nur ich musste wieder aus der Reihe tanzen. Das war dem Deutschen in mir dann doch zu viel Körperkontakt. Auch ich dankte dem Popen für seinen Gesang und drückte ihn zum Abschied herzlich. Der Pope dankte mir seinerseits für meine Aufmerksamkeit.
Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (184) – “Spektakulär – Wir werden bald tanzen”

Taxis vor dem bulgarischen Parlament in Sofia

Die ersten Reaktionen von Uber auf die Uber-Files ist, dass das alles Vergangenheit sei und mit dem heutigen Unternehmen nichts zu tun habe, erinnern mich an die Mafia-Typen in Bulgarien nach der Wende. Erst haben sie als finstere Gestalten gedroht, einem die Fenster einzuschmeißen, wenn man kein Schutzgeld bezahlt hat. Dieselben Leute sind bald darauf als gestylte Business-Typen gekommen und haben einem eine Fenster-Versicherung verkauft. Und sie sind damit durchgekommen, so wie Uber damit durchkommen wird. Ob sich das Unternehmen heute wirklich an Recht und Gesetz hält wie behauptet, und so wie es die ehemaligen Mafia- und jetzt Business-Typen nun wirklich tun in Bulgarien, darf bezweifelt werden.

Die erste Reaktion von Uber-Nutzern ist unisono: “Aber das war doch schon immer so!” Sicherlich war das schon immer so, dass Politiker geschmiert und Wissenschaftler gekauft wurden. Neu ist, dass darauf nicht mit Entrüstung, wie es normal wäre, sondern mit Gleichgültigkeit reagiert wird. Das war nicht immer so. In Zukunft werden wohl Menschen, wenn sie überhaupt noch auf Beerdigungen gehen, den Angehörigen des Verstorbenen kein “Herzliches Beileid” mehr wünschen, sondern sich nur noch ein “Das war schon immer so” über die Lippen quälen. Mein Beileid jetzt schon zu diesen neuen Menschen.

Auch in Deutschland wurden Politiker beeinflusst und Wissenschaftler gekauft. Ein Beispiel für einen gekauften Politiker ist Otto Fricke von der FDP, der jetzt im Bundestag sitzt und fleißig mitregiert. Wird er das Parlament verlassen müssen? Der Wirtschaftswissenschaftler, wohl eher “Wirtschaftswissenschaftler”, Justus Haucap hat eine Gefälligkeitsstudie für 44.000 Euro und einen positiven Zeitungsbericht für 4.000 Euro geschrieben. So billig sind heute Wissenschaftler zu haben, Vertreter DER Wissenschaft, die vermutlich, wenn der Preis stimmt, morgen behaupten, dass sich die Erde nicht um die Sonne, sondern um Uber dreht.

In Bulgarien ist Uber seit vielen Jahren verboten, so wie eigentlich auch in Deutschland. Der Unterschied ist, dass das Verbot hier eingehalten wird und in Deutschland nicht. Es geht also – wenn man will. Die Regierung, die Uber in Bulgarien verboten hat, soll korrupt gewesen sein, und sicherlich war sie es auch. Nur scheint mir hier der Dieb “Haltet den Dieb!” zu rufen. Geht es bei politischen Entscheidungen immer um die Frage, was das kleinere Übel ist, so stellt sich hier die Frage, wer der größere Dieb und welche die korruptere Regierung ist. Angesichts dessen, dass Uber eines der reichsten Unternehmen weltweit und überhaupt ist, tendiere ich in dem Fall zu diesem Verein. Wer das meiste Geld, spielt am schmutzigsten – das war schon immer so. Das Unternehmen Uber sollte zerschlagen werden und mit ihm Amazon, Tesla, Google, Facebook & Co.

PS: “Lobbyisten haben es offenbar geschafft, unbemerkt …” bei Öffentlich/Rechtlich ist ein weiteres Beispiel dafür, dass man dort offensichtlich nichts mehr merkt. Viele Taxifahrer weltweit haben sofort bemerkt, dass etwas faul ist, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann, sowohl bei dem Unternehmen Uber, als auch bei der Berichterstattung. – Guten Morgen Öffentlich/Rechtlich!

PPS: “Spektakulär” & “Wir werden bald tanzen” schrieben Uber-Vertreter nach ihrem Treffen mit Macron, das in keiner Agenda des Ministers auftauchte.

