Der Bulgare kann jetzt nicht nur zwischen Mehl und “Hundefutter”, sondern zwischen Mehl, “Hundefutter” und Grüne Bohnen wählen. Wobei man ein Geschenk auch ablehnen kann. Denn die Konserven, mit denen man den Bulgaren zur Wahl locken will, sind offiziell ein Geschenk der Europäischen Union. In Bulgarien wird in zwei Wochen wieder gewählt, das dritte Mal in diesem Jahr. Diesmal ist es eine Doppelwahl. Sowohl der Präsident, als auch das Parlament sollen neu gewählt werden. Bei der letzten Wahl in Bulgarien im Juli betrug die Wahlbeteiligung 42.2 %. In der Region Kardschali im Süden Landes sogar nur 28,54 %. Was waren das für Zeiten, wo 99,9 % gewählt haben! Das war natürlich auch nicht schön. Aber deutlich weniger als die Hälfte!? Ist die Wahl dann überhaupt gültig? Eine interessante Frage, oder? Ich werde wahrscheinlich auch hier in Bulgarien nicht wählen, genauso wenig wie ich neulich in Berlin gewählt habe. Auch nicht für Grüne Bohnen, Mehl oder “Hundefutter”.
Foto&Text TaxiBerlin
Irgendwann im Laufe der letzten Woche wurde von einen Tag auf den anderen bekanntgegeben, dass Bulgarien den „Grünen Pass“ („Selen Zertifikat“) einführt. Ich habe es, da ich keinen Fernseher habe, den Nachrichten im Bulgarischen National-Radio (BNR) „Christo Botew“ entnommen. Um es gleich am Anfang zu sagen: Ich habe keine Angst vor dem Virus. In meiner Altersgruppe liegt die Überlebensrate bei einer Infektion bei 99,73 % – also wovor sollte ich Angst haben? Demzufolge habe ich mich nicht impfen lassen und habe dies auch nicht vor. Ich habe also keinen solchen Pass. Da man nun in Bulgarien auch für den Supermarkt einen solchen Pass braucht, war klar, dass ich irgendwann noch mal einkaufen muss, und zwar möglichst bald. Da das Bulgarische National-Radio (BNR) „Christo Botew“ auch über Demonstrationen gegen den „Grünen Pass“ in allen großen Städten des Landes berichtete, entschied ich kurzerhand in die Hauptstadt Sofia zu fahren, um mir die dortige Demo anzusehen. In diesen Tagen ist es ratsam, sich sein eigenes Bild zu machen. Das Einkaufen kann warten, sagte ich mir. Ich würde schon nicht verhungern, schon gar nicht auf dem Dorf.
Zugegeben, die Demo in Sofia war kleiner, als ich erwartet hatte. Dazu muss man wissen, dass die Bulgaren in Sachen Arbeit folgendes Motto haben, dass man auch auf die Panikdemie übertragen kann: „Sie tuen so, als würden sie uns bezahlen. Wir tuen so, als würden wir arbeiten.“ Also: „Sie tuen so, als gäbe es eine Pandemie. Wir tuen so, als gäbe es eine Pandemie.“ Viele Bulgaren gehen nicht auf Demos, sondern ziehen sich in ihre Familie zurück, wie es in Krisenzeiten normal ist, obwohl man selbst da eigentlich Abstand halten soll, auch weil in Bulgarien die Familie sehr groß sein kann. Neben dem Simulieren, egal ob Arbeit oder Pandemie, ist es oft hilfreich, sich einfach dumm zu stellen. Früher sagten wir: „Fünf Minuten dumm gestellt, reicht für den ganzen Tag.“ Und das gilt bis heute. Der Bulgare muss auch nicht ständig einkaufen, so wie ich, weil er in der Regel noch die Eltern oder Großeltern auf dem Dorf hat, die ihn mit Lebensmitteln und allem zum Leben notwendigen versorgen. Leben bedeutet hier für viele nicht konsumieren wie im Westen. So gesehen ist es eher ein Überleben und kein Leben.
Auf der Fahrt in die Hauptstadt höre ich im Bulgarischen National-Radio (BNR), dass 86 % der Bulgaren gegen den „Grünen Pass“ sind, und dass die Mehrheit derjenigen, die sich jetzt impfen lassen, sich eigentlich nicht impfen lassen möchten, einfach weil sie, genauso wie ich, keine Angst vor Corona haben. Wer es sich leisten kann, kauft sich einen „Grünen Pass“, der Preis dafür liegt im Moment bei 400 Lewa, Tendenz steigend. Die Mehrheit der Menschen, die sich impfen lassen, tun dies, weil sie es müssen, weil sie sonst ihre Arbeit verlieren, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, ihre Familie nicht mehr ernähren können. Das ganze, abgesehen von den Informationen über den Kauf eines „Grünen Passes“ und seinen Preis, hörte ich wie gesagt im Bulgarischen National-Radio (BNR) „Christo Botew“, wo auch Demonstrationsteilnehmer ganz normal zu Wort kommen. Also ohne Hinweis darauf, dass es sich dabei um schlimme „Schwurbler“, „Corona-Leugner“, „Verschwörungstheoretiker“ etc. handelt. Bezeichnungen, die es in der bulgarischen Umgangssprache bis heute nicht gibt. In den Statements der Demonstrationsteilnehmer fällt auch das Wort „Diskriminierung“, das unkommentiert über den Äther geht. Dass wir noch einmal vom Bulgaren, der im Westen vor allem für seine Käuflichkeit bekannt ist, etwas über freie Meinungsäußerung lernen würden, wer hätte das gedacht?
