Bericht aus Bremen (8) in Bulgarien (4)

Am Schwarzen Meer in Bulgarien

Seit einer Woche sind wir nun in Bulgarien. Am vergangenen Freitag landeten wir in Sofia, fuhren Samstag zu Rumen und aus den Schluchten des Balkans weiter nach Veliko Tarnovo, der Stadt der Helden und anschließend nach Kalofer ins Tal der Rosen. Mittlerweile sind wir in einem familiengeführten Hotel an der Küste des Schwarzen Meeres, im Örtchen Sozopol. Übrigens: Das Meer hier ist türkisfarben, kein Schwarz weit und breit! Das Hotel war nicht leicht zu finden, wir mussten durch kleine Gassen und einen beschrankten Durchlass, wo man uns mitteilte, dass das Befahren der Altstadt pro Tag 24 Lewa kostet.

Bevor wir jedoch die 256 km bis Sozopol zurücklegten, machten wir noch einen Abstecher zu einer der größten Rosen-Destillerien Bulgariens. Auch diese war zwar ausgeschildert, doch am Ende nicht zu finden. Es fehlte das Schild „Ich bin die Destillerie“ an der Mauer, die sich rund um das Firmengelände schlängelt. Erst als wir parkten und zum Holztor gingen, fanden wir eine Plakette mit dem Hinweis auf das, was hinter Mauer und Tor zu finden ist.

Eine junge Bulgarin empfing uns mit sehr gutem Englisch und machte sich gleich mit uns auf den Weg in die Destillerie, wo wir beobachten konnten, wie die angelieferten Rosenblüten aus großen Säcken in die Stahlbehälter geschüttet wurden. Im nachfolgenden Siedeprozess wird sowohl Rosenwasser als auch Rosenöl gewonnen. Neben dem Gebäude lieferten die Rosenpflücker/-innen ihre gefüllten Säcke ab. Sie hatten um vier Uhr morgens mit der Ernte begonnen und fuhren nun vor, um den Ertrag wiegen und verbuchen zu lassen.

Rund um die Destillerie roch es intensiv nach Rosen, noch stärker als wir in das Innere des Gebäudes kamen. Hier waren die Destillierbehälter zu sehen, deren Zu- und Abfluss mittels Sensoren und speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS, Siemens, SIMATIC) mit dem Firmennetzwerk verbunden waren. Ein kleiner Monitor zeigte jede Temperaturschwankung und reagierte prompt, wenn es irgendwo Unregelmäßigkeiten gab mit einem roten Warnhinweis.

Kerstin interessierte sich für alles rund um die Rosen, ich war fasziniert von der Verbindung eines über 100 Jahre alten Herstellungsverfahrens mit der Technik aus dem 20. Jahrhundert, gemeinhin bekannt unter dem Begriff Industrie 4.0. Natürlich kauften wir auch das ein oder andere, unter anderem 60-jähriges Rosenöl. Angeblich reift dies mit dem Alter. Rosenöl soll nicht nur gut riechen, sondern auch helfen bei Atemwegserkrankungen oder Strahlenschäden, so wurde uns erzählt. Man muss es auftragen oder inhalieren.

Hoffentlich lesen dies nicht zu viele Menschen, sie könnten auf die Idee kommen, statt der experimentellen Vakzine gegen Covid-xyz es mal mit experimentellen Rosenölinhalationen zu versuchen, die weniger Nebenwirkungen haben. Wer mehr über diese Destillerie erfahren möchte, kann dies über die (englischsprachige) Homepage tun.

Unser Reiseführer empfiehlt den Strand im Örtchen Sinemorets. Dieser liegt südlich von Sozopol und ist in 45 Minuten zu erreichen. Wir also machen uns auf die Suche nach diesem Ort, erfahren die Landstraßen entlang der Küste und dürfen feststellen, dass die für Landstraßen vorgesehene Höchstgeschwindigkeiten von 90 km/h an den wenigsten Stellen gelten, da ständig auf 60 oder gar 40 km/h runterreguliert wird wegen steiler Kurven oder Ein- und Ausfahrten. Dem Bulgaren in seinem PS starken SUV ist dies eh egal und wenn man sich mit Mietwagen daran hält, dann wird man entsprechend oft überholt.

Von den Schlaglöchern, die so häufig seien auf Bulgariens Straßen habe ich auch auf dieser Strecke nicht übermäßig viele erlebt. Meist lässt sich am Fahrverhalten der vorausfahrenden Pkws erkennen, wo man ausweichen sollte. Es waren wirklich nicht viele, die sind eher auf den sehr kleinen Straßen, auch in den Städten, zu finden. Ein richtig großes Loch begegnete uns auf einer Autobahnauffahrt, da war ich froh, es noch im letzten Moment gesehen zu haben, um drumrum zu kommen.

In Sinemorets angekommen, haben wir uns erst mal mit Brot (sehr weich), Frischkäse und Wurst (geschmacklos) eingedeckt und einen Platz gesucht, wo wir in Ruhe Picknicken konnten. Den fanden wir dann auch, mit Blick aufs Meer und ein paar Pferden, die hier frei rumlaufen. Anschließend gings weiter an den Strand, der uns empfohlen wurde und tatsächlich entpuppte sich dieser als leer und idyllisch. Es gab richtige Wellen und keine so mickrigen Andeutungen von Wasserbewegung wie es die Nordsee zeigt (wenn sie denn mal da ist).