Foto&Text TaxiBerlin

Die Uber Files – Wenn Verschwörungstheorien wahr werden

TaxiBerlin in der Notaufnahme
Seit Jahren redet das Taxigewerbe nicht nur in Deutschland davon, dass Uber ein schmutziger und krimineller Verein ist, und zwar bis heute. Jahre wurden wir von den üblichen Verdächtigen wie ARD, ZDF, Spiegel, Süddeutsche & Co klein gemacht. Heute stellt sich nun heraus, dass wir Recht hatten. Uber ist ein schmutziger und illegaler Verein. Schmeißt ihn endlich raus, wie man es in Bulgarien schon vor Jahren gemacht hat. Eine angeblich korrupte Regierung. Es stellt sich die Frage, ob die Regierungen Macron, Biden und wie sie alle heißen, nicht korrupter sind. Sicher ist jedenfalls, dass erneut eine Verschwörungstheorie wahr geworden ist. Danke dem Guardian für die Veröffentlichung der Uber Files.
PS: Wie absurd es mittlerweile bei Öffentlich/Rechtlich hierzulande zugeht, verrät folgender Titel beim Bayrischen Rundfunk: “Datenleck setzt US-Konzern unter Druck” – Ach so, dann sind die gar nicht kriminell. Die haben nur ein Datenleck.
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Bericht aus Bulgarien (183) – “Statt Messe lesen”

Ruhe in Frieden, kleines Vögelein

Habe gerade die beiden Kamikaze-Vögel beerdigt Musste dabei an Michel Houellebecqs “Elementarteilchen” denken. Gleich am Anfang stirbt dort der Kanarienvogel von Michel Djerzinski, einer der Hauptcharaktere des Buches. Der andere ist sein Halbbruder Bruno. Michel Houellebecq beschreibt die Situation, in der sich sein Michel im Buch befindet, folgendermaßen: “Nach kurzem Zögern legte er den Vogelkadaver in eine Plastiktüte, die er mit einer Bierflasche beschwerte, und warf das Ganze in den Müllschlucker. Was sollte er sonst tun? Eine Messe lesen?” – Eine Messe habe auch ich nicht gelesen, aber immerhin das Gelassenheitsgebet leise vor mir her gesprochen: “Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

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Bericht aus Bulgarien (182) – “Von lebensmüden Mensch- und Vögelein”

Vogelsterben in Bulgarien (Eins)

Pünktlich um 11 Uhr, wie es sich für Deutsche gehört, traf ich mich gestern mit meinem englischen Freund Jerry, der am liebsten Deutscher wäre, im Nachbarstädtchen in der Konditorei, die direkt neben dem Café “Vegas” ist, wo wir uns sonst immer treffen. Der Kaffee ist dort wirklich gut, die Torten dafür ungenießbar. Die kostenlose Toilette habe ich nicht genutzt, obwohl dies eigentlich so geplant war, was zum einen daran liegt, dass man Dinge, die man sich fest vornimmt, dann plötzlich nicht umsetzt. Zumindest ist das in Bulgarien so. Das krasseste Beispiel dafür ist, dass wir vor Jahren einmal ans Meer fahren wollten und dann im Gebirge gelandet sind, als wäre es das normalste von der Welt.

Der andere Grund, warum ich den Besuch der kostenlosen Konditorei-Toilette völlig aus den Augen verloren habe, war, dass mein Freund Jerry mir von der Polverschiebung erzählte. Auf den ersten Blick hört es sich wie diese Szene aus dem Woody Allen Film an, dessen Titel mir gerade nicht einfällt, wo der kleine Woody zu seinem Psychiater sagt: “Das Universum expandiert!”, und woraufhin dieser antwortet: “Ja, aber nicht in Brooklyn!” Dass Woody nicht alleine zum Psychiater gegangen sondern von seiner Mutter dorthin geschleppt wurde, lag daran, dass Woody lebensmüde, also “tired of life” war. Und das sind die Vögel in Bulgarien auch gerade. Überall liegen tote Vögel rum, so auch rings um meiner Hütte.

