Leben in Zeiten von Corona – Heute: Ein Mensch mit richtigen Problemen

“Zu Verschenken”

Als Trockener Taxifahrer, dem die Fahrgäste abhanden gekommen sind, und der darüber hinaus auch noch auf dem Trockenen sitzt, weil er keine Einnahmen sondern nur noch Ausgaben hat, bin ich immer hungrig, wie du dir sicherlich denken kannst, und das nicht nur im wortwörtlichen sondern auch im übertragenen Sinne. Auch deswegen treibt es mich jeden Tag aufs Neue raus an meine alten Tatorte, den Straßen und Plätzen Berlins, wo ich Ausschau halte nach Sachen, die sich weiter verkaufen lassen. Dass Menschen, die zu viel haben, diese zu vielen Dinge einfach vor die Tür stellen, das funktioniert auch in der Panik-Plan-Demi noch. Allerdings muss man dazu sagen, dass mein Kiez, also der Friedrichshain, nicht mehr so ergiebig ist, weswegen es mich neulich mit meinem Fahrrad in den Prenzlauer Berg verschlug. Dort sind die Kartons mit der Aufschrift “Zu Verschenken” größer als im Friedrichshain, so dass meine beiden großen Stoff-Einkaufsbeutel, die ich so wie früher immer mit mir führe, rasch an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Es gibt auch da eine Obergrenze, das ist leider auch wahr. Während ich noch am Aussortieren der Bücher aus obigem Karton im Prenzlauer Berg war, der eher die Dimension eines Containers hatte, öffnete sich die große Eingangstür und heraus kam ein Mann etwa in meinem Alter, der wie ein Intellektueller aussah, weswegen ich ihn sogleich ansprach, ob das seine Bücher da in dem Karton wären und ob er Schriftsteller sei. Beide Fragen wurden von dem Herrn mit JA beantwortet, mein Taxifahrer-Instinkt funktioniert also immer noch, was mich freute, und den Herrn Schriftsteller dazu verleitete, mir mitzuteilen, dass er nur für das Finanzamt Schriftsteller sei, eigentlich sei er Privatier, der gelegentlich Leute und Firmen berät. Dass mit dem Schriftsteller habe den Vorteil, dass er da sogar Belletristik beim Finanzamt absetzen könne. Darüber freute sich der Herr Schriftsteller, und ich hatte wieder etwas dazu gelernt. Donnerwetter dache ich sogleich, der Mann hat richtige Probleme, so wie viele Fahrgäste/Patienten sie in meinem Taxi auch hatten. Wie gut ich es da doch habe, dass ich nicht solche schlimmen Probleme habe. Gefreut habe ich mich auch darüber, dass mir wildfremde Menschen, in dem Fall der Herr Schriftsteller, sogleich ihre größten Problem mitteilen, für die er auch schon eine Lösung gefunden hat. Das ist auch wichtig heutzutage, wo es immer so aussieht, als würde es immer nur Probleme geben und mit jedem Tag mehr. Das allerwichtigste ist aber, dass man auch in der Panik-Plan-Demi im Kontakt miteinander bleibt, dass man bei allen Kontaktverboten auch mal Fünfe Gerade sein lässt. Und so habe ich nicht nur nahezu sämtliche Bücher des Herrn Schriftsteller in meine beiden Stoffbeutel eingesackt, sondern ihm auch noch meine Visitenkarte mit dem Hinweis auf diese meine Seite in die Hand gedrückt. Keine Ahnung, ob er sie sich angesehen hat, gemeldet hat er sich bisher zumindest nicht. Die Bücher des Herrn Schriftsteller, ein Mann nicht nur mit richtigen Problemen, sondern auch mit Lösungen, habe ich in meinen Bauchladen gestellt. Dort kannst auch du sie ganz ohne Mehrwertsteuer kaufen. Du bezahlst sie also gar nicht erst, kannst sie dann aber auch nicht mehr absetzen. So habe ich es zumindest verstanden. Aber bitte korrigiere mich, wenn ich etwas verkehrtes schreibe. Denn ich habe noch nie irgendetwas von der Steuer abgesetzt. Wie denn auch, wenn ich nie so viel verdient habe, dass ich Steuern bezahlen musste. Deswegen bin ich so froh, dass ich nicht diese riesigen Probleme habe, die der Herr Schriftsteller hat, sondern nur seine Bücher, unter ihnen auch Belletristik, das ist klar, die wie gesagt bald deine sein könnten, völlig ohne Probleme. Also sprach TaxiBerlin, kannste glauben.

Foto&Text TaxiBerlin

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