Desinteresse an Deutschland
Als das Spiel Frankreich gegen Spanien um Neun Uhr bulgarischer Zeit begann, war das “Barchen” schon geschlossen. Auch im Außenbereich saß niemand mehr. Lediglich am Kriegerdenkmal spielten wie gewohnt Kinder und Teenager. Es ist also keine Übertreibung, wenn ich sage, dass das Interesse an der Europameisterschaft in Deutschland “below zero” ist. Genauso wie das Interesse an der Heimat im Allgemeinen gegen Null geht. Das war früher anders. Da wurden einem die Mädels reihenweise angeboten beziehungsweise boten sich selber an. Sowohl für ein kurzes Vergnügen, als auch zum Heiraten. Das Interesse an Deutschland war groß und echt. Man war im wörtlichen Sinne hungrig, mehr über dieses tolle Land zu erfahren, wo die Dinge funktionieren und das Leben optimal ist. Das Interesse hielt lange an, sehr lange sogar. Selbst als Deutschlands Zenit schon lange überschritten war, schaute man in Bulgarien ehrfürchtig, wenn es um Deutschland ging. Von Angela Merkel beispielsweise sprach man lange mit großen Augen und offenem Mund. Das Bild von Deutschland hing der realen Situation um 15 bis 20 Jahren hinterher, was normal ist. Überraschend ist dagegen, wie schnell sich die öffentliche Meinung über Deutschland in Bulgarien geändert hat. Es begann vor jetzt neun Jahren mit der so genannten Flüchtlingskrise, die man auch als Teil einer globalen Kriegsführung der Amerikaner sehen kann, um andere Länder und Kontinente zu destabilisieren. Da wurde aus der Bewunderung für die Kanzlerin rasch Unverständnis. Aus diesem Unverständnis ist heute Mitleid geworden. Ob die Kinder und Teenager, die gestern Abend bis tief in die Nacht am Kriegerdenkmal spielten, noch nach Deutschland gehen, um dort ihr Glück zu suchen, daran darf gezweifelt werden. Dass sich außer mir, der sich aus Fussball eigentlich nichts macht, niemand für die Fussball-Europameisterschaft in Deutschland interessiert, einfach nur als Desinteresse am Fussball zu interpretieren, greift zu kurz. Es ist, so denke ich, auch ein Desinteresse am Westen im Allgemeinen und an Deutschland im Besonderen.