Leben in Zeiten von Corona – Heute: Brief an meinen Chef

Respekt und Anerkennung
Da ich nun schon seit fast zwei Monaten nicht nur Trockener Taxifahrer bin, das bin ich schon seit knapp einem Jahr, sondern auch auf dem Trockenen sitze, habe ich vorgestern meinem Chef einen Brief geschrieben. Neben dem Inhalt, der zweifellos das wichtigste an meinem Brief ist, habe ich mir auch was die Form angeht, große Mühe gegeben. Insbesondere war es mir wichtig, meinen früheren Chef, der Ende des Jahres nicht nur seine Firma aufgelöst, sondern auch alle seine Taxis verkauft hat, die demnächst für Uber, den Feind aller rechtschaffenen Taxifahrer auf unseren Straßen unterwegs sein werden, in meinem Brief zu Siezen. (Ich kann das Siezen auch für jede Partnerschaft nur wärmstens empfehlen, zumindest temporär.) Das habe ich zuvor nicht getan, und es ist im Taxigewerbe auch nicht üblich. Dass ich es trotzdem tue, damit drücke ich meinem Chef auch meinen Respekt und meine Anerkennung dafür aus, dass er mir in der Vergangenheit oft sehr entgegengekommen ist, insbesondere bei meinen längeren Auszeiten auf dem Balkan. Auch das ist im Taxigewerbe, zumindest solange ich noch Taxi gefahren bin, durchaus üblich gewesen, vorausgesetzt man machte gute Umsätze. Das mit den Umsätzen ist schon lange vorbei, das gesamte Gewerbe kämpft praktisch ums Überleben. Vielleicht kommt dir das bekannt vor, oder es wird für dich demnächst relevant. Dann kommt man schnell an den Punkt, dass man nur noch an sich denkt. Das ist menschlich, aber deswegen nicht in Ordnung. Was meinen Chef angeht, so gönne ich ihm seine kürzlich erworbene Immobilie an der Ahr, und manchmal denke ich sogar an ihn. Umgekehrt wäre es aber auch schön, wenn er gelegentlich an mich als einen seiner nicht nur zuverlässigsten, sondern auch umsatzstärksten früheren Fahrer denken würde.
Sehr geehrter Herr ……,

da ich Sie gestern, Dienstag den 02.02.21, nicht telefonisch erreicht habe, teile ich Ihnen auf diesem Wege mit, dass eine aktuelle Anfrage bei … ergab, worüber ich Sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Kenntnis gesetzt hatte, dass die von Ihnen übermittelten Daten dort nicht angekommen sind. Ich bitte Sie hiermit erneut, dem … möglichst zeitnah sämtliche Daten zur Verfügung zu stellen, damit auch ich meine laufenden Rechnungen bezahlen kann.

Aus selbigem Grund bitte ich Sie hiermit, mir den Resturlaub von 5 Tagen des Jahres 2020 auszuzahlen. Ich hatte Sie zuvor schon mehrfach mündlich darum gebeten, die 5 Tage Resturlaub sind auch auf der Verdienstabrechnung vom Monat Dezember verzeichnet, aber noch nicht bezahlt. Sicherlich nur ein Versehen Ihrerseits, das allerdings für mich unangenehme Konsequenzen hat.

Vielen Dank im Voraus und mit freundlichen Grüßen
Foto&Text TaxiBerlin

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