Leaving Berlin (034)

Das ist meine erste Tomate. Heute habe ich sie angebunden, also die Pflanze. Insgesamt habe ich zehn Tomatenpflanzen, die ich vor gut einem Monat gepflanzt habe. Seither hat es viel geregnet, zu viel für meine Tomatenpflanzen. Sonst hätte ich vielleicht schon mehr, immerhin habe ich frühe Tomaten gekauft. Heute hat es sogar gewittert und gehagelt. Danach habe ich die Stöcke vom letzten Jahr in den Boden gerammt und die Tomatenpflanzen an ihnen angebunden. Auch damit mir die Pflanzen nicht wegfliegen. Denn manchmal haben wir starke Winde hier in den Schluchten. Der Untergrund ist übrigens Selbstgehäckseltes auch vom letzten Jahr. Deswegen habe ich kein Unkraut, oder zumindest noch nicht. Ich hatte auch drei Gurken gepflanzt, aber die Pflanzen sind verschwunden, komplett weg, über Nacht sozusagen. Da soll es Tierchen geben, denen jungen Gurkenpflanzen schmecken. Ich kenne sie nicht persönlich, aber Baba Bore, meine Nachbarin. An ihrer Stelle stehen jetzt zwei Zwiebeln. Die habe ich gepflanzt, weil sie schon wieder Grünzeug getrieben haben. Dann kann man sie zwar noch essen, sie sind aber nicht mehr wirklich lecker. Die Power steckt in den Trieben. Und bald in neuen Zwiebeln. So hoffe ich. Und die esse ich dann zusammen mit den Tomaten. Das ist der Plan.

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Meanwhile in Germany (018)

Ich bin kein Fussballfan, mein Interesse an Fussball geht gegen Null, neuerdings sogar unter Null. Und zwar seit ich erfahren habe, dass der BVB, also Dortmund, sich vom Rüstungskonzern Rheinmetall sponsern lässt, und das auch noch als “Echte Liebe” verkauft. Da musste ich kotzen. Zum Glück war ich gerade im Grünen. Überhaupt ziehe ich ab sofort balkanische Scheißhäuser deutschen Stadien vor. Wer in Zukunft in ein Stadion geht, sollte sein Schießgewehr nicht vergessen. Anstelle von “Echter Liebe” empfehle ich “Brot und Tod” als Motto einzugravieren.

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Leaving Berlin (034)

Knapp zwei Jahre ist es jetzt her, dass wir uns auf dem Boulevard Vitosha in Sofia kennengelernt haben. Der Boulevard Vitosha ist eine Art Unter den Linden oder wegen mir auch Kurfürstendamm der bulgarischen Hauptstadt, an dessen Ende sich dieses Denkmal des Klassikers Aleko Konstantinow befindet, dessen wichtigsten Werke ich auf Deutsch herausgebe. Angesprochen habe ich den mir unbekannten jungen Mann aus einer Kleinstadt im Hessischen, weil er sich mit einem Freund in der Muttersprache unterhalten hatte. – Vor wenigen Tagen rief mich mein Bürgermeister an, weil sich ein Landsmann in seine Kneipe verirrt hatte. Ich sprach kurz am Telefon mit ihm, und wir vereinbarten am nächsten Tag zusammen einen Kaffee zu trinken. Was bis zu dem Zeitpunkt nach einem ersten Kennenlernen aussah, entpuppte sich als ein Wiedersehen. Denn, wie bereits geschrieben, wir kannten uns bereits vom Boulevard Vitosha in Sofia. Solche Geschichten passieren in Bulgarien regelmäßig, denn das Land ist nicht groß und hat, da fast jeder dritte es verlassen hat, nur ungefähr doppelt so viele Einwohner wie Berlin. Was auch nicht das erste Mal vorkam, war, dass mein Bürgermeister den Kontakt herstellte. Mein Bürgermeister ist, wie mein Freund Achim in Bremen, jemand, der Menschen miteinander verbindet. Achim hatte den Kontakt zu Uschi und Michael gemacht, die mich im letzten Jahr besucht und hier unter Update darüber berichtet haben. Nicht neue, sondern solche Männer braucht das Land! Um nicht wieder das wichtigste zu vergessen: Der junge Mann aus dem Hessischen, der um die dreißig sein dürfte, lebt seit über fünf Jahren in Bulgarien und fühlt sich sehr wohl hier. Er ist sogar verheiratet. Seine Frau hatte das mit dem Heiraten vorgeschlagen, wie ich von ihm erfuhr, und weil er kein Spielverderber sein wollte, hat er das (mit)gemacht, was Alexis Sorbas als “The Full Catastrophe” bezeichnet.

