Bericht aus Bulgarien (286) – “Letzter Spaziergang”

mit Herkules

Gestern habe ich meinen vorerst letzten Spaziergang mit Herkules aus dem Tal der Esel im Süden Bulgariens nahe der Grenze zu Griechenland gemacht. Jetzt, wo ich darüber schreibe, und bevor ich gleich das Tal verlassen werde, fällt mir ein, dass Spaziergänge in der Heimat neulich noch verboten waren. Sind sie es vielleicht immer noch? Oder gar schon wieder? Ich weiß es nicht. Deutschland ist nach eineinhalb Jahren in den Schluchten des Balkans weit weg für mich. In Bulgarien sind Spaziergänge nicht verboten und waren es auch nie. Ich habe aufgegeben, Bulgaren vom deutschen Spazierverbot zu erzählen – sie glauben es mir nicht. (Ich hoffe, ich erzähle jetzt nichts verkehrtes, aber zum Glück habe ich einen Faktenchecker in der Heimat, der alles von mir liest, und der sich sogleich bei mir meldet, wenn ich etwas unwahres behaupte.) Zurück zu Herkules, einem für einen Spaziergang bestens geeigneten Langohr aus dem Tal der Esel. Das war nicht immer so. Als er vor einigen Jahren ins Tal kam, war er ein richtiger Raufbold. Dass er sich damals mit allen angelegt hat, lag daran, dass er von seinem früheren Besitzer schlecht behandelt wurde. Das hat sich nicht nur gegeben, sondern ins Gegenteil verkehrt. Eine ähnliche Entwicklung habe ich in den letzten eineinhalb Jahren auch bei mir festgestellt. Hatte ich am Anfang immer das Gefühl, das ich aus Deutschland mitgebracht hatte, ein jeder wolle mir nichts Gutes, so hat sich das seit ich hier bin komplett gewandelt. Und nicht nur das. Der Gelassenheitsspruch, den ich von den Berliner Meetings der Anonymen Alkoholiker mitgebracht habe, er wird mir hier in Bulgarien vorgelebt, nicht nur von den allermeisten Menschen, sondern auch von den Esel. Mit ihrer Duldsamkeit geben sie mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Foto MiraSofia
Text TaxiBerlin

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