Auf der Rückfahrt aufs Dorf, es dunkelt schon, fahre ich in einem Vorort von Sofia an einen Super-Markt ran. Am Eingang weist ein Schild darauf hin, dass der Eintritt nur mit „Grünem Pass“ gestattet ist. Ich überlege kurz, was ich mache, auch weil die Strafen nicht unerheblich sind. Ich hatte etwas von mehreren tausend Lewa Strafe gehört, auch von Gefängnis war die Rede. So wie ich es vorhergesagt habe, wird man Menschen demnächst wegsperren. Andererseits ist es Sonntagabend, also eher unwahrscheinlich, dass noch jemand kontrollieren kommt, wenn am Eingang niemand mehr steht. Zur Not würde ich mich dumm stellen, deutsch sprechen, „nix verstehen!“ sagen, auf mein Recht auf Unwissenheit insbesondere als Ausländer pochen. Natürlich kam kein Kontrolleur. Woher auch, wenn 86 % der Bulgaren gegen den „Grünen Pass“ sind, wie es im Bulgarischen National-Radio (BNR) „Christo Botew“ zu hören war. Ich hatte mal wieder viel zu Deutsch gedacht. Andererseits darf man sich den Job als Kontrolleur auch als einträgliches Geschäft, wenn nicht gar als neues Geschäftsmodell vorstellen. Und für Geld machen manche bekanntlich alles – nicht nur Bulgaren und nicht nur in Bulgarien.
Auf Demonstrationen in Bulgarien ist vieles genauso wie auf Demonstrationen in Berlin und anderswo in der Welt. Polizisten tragen Uniformen und Demonstranten Schilder. Demonstranten stehen und hören Ansprachen, während Polizisten in ihren Autos sitzen und warten, dass irgendetwas passiert, was meistens nicht passiert. Ich würde nicht so weht gehen und sagen, dass der Teufel im Detail steckt, aber doch die Unterschiede. Auf diese, aber auch auf die Gemeinsamkeiten, will ich mit folgenden Fotos aufmerksam machen, auch weil Bilder bekanntlich mehr als tausend Worte sagen.
Die gestern erwähnten Anrufer, die mich wissen lassen, dass Zwei und Zwei auch weiterhin Vier ist, wollen immer auch wissen, was ich so treibe in den Schluchten des Balkans. Die meiste Zeit sitze ich ohne rechte Haltung, also wie ein Schluck Wasser, auf einem Stuhl und mache nichts. Nichts ist dabei reichlich untertrieben, denn ich warte. Es ist nicht auszuschließen, dass ich auf etwas warte, was nicht kommt. Und wenn schon, es wäre nicht das erste Mal, dass jemand auf etwas wartet, was nicht kommt. Wenn ich es richtig verstanden habe, wurden schon ganze Theaterstücke darüber geschrieben. Eins davon ist sogar richtig bekannt geworden. Das weiß ich, weil ich manchmal auch arbeite. Dann sitze ich aber nicht ohne rechte Haltung auf meinem Stuhl, sondern liege wie ein Schluck Wasser im Bett und lese. Manchmal arbeite ich auch wissenschaftlich. Wenn ich wissenschaftlich arbeite, liege ich nicht im Bett, sondern sitze so wie jetzt am Schreibtisch und schreibe darüber, was ich zuvor im Bett gelesen habe. Beispielsweise über Theaterstücke, in denen jemand auf etwas wartet, was nicht kommt. Ich sitze dann ebenfalls ohne rechte Haltung, also wie ein Schluck Wasser, auf einem Stuhl. Aber nicht so, wie am Anfang beschrieben nichts tuend, sondern wie gesagt schreibend. Das Schreiben macht das wissenschaftliche aus, aber nicht nur, denn ohne sitzend nichts tun und liegend im Bett lesen kein wissenschaftliches Arbeiten. Letztendlich versuche ich aber auch mit dem wissenschaftlichen Arbeiten nur die Zeit totzuschlagen. Nichts tuend, liegend lesen und sitzend schreiben sind nur verschiedene Möglichkeiten auf etwas zu warten, was wahrscheinlich nicht kommt. Das ist die Wahrheit. Vielleicht kommt es aber auch, worauf ich warte. Das ist nicht auszuschließen. Das weiß man erst zum Schluss. Das ist wie mit dem Lachen, wo der am besten lacht, der am Ende lacht. Wann das Ende ist, das weiß ich auch nicht. Genauso wenig, wie ich weiß, ob das, worauf ich warte, kommt oder nicht. Spontan würde ich sagen, Ende des Jahres ist das Ende. Vielleicht ist auch schon Weihnachten das Ende. Weihnachten kommt mir gerade wahrscheinlicher vor, weil es bis Weihnachten jetzt auf den Tag genau noch zwei Monate hin ist. Wenn das Ende bis Weihnachten nicht gekommen ist, bleibt fürs Warten noch Zeit bis Silvester. Das ist sozusagen die letzte Chance für das Ende, zumindest für dieses Jahr. Wenn es dahin nicht gekommen ist, geht das Warten auf das, was vielleicht nicht kommt, im neuen Jahr einfach weiter.
Foto&Text TaxiBerlin
Die 99,73 % ist keine Meinung und auch kein Fake sondern ein Fakt, und zwar die offizielle Überlebensrate bei einer Covid19-Infektion, auf die eine Studie der Stanford Universität in den USA im Juli dieses Jahres für meine Altersgruppe kommt. Also wovor sollte ich Angst haben? Die Überlebensrate trifft auch auf Raphael Bonelli zu, wir sind eine Altersgruppe. Wie seine Meinung zur Impfung ist, teilt uns der Schulmediziner Univ.-Doz. DDr. Raphael Bonelli in obigem Video mit.