Chaos und Anarchie

Bisher stand eher das Positive an Bulgarien im Mittelpunkt meiner Betrachtungen. Es ist an der Zeit, sich den negativen Seiten zu widmen. Dazu muss man wissen, dass meine Ecke, der Nordwesten, die ärmste Region nicht nur Bulgariens, sondern ganz Europas ist. Im Rest des Landes sieht es meist etwas anders aus. Meinen Alltag muss man sich vorstellen, dass ich permanent von alten Menschen und von Verfall umgeben bin. Vieles erinnert an ein Land nach einem verlorenen Krieg. Das führt dazu, dass so einiges nicht funktioniert, wie es funktionieren soll. Ein Phänomen, dass sich auch in der Heimat immer mehr ausbreitet. Ich denke da zum Beispiel an die Berliner Stadtautobahn, wo offensichtlich auch ein Krieg verloren ging, und zwar der gegen den Verschleiß, und wo deswegen laut Berliner Zeitung jetzt “Chaos und ein bisschen Anarchie” herrschen.

In Bulgarien sind Chaos und Anarchie Alltag. Hier ein Beispiel. Bei meiner Rückfahrt gestern von Sofia, wo ich im Kino war, sah es am und im Zug zunächst so aus wie oben. Schmutz überall, nichts war irgendwie heil, ein Wunder, dass der Zug überhaupt noch fuhr. Keine fünf Kilometer weiter musste umgestiegen werden. Der Grund sind Bauarbeiten zwischen dem Hauptbahnhof und Sofia Nord. Von dort ging es vergleichsweise zivilisiert weiter. Nicht nur der Energiedrink und die kleine Wodka-Flasche wurde herausgeholt, sondern auch der Blumentopf. Nicht nur der Deutsche, sondern auch der Bulgare macht es sich gerne gemütlich, selbst und gerade mitten im Chaos. Definitiv etwas, was man vom Bulgaren lernen kann, wenn man nicht zuvor in eine Depression gefallen ist. Da muss man höllisch aufpassen, diese Gefahr lauert immer und überall.

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