Bericht aus Bulgarien (308) – “Überwintern”

Mein Wallnussbaum

Dass nach “No German will freeze in Greece” so schnell das “Überwintern in den Schluchten des Balkans” beginnen würde, das hätte auch ich nicht gedacht. Mein englischer Freund Jerry, der am liebsten Deutscher wäre, sagte neulich noch, dass die Wettervorhersage gut aussehen würde für unsere Region, womit er Sonnenschein, aber keinen Schneefall meinte. Mich interessiert kein Wetterbericht und auch keine Wettervorhersage. Um zu wissen, wie das Wetter ist, muss ich nur vor die Tür gehen. Das war auch das erste, was ich heute gemacht habe, um mir den Schnee anzusehen und auch um Fotos zu machen. Eigentlich wollte ich vor dem ersten Schneefall noch weiter Holz machen. Mit dem, was ich vor der Hütte habe, komme ich nicht über den Winter. Jetzt muss ich also zittern, aber nicht wegen der Kälte, sondern dass noch einige “wärmere” Tage kommen, damit ich Holz machen kann. Zittern muss ich auch, ob ich am Donnerstag über den Pass komme, denn da will ich nach Sofia, wo ich ein Business-Treffen besuchen werde. Vor einiger Zeit bin ich einer Business-Plattform im Internet beigetreten, die regelmäßig Treffen in der bulgarischen Hauptstadt organisiert und morgen ist das erste Treffen, das ich besuche. Ich habe mich auch schon angemeldet. Als nicht zahlendes Mitglied der Plattform werden 15 Lewa (7,50 €) Eintritt fällig, wofür ich ein Freigetränk bekomme. Das ist es mir Wert. Für zahlende Mitglieder ist der Eintritt frei. Vor einigen Wochen habe ich einen deutschen Rentner zu einem Kaffee in Sofia getroffen, der auch nicht zahlendes Mitglied der Plattform ist. Er hat mich beruhigt, was ein solches Business-Meeting angeht, als er sagte, dass es zwar ganz normal anfängt, dann aber immer bulgarischer wird, womit er meinte, dass das Business eine immer kleinere Rolle spielt, man dafür mehr über persönliches spricht, beispielsweise über die Familie, nicht über das Wetter. Unter den Menschen auf der Plattform sind nicht wenige Ausländer, sogar Landsleute habe ich schon ausgemacht. Diese haben auf eine Kontaktaufnahme meinerseits aber nie reagiert. Vermutlich sind sie noch nicht in Bulgarien angekommen, wo die Menschen im Normalfall sehr schnell in einen Austausch kommen. Gestern hatte ich einen solchen mit einer bulgarischen Anwältin, die ebenfalls auf der Plattform ist, und die sich neben Gesetzen auch für Literatur, Malerei und Philosophie interessiert. Nietzsches Zarathustra erwähnte sie neben vielem anderen namentlich. Meine Region, der Nordwesten Bulgariens, war aber auch ihr praktisch unbekannt. Das könnte auch ein Thema sein, worüber ich am Donnerstag auf dem Business-Meeting spreche. Höre gerade im Radio, dass Brüssel darüber nachdenkt, Bulgarien in den Schengen-Raum aufzunehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine so gute Idee ist. Ich meine, wenn Rechtsanwälte sich lieber über Nietzsche als über Gesetze austauschen!?! Neulich habe ich auch im Radio gehört, dass sich in Bulgarien “Mütter gegen Krieg” organisiert haben, die gegen Waffen für die Ukraine sind, und das landesweit. Gerade fällt mir ein, dass es in Deutschland “Omas gegen Rechts” gibt, was aber mit “Mütter gegen den Krieg” nichts zu tun hat, so denke ich zumindest. Von “Mütter gegen Krieg” hatte ich wie gesagt schon im bulgarischen Nationalradio “Christo Botew” gehört. Gestern hat mich auch ein Leser meines Blogs in der Heimat auf sie aufmerksam gemacht. Ja, es gibt jetzt den ein und auch den anderen mehr, der sich in Deutschland für Bulgarien interessiert, wo man sonst Bulgarien und Rumänien nicht auseinanderhalten kann. Rumänien will übrigens auch in den Schengen-Raum, aber das nur nebenbei. Vielleicht gelingt mir beim Business-Meeting am Donnerstag in Sofia das selbe mit dem Nordwesten Bulgariens. Also dass es danach auch den ein oder anderen mehr in der bulgarischen Hauptstadt gibt, der sich für die ärmste Region interessiert. Das wäre ein schöner Erfolg für mich. Bei der Anwältin aus Sofia, mit der ich gestern den ganzen Tag “gechattet” habe, hat es schonmal geklappt. Jetzt muss ich nur noch über den Pass, also über das Balkangebirge kommen. Deswegen zittere ich gerade.

Mein Blick aufs Gebirge – normalerweise

Fotos&Text TaxiBerlin

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