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Meanwhile in Germany (017)

Auch wenn manch Strommast in Bulgarien etwas schrägt steht und mit einem Draht gehalten werden muss, können die meisten hier noch geradeaus denken. Andersrum in Deutschland. Das von Bill Gates gesponserte ehemalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg weiß über einen Schlagermove auf St. Pauli zu berichten. Laut Überschrift haben dort nackte Männer Frauen angetanzt. Nur: Wie kann man sicher sein, dass die Männer Männer waren? Vielleicht haben sie sich selbst als Frauen definiert. Hat man mit den mutmaßlichen Männern gesprochen? Natürlich nicht. Bravo, Spiegel! – Gesprochen wurde auch in Berlin nicht, der Zentrale des deutschen Irrenhauses. Dort hat man gleich zugeschlagen, und zwar die Polizei, dein Freund und Helfer. Getroffen haben die Schläge diesmal keinen friedlichen Demonstranten, sondern einen für die Berliner Zeitung arbeitenden Journalisten aus Mexiko. Mittlerweile hat sich der mexikanische Botschafter in Berlin in den Fall eingeschaltet und überregionale Zeitungen haben in dem nordamerikanischen Land darüber berichtet. Jetzt weiß man endlich auch in Mexiko über das brutale Vorgehen der Polizei in der deutschen Hauptstadt bescheid. Bravo, Berliner Polizei! – Zurück zu Bulgarien, wo zwar Strommasten mitunter etwas schräg stehen, aber immer noch geradeaus gedacht wird, und wo auch das Vorgehen das Polizei ein anderes ist, zumindest bisher. Ich war zu vielen Demonstrationen hier, um über sie zu berichten, beispielsweise hier. Auf allen habe ich mich so sicher gefühlt wie zuvor lange nicht. Da war ich auf zahlreichen Demonstrationen in Berlin gewesen. Bekämpft und schlägt man dort das eigene Volk und neuerdings auch ausländische Journalisten, hat man bei bulgarischen Polizisten immer den Eindruck, sie sympathisieren mit den Demonstranten oder haben zumindest Verständnis für sie. Das hat auch mit dem obersten Polizisten zu tun, mit dem ich mich angefreundet habe. Sein Name ist Georgi Alexejew, ich habe hier über ihn berichtet. Als ich Alexejew erzählt hatte, dass ich aus Berlin komme, berichtete er mir von seinem Erfahrungsaustausch in der deutschen Hauptstadt. Er habe dort durchaus zur Kenntnis genommen, dass die Berliner Polizei ein aggressiveres Auftreten hat. Seine Fazit danach: “Das ist nicht mein Stil. Wir machen das anders in Bulgarien.” Bravo, Georgi Alexejew!