Warum überall tote Vögel rumliegen in Bulgarien, war mir bis gestern ein Rätsel. Denn da habe ich beobachten müssen, wie sie zu Tode kommen. Sie kommen dadurch zu Tode, indem sie mit hoher Geschwindigkeit gegen Gebäude fliegen, genauso wie am 11. September Flugzeuge in Gebäude geflogen sind. Und da sie mit dem Kopf zuerst und ohne Helm gegen diese Gebäude fliegen, gleicht dieser Flug einem Kamikaze-Flug. Die Vögel begehen also Selbstmord, sie sind genauso wie der kleine Woody in seinem Film lebensmüde oder “tired of life”, wie mein englischer Freund Jerry dazu sagen würde, der auch eine mögliche Ursache nennen konnte.

Vögel reagieren nicht nur früher als der Mensch auf Naturkatastrophe, sondern sie orientieren sich bei ihrem Flug am Magnetfeld der Erde, das ist bekannt. Dieses Magnetfeld verschiebt sich seit vielen Jahren, was auch noch so einige wissen. Befand sich beispielsweise der Arktische Magnetpol im Jahr 1830 noch über der kanadischen Arktis, so ist er seitdem fast 2.300 Kilometer weiter gewandert und nunmehr in der Nähe des geografischen Nordpols zu finden. Eigentlich gingen Forscher davon aus, dass er in den nächsten Jahren nur noch langsam vorankommt. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: In den vergangenen Jahren hat sich die Bewegung sogar noch beschleunigt. Aber es wird noch besser:

Geophysiker erstellen seit dem Jahr 1965 alle fünf Jahre ein Referenzmodell, um die Verlagerung des Pols abzubilden. Diese Daten sind wichtig für Navis, Kompasse und magnetgestützte Anwendungen. Auch im Flugverkehr sind verlässliche Daten unabdingbar. Eigentlich wäre eine Aktualisierung des World Magnetic Model (WMM) erst im Jahr 2020 fällig gewesen, aufgrund der starken Änderungen wurde bereits Ende Januar 2019 ein aktualisiertes Modell erstellt. Seit Beginn des WMM ist dies das erste Mal, dass eine vorzeitige Anpassung nötig wurde.

Aber das allerbeste ist, dass der genaue Grund für diese rasante Beschleunigung der Polverschiebung noch völlig unklar ist. Forscher vermuten die Ursachen im äußeren Erdkern. Dort gibt es eine Art Jetstream im flüssigen Metall, der sich dreimal schneller um den Nordpol bewegt als das übrige Metall. Zudem wurde im Erdkern im Norden Südamerikas ein verstärkter Eisenfluss entdeckt. Die Kombination aus beidem könnte die Drift des Arktischen Magnetpol begünstigen. Denkt man all das zu Ende, könnte es nicht nur das aktuelle Vögelsterben in Bulgarien erklären, sondern möglicherweise auch den Klimawandel.

Das ist natürlich alles eine Theorie. Ob es auch eine Verschwörungstheorie ist, das muss jeder für sich entscheiden. Was ich weiß, ist, dass die Quelle der Information WetterOnline ist, was sich bisher nicht durch Verschwörungstheorien sondern durch Wetterinformationen hervorgetan hat. Was sich darüber hinaus mit absoluter Sicherheit sagen lässt, ist, dass die Geschichte das Potenzial hat, den Gang zu Toilette zu vergessen. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Und dass sich daraus die Frage ergibt, wie mit den vielen Toten Vögeln zu verfahren ist.

Ich meinerseits werde jetzt los gehen und meine toten Vögel, es sind ihrer zwei, begraben. Der gemeine Bulgare ist diesbezüglich ein Barbar, denn er lässt sie in aller Regel da liegen, wo sie gerade liegen. Dementsprechend sieht es auch auf den bulgarischen Straßen aus, auf denen überall tote Tiere, an erste Stelle Hunde und Katzen und weniger Vögel herumliegen. In Bulgarien, auch im Radio, sagt man, dass auf den bulgarischen Straßen ein Krieg toben würde, und das schon seit Jahren. Optisch sieht es oft wirklich so aus, als würde Krieg, Straßen-Krieg, herrschen. Das kann ich bestätigen, aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

Vogelsterben in Bulgarien (Zwei)
Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (181) – “Kein Wasser im Haus, aber Regen vom Himmel”

