Leaving Berlin (049)

Neulich hatte ich kein Wasser. Das kommt häufiger vor, denn die Rohre, die das Wasser runter ins Dorf befördern, sind alt und gehen oft kaputt. Aussehen tun die Rohre, als wären sie aus der Türkenzeit. In Wahrheit sind sie aber aus sozialistischen Zeiten. Geht ein Rohr kaputt, so ist das kein Notfall in Bulgarien. Die Leute von “Wasser und Kanalisation” kommen frühestens am nächsten Tag, manchmal auch erst Tage später. Sie sagen auch nicht vorher bescheid, dass sie kommen, wie es in Deutschland üblich ist. Vielleicht sollte ich besser sagen: war. Wenn sie kommen, machen sie “ganze Arbeit”. Dann wird auch schon mal die Straße verlegt, wobei Weg es besser trifft. Manchmal wird die Baustelle nach getaner Arbeit auch abgesperrt, wenngleich sehr bulgarisch, aber immerhin mit rot/weißem Absperrband. Anfangs sah es so aus, als hätte jemand Bäume auf dem Weg gepflanzt. Aber nach ein paar Tagen, als die Blätter vertrocknet waren, wurde auch dem Ortsfremden klar, dass die vermeintlichen Bäume nur zum befestigen des Absperrbandes dienten. In Berlin ist man, im Gegensatz zu Bulgarien, Weltmeister im Absperren. Dort wird Jahre vorher abgesperrt, bevor sich der erste Arbeiter auf der Baustelle zeigt. Auch dies ist in Bulgarien anders. Dort kommen zuerst die Arbeiter. Abgesperrt wird nach Lust und Laune – meistens nicht. Man ist gut beraten, stets mit offenen Augen unterwegs zu sein. Oder wie ich immer sage: Bulgarien ist perfekt, um Aufmerksamkeit zu lernen. Haben die Arbeiter ihre Arbeit beendet, heißt das noch lange nicht, dass man auch wieder Wasser hat. In meinem Fall war es so, dass es nur für kurze Zeit da war. Danach war es wieder weg wie zuvor, was daran lag, dass die Arbeiter vergessen hatten, den Hahn für unseren Abschnitt des Weges zu öffnen. Zum Glück wissen wir mittlerweile, wo sich der Hahn für unseren Abschnitt befindet, so dass wir ihn selber öffnen konnten, denn die Arbeiter von “Wasser und Kanalisation” saßen bereits im Dorf beim wohl verdienten Feierabendbier. Und das kann ich auch nur jedem in der Heimat empfehlen. Merkt Euch, wo die Hähne für Euren Abschnitt sind und lernt die wichtigsten Handgriffe. Dann wird alles gut. Garantiert.

One thought on “Leaving Berlin (049)

  1. Ja, das ist wohl wahr: “Merkt Euch, wo die Hähne für Euren Abschnitt sind und lernt die wichtigsten Handgriffe.”
    Mich erinnert dies an eine Gedichtzeile: “Lies keine Oden, mein Sohn, lies die Fahrpläne:

    sie sind genauer. Roll die Seekarten auf,

    eh es zu spät ist. Sei wachsam, sing nicht.”

    Diese einfachen Ratschläge erteilte Hans-Magnus Enzensberger 1957 neben anderen in seinem Gedicht “Ins Lesebuch für die Oberstufe”.

    Es könnte wichtig werden, sie zu beherzigen in einem Umfeld von Kriegstreibern, woken Totalitaristen und Diskursverengern.

    (s.a.: https://www.babelmatrix.org/works/de/Enzensberger,_Hans_Magnus-192)

    1. Danke, Achim, für deinen Kommentar. Enzensberger Ratschläge erinnern mich an diesen Rat von Bob Dylan: “Don’t follow leaders, Watch the parkin’ meters!” – Der ist aus dem Song “Subterranean Homesick Blues” von der 1965 erschienenen Platte “Bringing It All Back Home”. – Die Zeile habe ich in letzter Zeit immer öfter im Kopf, vor allem als ich neulich ein halbes Jahr in Deutschland war, zusammen mit dieser hier: “I’m on the pavement, Thinking about the government.” aus dem selben Song: https://youtu.be/MGxjIBEZvx0?si=WOiZYp3IE6yHO7yL

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