Bericht aus Bulgarien (177): “Fuck physical Distancing!” – “Vergiss körperliche Distanz!”
In der Heimat hat man das sich in den Arm nehmen verlernt, wie ich bei meinem Aufenthalt am eigenen Leibe erfahren durfte. Bulgarien, das kleine Land am Rand, das uns in der Zeit voraus ist, ist auch was das Drücken lernen angeht eine gute Schule für den obrigkeitshörigen Deutschen. Denn die Schluchten des Balkans wären nicht die Schluchten des Balkans, würde man dem Westen bei seinem sozialen Distanzierungswahn folgen. Dem Bulgaren ist aber nicht nur nur die soziale Distanz fremd, sondern vor allem die körperliche. So wie man hier immer und überall lauter spricht, so kommt man sich auch immer und überall näher, und zwar physisch. Allen distanzphanatischen Deutschen kann deswegen vom Besuch des Balkans nur abgeraten werden, ebenso allen Maskenfetichisten. Folgende Aufnahmen entstanden auf dem am vergangenen Wochenende in Sofia stattgefundenen “A to Z Jazz-Festival”, bei dem an drei Abenden jeweils mehr als 10.000 Menschen auf engsten Raum zusammen kamen. Menschen mit Masken wurden dabei nicht gesichtet. Dafür Menschen, von denen der Deutsche die einfachsten menschlichen Dinge lernen kann, wie z.B. das sich in den Arm nehmen:
Es beginnt mit dem gegenseitigen Ausbreiten der Arme verbunden mit ein Aufeinanderzugehen beider Parteien. Menschen können dabei an einem vorbei gehen, das ist absolut möglich und in Bulgarien auch die Regel.
Die geöffneten Arme umschließen beiderseits den Körper des jeweils anderen vollständig. Auf beiden Gesichtern ist die Vorfreude auf den bevorstehenden Körperkontakt deutlich zu erkennen.
Dem Umschließen des jeweils anderen Menschen mit den eigenen Armen folgt ein heftiges aber vor allem herzliches Aufeinanderdrücken der Körper.
Dem Aufeinanderdrücken der beiden Körper sind keine zeitlichen Grenzen gesetzt, insbesondere nicht in Bulgarien, wo die Uhren anders ticken.
Demzufolge kann das Aneinanderpressen der Körper hier auch schon mal etwas länger dauern.
Fotos&Text TaxiBerlin