Vier Pakete mit Zwiebeln und Knoblauch

Gestern der Basar war ganz OK, nur im Supermarkt gab es keine Joghurt-Angebote, was ich als schlechtes Zeichen ansehe, weil es sonst immer Joghurt-Angebote gibt. Worauf dieses Joghurt-Zeichen hinweist, wird sich zeigen. Zur Abwechslung habe ich einen größeren Joghurt genommen, der wegen seiner Größe günstiger ist, und der eine Haut oben auf dem Joghurt hat. Viele mögen so eine Haut nicht, auch nicht auf ihrer Milch, aber für mich ist das kein Problem. Ich kenne es nur so, zumindest in Bulgarien, wo bei dem selbst gemachten Schaf-Joghurt meiner Tante immer eine Haut oben drauf war.

Zurück im Dorf habe ich in der Dorfkneipe unsere vier Pakete abgeholt. Drei hatte ich wieder mit Hermes geschickt und eins mit der Post. Dass sie überhaupt angekommen sind in den Schluchten des Balkans, grenzt für mich an ein Wunder, das mich über die auch nur leichten Beschädigungen meiner Verpackung komplett hinwegsehen lässt. In den Hermes-Paketen sind wieder Bücher. Sie waren alle um die 23 Kilogramm schwer, was bei Hermes kein Problem ist. Dort kann man bis zu 25 Kilogramm versenden, es kostet 18,90 € und ist mit 500 Euro versichert. Das größere Paket, in dem Klamotten sind, habe ich mit der Post verschickt.

Mit der Post kann man nur 20 Kilogramm verschicken und es ist auch teurer. Für mein eines Paket habe 32,90 Euro bezahlt. Dafür ist es etwas größer als eine Bananen-Kiste. Es ist ein Umzugskarton. Fällt mir in dem Zusammenhang ein, dass ich sieben Bananen-Kisten mit Büchern verkauft habe, als ich in Berlin war. Für jede Kiste gab es 25 Euro, was eigentlich zu wenig ist. Aber wenn man unter Zeitdruck steht, nimmt man, was man kriegen kann. Ich erwähne das mit den 25 Euro, weil ich mit dem Verkauft der Bücher praktisch den Versand meiner Pakete nach Bulgarien bezahlt habe. Eins ist noch unterwegs, das hatte ich zum Schluss nochmal mit Hermes versendet.

Die Pakete hatte mein Bürgermeister in seiner Kneipe bei uns im Dorf für mich gelagert. Das große mit der Post verschickte hat er für mich sogar aus dem Nachbarstädtchen mitgebracht, wo er wohnt. Er selbst war nicht in der Kneipe in dem Moment, als ich die Pakete dort abgeholt habe, sondern seine Mitarbeiterin, die ich schon so lange kenne wie meinen Bürgermeister – 20 Jahre. Sie hatte beim Wiedersehen nach meiner Rückkehr gefragt, ob ich ihr “Bonboni”, also Bonbons aus Deutschland, mitgebracht hätte. Hatte ich nicht, aber die Frage war auch nicht ganz ernst gemeint.

Trotzdem habe ich ihr gestern deutsche “Bonboni”, und zwar “Toffifee”, aus dem Supermarkt mitgebracht. Jetzt war es ihr natürlich peinlich, und sie wollte sie gar nicht annehmen. Ich sagte ihr, dass es für mich auch ein Spaß gewesen wäre die deutschen “Bonboni” für sie zu kaufen, und dass sie auch ihren Kindern, ihren Enkelkindern und insbesondere ihrer Mutter ein deutsches “Bonboni” abgeben soll. Ihre Mutter ist nämlich meine Nachbarin Baba Bore, die gerade in ihrem Garten arbeitete, als ich auf meinem Heimweg rauf zu meiner Hütte bei ihr vorbeifuhr, weswegen ich anhielt, damit wir uns begrüßen, also drücken können.

Baba Bores Garten ist der perfekteste im ganzen Dorf. Sie kann damit mehrere Familien ernähren, und auch ich kriege immer etwas ab. Das ist der Grund, warum ich normalerweise nicht anhalte, denn das ist mir wiederum peinlich, dass ich nie mit leeren Hände von ihr weggehen darf. Und so war es auch gestern. Ich bekam von ihr neben frischen Gurken noch frische Zwiebeln und frischen Knoblauch. Knoblauch ist das bulgarische Antibiotikum. Möglicherweise hat es auch dazu beigetragen, dass das Virus an mir vorbeigegangen ist, dass ich bis heute weder genesen, noch geimpft oder gar tot bin.

