“Was ich gesagt habe, habe ich nicht gesagt”

Was wie ein Ufo-Stachel-Tier aussieht, ist eine Überwachungskamera. Genau sind es vier, wie ich freundlicherweise aufgeklärt wurde. Der junge Bäckersmann sprach mich beim Fotografieren an und klärte mich auf. Angebracht vor der Fussball-EM werden sie wohl bleiben. Interessiert ja auch keinen. Nachdem das mit der Überwachung geklärt war, kam er auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Er sei kein Nationalist und auch kein Patriot, würde aber in den Krieg ziehen. Nicht nur, wenn es um Deutschland geht, sondern auch in die Ukraine. Etwas anderes könne man nicht machen. Die Politik will es so. Warum ich das alles wissen will. Dass ich Journalist bin, kann er sich nicht vorstellen, will er nicht glauben. Noch nie habe ihm ein Journalist so zugehört, wie ich es getan habe. Nachdem ich ihm meinen Presse-Ausweis gezeigt habe, wird er unsicher. Nun will er das, was er gesagt hat, nicht gesagt haben, vor allem nicht irgendwo gedruckt sehen. Er müsse auch an sich denken. Ich verspreche ihm, seinen Namen nicht zu nennen. Und das mache ich.

One thought on ““Was ich gesagt habe, habe ich nicht gesagt”

  1. Das muss hier kommentiert werden durch den großen Meister:

    “Der Staat oder die organisierte Unmoralität – inwendig: als Polizei, Strafrecht, Stände, Handel, Familie; auswendig: als Wille zur Macht, zum Kriege, zur Eroberung, zur Rache.
    Wie wird es erreicht, daß eine große Menge Dinge tut, zu denen der Einzelne sich nie verstehen würde? – Durch Zerteilung der Verantwortlichkeit, des Befehlens und der Ausführung. Durch Zwischenlegung der Tugenden des Gehorsams, der Pflicht, der Vaterlands- und Fürstenliebe. Durch Aufrechterhaltung des Stolzes, der Strenge, der Stärke, des Hasses, der Rache […]”.

    Nietzsche, F. (1980): a.a.O., S.635

    [gefunden in: J. Erpenbeck “Werte. Die Fundamentalprobleme”]

    1. Danke, Achim, für deinen Kommentar. Ich habe heute nochmal über das Gespräch nachgedacht. Das erstaunlichste ist und bleibt der Moment, als der Bäckersmann realisierte, dass er wirklich mit einem Vertreter der Presse spricht. Plötzlich war er eine ganz andere Person. Eine Person, die sich ernsthaft Sorgen macht über das, was sie zuvor gesagt hat, und was es für Konsequenzen haben könnte. Als wäre ihr klar geworden, dass ihr Gegenüber, also ich, ein Spitzel oder Denunziant ist.

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