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Leaving Berlin (033)

Früher wurde “nur” an der Uhr gedreht. Danach an den Farben. Auch beim Bulgare werden die Farben immer dunkler, man sieht das an den Buchstaben der Laufschrift ДОБРЕ ДОШЛИ (Dobre Doschli – Herzlich Willkommen) am Rathaus. Sie wird immer dunkler wie bei uns die Landkarte beim Wetterbericht. Aber der Bulgare geht noch einen Schritt weiter. Nicht umsonst ist Bulgarien Deutschland eine Stunde voraus. In Bulgarien wird neuerdings an der Temperatur gedreht. Genauer: an der Temperaturangabe. Sie wird hier mit 33° Celsius angegeben. In Wahrheit betrug sie zu diesem Zeitpunkt (25.05.2024 um 16:01:52/4)) gerade mal 23° Celsius. Ein “Plus” von immerhin zehn Grad, was mich an die DDR erinnert. Dort wurden die Pläne auch immer um zehn Prozent überfüllt – mindestens. Demnächst auch im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat. Garantiert!

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Leaving Berlin (032)

Das ist ein Mekiza. Meist wird die Mehrzahl Mekizi verwendet. Am Freitag hatte ich mir im Nachbarstädtchen zwei von ihnen zum Frühstück gekauft, weil ich dachte, dass einer zu wenig wäre, was sich aber nicht bestätigt hat, so dass der zweite mein Frühstück gestern morgen war. Ausser mir gab es nur Rentner, die auch alle Mekizi zum Frühstück am kleinen Pavillon am Ende des Basars gekauft haben, meist aber nur einen. Die Rentner hatten sich herausgeputzt, nicht nur weil Feiertag war. Am Freitag ist auch traditionell Basar, was der einzige Anlass für sie ist, nochmal raus zu gehen. Den Rest der Zeit sitzen sie zu hause und warten auf den Tod. Familie haben sie nicht mehr, alle sind im Ausland oder zumindest in Sofia. Es ist die ärmste Region des Landes, dementsprechend wohnen auch nur arme Leute hier. Baniza gibt es nicht mehr, denn die ist mit Schafkäse und den kann sich keiner mehr leisten. Die letzte Banitza, die es gab, konnte man nicht essen. Der Schafkäse hatte weder mit Schaf noch mit Käse etwas zu tun, er war einfach nur ungenießbar. Jetzt gibt es nur noch Mekizi ohne alles. Die sind (noch) essbar, aber nur wenn sie heiß sind wie am Freitag. Auch für alte Leute ohne Zähne, die sich die meisten hier auch nicht leisten können. Die Mekizi sind so groß, dass die Alten zwei Tage an einem essen. Die meisten machen Zucker drauf, ich bevorzuge Salz. Vergleichbar sind Mekizi am ehesten mit dem ungarischen Langos. Mekizi sind eine Art Pfannkuchen, auch wenn sie nicht in einer Pfanne, sondern in einem Topf mit kochendem Sonnenblumenöl gebraten werden. Kosten tut ein Mekiza aktuell 1,20 Lewa, was 60 Cent sind. Im letzten Jahr waren es nur 80 Stotinki gewesen, also 40 Cent. Der letzte Langos, den ich in Berlin gesehen habe, sollte fünf Euro kosten.
PS: Apropos Berlin: Bei mir um die Ecke im Friedrichshain, ganz genau in der Weichselstraße, hat ein Hipster-Bäcker aufgemacht, den ich letztens ausprobiert habe. Ich nahm das billigste, zwei Brotkanten (es waren wirklich nur Brotkanten, also angeschnittene Brotenden) für 5,60 Euro, die ganz OK waren. Den nächsten Besuch beim Berliner Hipster-Bäcker kann ich mir erst nächstes Jahr leisten. So lange muss ich bei Wasser und Mekizi in den Schluchten des Balkans ausharren.

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Meanwhile in Germany (016)

Friedensdemo im Berliner Tiergarten (23. November 2023)

Anton Hofreiter von den einstmals pazifistischen Grünen, die jetzt zu den größten Kriegstreibern in unserem Land gehören, will an die Ostfront. Genauer: in die Ukraine. Von dort aus will er Raketen auf Russland abfeuern. Genauer: westliche Waffen. Aber warte mal. Das stimmt ja gar nicht. Ganz genau ist es “nur” so: “Hofreiter will Ukraine das Abfeuern westlicher Waffen auf Russland erlauben”

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