Auf dem Heimweg traf ich dann noch meinen Bürgermeister, der mir mitteilte, dass es auf meinem Weg mal wieder eine Wasser-Havarie gibt, er sich aber schon darum gekümmert hätte. Später am Tag kamen auch Leute mit Bagger zu mir rauf, das geplatzte Rohr ist praktisch direkt vor meiner Hütte, die es reparierten. Wasser habe ich deswegen bis heute morgen nicht. Auf telefonische Nachfrage meinte mein Bürgermeister, dass das noch kommen würde. Wann, sagte er nicht. Vermutlich gibt es noch eine weitere Havarie im Dorf. Ich lasse mich überraschen. Wenn es schon kein Wasser aus der Leitung gibt, so fällt seit gestern Abend welches vom Himmel, was ich mehr schlecht als recht aufzufangen versuche.

Für Montag bin ich bei meinem Bürgermeister, einem im Sternzeichen Krebs geborenen, meinem Aszendent, zum Geburtstag eingeladen. Auch ihn kenne ich jetzt schon seit 20 Jahren, damals war er noch kein Bürgermeister, sondern derjenige, der mir die Hütte gezeigt hat, in der ich gerade sitze und diesen Beitrag schreibe, weil es hier jetzt auch Internet gibt, was ich wiederum Freunden zu verdanken habe, die mich nicht nur mit Informationen, sondern darüber hinaus mit der nötigen Hardware versorgt haben. Vielen Dank nochmal dafür!

Heute treffe ich mich um 11 Uhr mit meinem englischen Freund Jerry, der am liebsten Deutscher wäre, zum Kaffee im Nachbarstädtchen. Auch Jerry, der drei Dörfer weiter wohnt, hat seit Tagen kein Wasser. Treffen werden wir uns diesmal aber nicht im Café “Vegas”, wo wir uns sonst immer treffen, sondern in der Konditorei nebenan. Die Konditorei ist neu und hat wirklich Torten, die aber mit unseren Torten nichts zu tun haben, man kann sie praktisch nicht essen, weil sie nur aus Zucker bestehen. Der Kaffee ist aber gut und, vielleicht das wichtigste, die Toilette ist groß und sauber und vor allem umsonst. Im “Vegas” sollen neuerdings auch Gäste 50 Stotinki (25 Cent) für die Toilette bezahlen.

Auch wenn ich die Alte vom “Vegas” mag, vor allem aber ihre Tochter, die dralle Blonde, aber dass Gäste für die Toilette bezahlen sollen, das geht gar nicht. Die Toilette in der Konditorei ist geräumig wie eine Toilette in Amerika, was in Bulgarien nur schwer zu finden ist. Praktisch könnte ich mich dort auch Waschen oder zumindest Zähne putzen. Ich hoffe, dass es dort Wasser gibt. Gerade überlege ich, ob hinter dem abgestellten Wasser ein Plan steckt. Und zwar der, einen neuen Bürgermeister einzusetzen, weil die Leute mit dem alten unzufrieden sind.

Mein Bürgermeister hat jetzt doch das Material für unseren vom vielen Regen ausgewaschenen Weg besorgen können, irgendwelche Reste von Bitumen, die, so vermute ich, auf irgendeiner Baustelle nicht mehr gebraucht werden. Vielleicht ist das Material auch geklaut, ich will es nicht ausschließen. Im Gegenteil, und ich gehe sogar davon aus, dass auch in Deutschland bald im großen Stil geklaut werden wird, einfach weil die Menschen frieren und nichts mehr zu essen haben.

Das mit dem Klauen von dem Bitumen ist dagegen nur eine Vermutung. Dass Bürgermeister ersetzt werden sollen, ist eine Theorie, wegen mir auch eine Verschwörungstheorie. Seit einiger Zeit mag ich Verschwörungstheorien sehr, einfach deswegen, weil sich die allermeisten insbesondere in der jüngsten Vergangenheit als wahr herausgestellt haben, was für mich ein großer Spaß ist. Wäre es nicht so, gingen mir Verschwörungstheorien auch am Arsch vorbei. Apropos: Jetzt muss ich mal, wie um diese Zeit üblich, auf Toilette, und ich überlege, wie ich das ohne Wasser im Haus hinbekomme. Ich muss mal schauen, wie viel ich von dem vom Himmel fallenden Wasser auffangen konnte.

PS: Komme gerade von draußen rein. Dem Toilettengang steht nichts entgegen.

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Bericht aus Bulgarien (180) – “Grüner Balkan”

Die Motorsäge macht den Sound
Es hat viel geregnet in Bulgarien, während ich in Berlin war, ich erwähnte das bereits. Das ist einerseits gut, so mussten meine Tomatenpflanzen praktisch nicht gegossen werden und erfreuen sich trotzdem reichlichen Wachstums. Ein paar grüne Tomaten sind auch schon dran, und eine Gurke wurde nebenan an einer der beiden Gurkenpflanze auch schon gesichtet. Zu viel Regen hat aber auch seine Schattenseiten. In meinem Keller, es gibt dort keinen Estrich sondern nur Erdreich, wachsen jetzt kleine Pilze, der Bulgare würde sagen Pilzchen, denn er liebt die Verkleinerungsform. Im Nachbarstädtchen soll eine Brücke weggespült worden sein, weil das sonst eher kleine Flüsschen durch den vielen Regen stark angeschwollen war und die Brücke mitgerissen hat. Das will ich mir morgen ansehen. Heute geht es erstmal zum Basar, wo wir uns mit frischem Obst und Gemüse eindecken wollen. Nach dem Basar ist der Besuch des Supermarktes geplant, der hier “T-Market” heißt, eine litauische Kette. Obwohl ich “T-Market” nicht wirklich empfehlen kann, gehe ich hin, denn es ist der einzige im Örtchen und er hat regelmäßig Joghurt im Angebot. Also richtig guten bulgarischen Joghurt, man bekommt ihn in Deutschland gar nicht, der mit etwas Glück nur einen Lewa (50 Cent) anstelle von 1,50 Lewa (75 Cent) kostet. Wenn man zehn Joghurtchen nimmt, so wie es regelmäßig mache, spart man fünf Lewa, was immerhin 2,50 Euro sind. Im Wald (Foto oben) wird bereits wieder Holz gefällt, was sehr früh ist. Sonst wird dort erst im Herbst illegal Holz geschlagen. Dass es jetzt schon los geht, liegt daran, dass niemand weiß, wie teuer das Holz morgen sein wird. Es ist wie mit dem Gas in Deutschland. Da weiß auch niemand, wie teuer es morgen sein wird und wer es noch bezahlen kann. Der Preis für Holz hat sich in Bulgarien bereits jetzt verdoppelt. Alles wie gesagt illegal, also ohne Erlaubnis. Vielleicht ist das auch die Alternative fürs Gas in Deutschland. So wie im Berlin der Neunziger Strom illegal abgezweigt wurde, der ein oder andere erinnert sich. Strom illegal abzuzweigen ist ist einfacher als Gas illegal abzuzweigen, genauso wie illegal Bäume fällen. Das ist auch vergleichsweise einfach, man darf sich nur nicht erwischen lassen. Weil das mit dem Gas so schwierig ist, werden die Leute in der Heimat spätestens im Herbst auf die Straße gehen, einfach weil sie in ihren Wohnungen frieren, wenn sie nicht schon auf der Straße sitzen. Da es hier wie bereits erwähnt viel geregnet hat, sind auch meine Bäume weiter gewachsen. Für den nächsten Winter reichen sie zum Heizen auf jeden Fall, im Stall ist auch noch etwas Holz. Ich werde also eher hier in meinem einen warmen Raum den Winter verbringen, als dass ich in Berlin in meiner kalten Bude sitze. Es haben sich auch schon Menschen aus Deutschland bei mir gemeldet, die ähnliche Pläne haben. Jetzt weiß ich nicht, ob ich ihnen empfehlen soll, eine Motorsäge mitzubringen. Ganz ohne ist das auch nicht, so eine Motorsäge. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. So eine Motorsäge macht auch Lärm. Das ist, wenn man so will, gerade der Sound des ansonsten grünen Balkans.

Foto&Text TaxiBerlin