Diesmal war es nicht High Noon als wir unterwegs waren, dennoch war es heiß und windig. Was gefährlich ist, da dann die Sonne nicht so arg zu spüren ist und erst am nächsten Morgen sich zeigt wie unvernünftig man war. Nun, wir werden es sehen und spüren. Sinemorets ist wirklich empfehlenswert, nicht nur wegen des idyllischen Strandes, sondern auch wegen der unaufdringlichen Bevölkerung, dem fehlenden Tourismus. Es gibt hier zwar auch Hotels, doch fallen diese nicht besonders auf und die Landschaft ist nicht so zugebaut wie weiter oben im Norden der Küste.

Auf dem Rückweg haben wir noch einzelne Orte an der Küste angefahren und uns dort umgesehen. Alles sehr nett und unverdorben. In einem Ort, ich glaube es war Varvara, da stiegen wir aus, nur um von einer Aussichtsplattform das Meer zu sehen. Neben dieser Plattform gab es ein altes Schild, das verwies auf ein Fisch-Restaurant. Als wir davor längere Zeit standen und versuchten das Schild zu entziffern, kam ein alter Mann heraus.

In seinem Blaumann sah er aus wie ein Handwerker, der gerade bei der Arbeit war. Er sprach uns an, sagte, dass ihm nur Helfer fehlten, Studenten, die den Service für ihn machten, doch es gäbe keine zu finden. Wir müssten mit ihm kommen, in sein Restaurant, wo er uns die Aussicht zeigen wolle. Die hatten wir zwar zuvor schon wahrgenommen, doch nun, warum nicht. Wir also hinter ihm her ins sein Restaurant, das sich als Werkstatt, Lager und Wohnraum entpuppte. Überall lagen Werkzeuge herum, Verpackungsmaterialien, Baumaterial und Möbel. Auf der Verranda angekommen, erzählt er uns, dass er in „Pension“ sei, dass er mit 67 in Pension gekommen sei und schon mal in Berlin war, damals zur Zeit des Kommunismus.

Und wir haben ihn verstanden, ohne ein Wort Bulgarisch zu verstehen. Er sprach in wenigen Brocken Englisch, dann wieder in Bulgarisch, dann zeichnete er mit den Fingern Zahlen auf den Tisch und sprach die bulgarischen Worte dazu. Wir natürlich ebenso, mit Zahlen auf den Tisch mein Alter, mit Zeichnung in der Luft die Lage Bremens in Relation zu Berlin und Hamburg. Geht. Geht alles ohne Übersetzungsgerät! Wir verabschiedeten uns voneinander und machten uns auf den Weg zurück nach Sozopol. Dort gabe es eine längere Suche nach einem empfohlenen Fisch-Restaurant, doch haben wir es nicht gefunden. Und man sollte nicht hungrig nach einem Restaurant suchen, denn dann wird man ungeduldig, ungehalten und unruhig, eben einfach nur „un“.

Letztlich landeten wir bei einem Griechen. Und da wir wussten, dass man in Bulgarien oftmals alle Speisen auf einmal erhält, egal in welcher Reihenfolge bestellt wurde, bestellten wir erst nur einen Salat. Es aber auch passieren, dass in Bulgarien die Gerichte so zum Tisch gebracht werden, wie sie aus der Küche kommen. Ist der Salat fertig, dann wird dieser raus gebracht. Ob das dazu bestellte Brot (ohne Bestellung gibt’s kein Brot) dabei ist, spielt keine Rolle. Das Brot gibt es dann eben später. Meist dann, wenn der Salat schon aufgegessen wurde. Manchmal ist aber das Hauptgericht schon auf dem Tisch, für die eine Person, und irgendwann später kommt der Salat.

Vielleicht liegt vorher schon das Brot vor einem. Es ist nicht immer der selbe Ablauf, also kann auch alles umgekehrt sein, wie so oft in Bulgarien. Alles umgekehrt. Nun, wir bekamen unseren Salat, der schmeckte sehr gut, dann kam das Brot. Und dann unser Clou: wir verlangten erneut die Menükarte und bestellten ein Hauptgericht für jeden. Also Kerstin Fisch, Red Mullet, was auf deutsch Rotbarbe heißt und ich Chicken, weil ich mich auf keine Experimente einlassen wollte. Die Rotbarbe gibt es nicht nur im Mittelmeer und Atlantik, sondern auch im Schwarzen Meer, das eigentlich Türkises Meer heißen müsste, wenn es nach mir ginge.

Morgen fahren wir weiter nach Plovdiv, dort erwarte uns wieder eine Führung durch die Stadt. Und dieses Mal haben wir uns vorgenommen, der Stadtführerin zu sagen, sie möge uns verschonen mit Zahlen, Namen, Kriegen und Heroen. Uns interessiert mehr, was sie persönlich mit den Plätzen und Orten in ihrer Stadt verbindet. Mal sehen, ob sie was darüber erzählen wird.

Foto&Text JoachimBremen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert