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Gestern hatte mein Nachbar Geburtstag, und wir waren eingeladen, auch mein Besuch aus Deutschland: Joachim aus Bremen (sein Spitzname ist Achim), gerade unser Gast. Seit meinem ersten Artikel “Bulgarien – die große Freiheit” auf “Multipolar” ist er nicht nur ein Unterstützer meiner Arbeit, sondern sind wir auch Freunde. Mein Bürgermeister Emil (sein Spitzname ist Emu) war auch eingeladen und ein Paar aus Sofia, das auch englisch sprach. Natürlich wollte man wissen, was Joachim macht. Joachim ist Professor, der andere Professoren ausbildet. Zumindest habe ich das so erzählt. Das mit dem Professor macht man so in Bulgarien. Jeder, der lehrt, ist Professor hier, so wie jeder, der einem Handwerk nachgeht, ein Maistor ist. Der Unterschied zu Deutschland ist, dass Joachim nicht lehrt, sondern lernen lässt. Das ist sozusagen die höhere Schule des Lehrens, und das probierte er auch gleich bei meinem Bürgermeister aus. Er erzählte ihm, dass es irgendwo in Italien einen Ort gibt, in den wurzellose Städter kommen und für ein halbes Jahr zum Nulltarif Leben und Arbeiten können, mit dem Ziel, dass sie vielleicht dort bleiben und Wurzeln schlagen. Meinem Bürgermeister hat die Idee sogleich sehr gut gefallen. Auch er fände es gut, wenn mehr Menschen in unser Dorf kämen. Er tut auch schon viel, beispielsweise ein Fussballfeld anlegen oder einen Malnachmittag mit hiesigen Künstlern organisieren, damit insbesondere die Kinder sich nicht langweilen, wenn sie für ein paar Tage aus Sofia oder gar aus dem Ausland in das Dorf zurückkehren, in dem ihre Eltern einst geboren und groß geworden sind. Die kommen auch, weil sie noch Häuser im Dorf haben, um die sie sich kümmern müssen, wenn nicht auch sie verfallen sollen wie viele Häuser im Land. Bei unserem gemeinsamen Rundgang später durchs Dorf haben Joachim und ich beispielsweise ein leer stehendes Haus mit nagelneuen Fenstern gesehen, von dem jetzt das Dach in Auflösung begriffen ist. Bei vielen Häusern liegt Brennholz vor der Tür, dessen Preis sich im Vergleich zum letzten Jahr verdoppelt hat, und das klein gemacht werden muss, will man damit im bevorstehenden Winter sein Haus beheizen. Leer stehende Häuser ohne Holz vor der Tür gibt es auch genug in unserem Dorf. Die meisten von ihnen verfallen oder sind bereits in sich zusammengefallen. Und das ist genau das Problem meines Bürgermeisters, der sich wie erwähnt freuen würde, wenn mehr Leute in unser Dorf kämen, denen er auch freie Kost und Logie anbieten würde, zumindest für die ersten sechs Monate, wenn er es könnte. Im Moment hat er einfach nicht die Möglichkeit dafür. Aber vielleicht findet er sie, nachdem mein deutscher Freund und Professor Joachim gestern angefangen hat, auch ihn lernen zu lassen. Eine Idee hat mein Bürgermeister von mir gratis bekommen, die er heute schon umsetzen will. Und zwar ist mir als Comercial-Guy aufgefallen, dass unser Dorf mit Spa beginnt. Wenn man diese drei Buchstaben groß, also S P A, beispielsweise auf ein T-Shirt schreibt und darunter klein chevtsi, dann ist das nicht nur eine tolle Reklame für unser Dorf, sondern auch eine geniale Geschäftsidee. Mein Bürgermeister wollte sich wie gesagt gleich um die T-Shirts kümmern, und vielleicht kann er von den Einnahmen auch bald Leute für ein halbes Jahr zu uns aufs Dorf einladen. Das war zumindest sein Plan nach der ersten “Lernen lassen Lektion” meines Freundes und Professors aus Bremen auf der gestrigen Geburtstagsparty meiner Nachbarn. Dass mit dem SPA-Dorf ist auch nicht übertrieben, sondern im Gegenteil. Unser Dorf Spanchevtsi mit seiner eigenen Mineralquelle, an der täglich viele Menschen halt machen und ihre oft unzähligen mitgebrachten Flaschen mit Mineralwasser aus Spancevtsi auffüllen, ist landesweit bekannt, unter Insidern auch als Kurort vom offiziell anerkannten Kurort Varshets mit seiner über 170-jährigen Tradition nicht nur zu Füßen des Balkangebirges, sondern auch zu Füßen unseres Dorfes. Da ich meinen Bürgermeister jetzt viele Jahre kenne, halte ich es sogar für sehr wahrscheinlich, dass er sich noch heute um die die SPA-T-Shirts kümmert. Wer Interesse an dem Angebot hat, für sechs Monate in unser Dorf zu kommen, auch weil die Situation in der Heimat sich immer mehr zuspitzt, sollte nicht lange überlegen und mich möglichst umgehend kontaktieren, bevor alle Plätze gleich wieder vergeben sind.
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Wann ich in Bulgarien zuletzt eine Maske aufgesetzt habe, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Es muss irgendwann im letzten Jahr gewesen sein. Als ich im Juni in Berlin war, ließ es sich nicht völlig vermeiden, weil ich auch mit Ämtern und Behörden zu tun hatte. Die Öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland, wo die Maskenpflicht bis heute gilt, habe ich, obwohl auch ich mir ein Neun-Euro-Ticket gekauft hatte, bewusst zu meiden gesucht. Lieber bin ich mit dem Fahrrad durch die Stadt gefahren, was nach einem Jahr auf dem Dorf eine ganz neue Erfahrung für mich war. Von und zum Flughafen habe ich keine Maske aufgesetzt. Ich hatte auch gar keine dabei, weil es in Bulgarien schon seit einiger Zeit niemanden mehr interessiert und es kaum noch Menschen gibt, die eine Maske tragen. In Deutschland sollen die Zügel, was das Masken tragen angeht, bald wieder angezogen werden. Dagegen regt sich jetzt Widerstand, was nicht neu ist. Neu ist, dass es nun auch in der Zeitung steht, und zwar in der Berliner. Nicht nur bei den britischen, sondern auch bei den deutschen Medien findet offensichtlich ein Umdenken in Sachen Berichterstattung statt. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall. Und Zeit genug war auch, um zu einem demokratischen Diskurs unterschiedlicher wissenschaftlicher Meinungen anstelle von willkürlichen Maßnahmen und diktatorischen Anweisen zurückzukehren, auch damit dieser nicht völlig einrostet. Für viele kommt dieses Umdenken allerdings zu spät. Auch wenn die Berliner neulich diesen Text von mir veröffentlicht hat, lese ich sie selbst nur, wenn ich explizit auf einen Artikel hingewiesen wurde. Sonst lese ich sie nicht. Auf “Wissenschaftler: ‘Keine evidenzfreie Maskenpflicht'” mit dem Untertitel “Das Tragen einer Maske soll im kommenden Herbst wieder großflächig vorgeschrieben werden können. Eine Gruppe von Wissenschaftlern kritisiert das Vorhaben scharf.” hat mich gerade eine gute alte Freundin und Kollegin, sie ist Krankenschwester in Berlin, hingewiesen. Vielen Dank dafür!
* u.a.: “Ich lebe in Angst”, “Ich glaube dem Fernsehen”, “Ich will keine Freiheit, ich will Sicherheit”, “Ich möchte medizinische Tyrannei”, “Ich liebe Bill Gates”, “Ich mache, was man mir sagt”, “Ich möchte die Impfpflicht”, “Für alles ist Trump verantwortlich” (heute Putin, Anmerkung TaxiBerlin) und “Neue Normalität”
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In Grossbritannien findet gerade ein Umdenken in den Medien über die Berichterstattung statt, das jetzt auch beim Guardian angekommen ist. Ein Umdenken übrigens, das in Bulgarien nicht nötig ist, weil hier die Berichterstattung immer eher auf den Füßen stand, so wie das allermeiste in Bulgarien von hause aus umgedreht wie in der Heimat ist. Aus dem Guardian erfahre ich nun, dass Milliardäre in den USA aktuell ihre ganz eigenen Probleme haben, über die bisher nicht berichtet worden war. Die Superreichen nicht nur in Amerika rechnen mit dem Schlimmsten, sogar mit dem Niedergang des Systems, das ihre Macht bis heute sichert. Deswegen beschäftigt sie, nachdem sie sich bereits mit dem Bau von Bunkern darauf vorbereitet haben, ganz aktuell folgende Frage: “Wie behalte ich nach dem Ereignis die Autorität über meine Sicherheitskräfte?” – Wie wir morgen unser Gas bezahlen, diese Frage stellen sie sich nicht, aber gut, ich stelle mir auch nicht die Frage, wie ich morgen die Autorität über meine Sicherheitskräfte behalte, einfach weil ich sie nicht habe. Auch deswegen ist das Problem der Superreichen für mich eher ein Luxusproblem. Bei den allermeisten dürfte es nicht anders aussehen. Das hat den Vorteil, dass Zeit und Raum bleibt, die wirklich wichtigen Fragen zu stellen. Und da frage ich mich gerade, ob sich ein “Führer durch den Kapitalismus” rechnet, den ich in Anlehnung an obige “Guides” gerne schreiben möchte, und in dem dann auch Bilder von den erwähnten Bunkern neben verwaisten Börsen enthalten sein könnten. Das ist zwar kein Luxusproblem, aber doch irgendwie kapitalistisch gedacht. Und überhaupt, vielleicht sollte auch ich mir wie die Superreichen zumindest ein paar Konserven für den Ernstfall “preppern”, was der Geldbeutel halt hergibt. Vielleicht gehe ich besser so an die Sache ran, dass ich mich frage, was ich von den Luxusproblemen der Superreichen noch lernen kann.
“Was ist passiert?” fragt sich Verena Töpper vom ehemaligen Nachrichtenmagazin, dass eine Hochbegabte, die mit 14 Abitur gemacht, danach Medizin studiert hat und dann in die Forschung ging, jetzt Romane schreibt, die kaum einer liest. Also ich würde sagen, die jetzt knapp 30 Jahre alte Frau, sie heißt Minu Tizabi, hat alles richtig gemacht. Sie hat gesehen, wie es in der medizinischen Forschung läuft, spätestens seit Corona sollte das Wissen darüber auch in Hamburg angekommen sein – Zeit genug war ja nun, und sich dann für die wichtigen Dinge im Leben und gegen’s Geld verdienen entschieden. Dass es in der Vergangenheit jede Menge Autoren gab, die zu Lebzeiten kaum oder gar nicht gelesen wurden, weil sie ihrer Zeit voraus waren, weiß die Spiegel-Autorin offensichtlich auch nicht, die es nicht einmal schafft einen ordentlichen Artikel zu schreiben, geschweige denn Romane.
Jetzt ist man selbst in Hamburg beim ehemaligen Nachrichtenmagazin dahinter gekommen, was ich seit Jahren erzähle, und von dem ich den Titel übernommen habe. Arm finde ich Bulgarien gar nicht – im Gegenteil. Mein Leben in den Schluchten des Balkans ist um einiges reicher als mein Leben in Berlin war, und das sogar mit weit weniger Geld. Es ist kein Quatsch, wenn ich sage, dass ich mich in Bulgarien nicht nur reich, sondern sogar privilegiert fühle. Privilegiert fühle ich mich deswegen, weil sich mein Leben hier auf wundersame Weise das wirklich wichtige reduziert hat. Praktisch so wie es auf dem T-Shirt des Zigeuner-Mädchens steht, auch wenn es selbst nicht von den im Spiegel-Artikel erwähnten Bildungsprogrammen profitiert, sondern lieber betteln geht. Aber das wichtigste im Leben gibt es bekanntlich sowieso immer umsonst. So sehe ich beispielsweise auch mein Geschenk, hier zu sein, für das ich immer noch ausgesprochen dankbar bin.
Am Freitag waren wir bei Baba Bore, wo wir vier Wochen nicht waren. Für jede Woche, die uns Baba Bore, was die liebevolle Abkürzung für Borislava ist, nicht gesehen hat, gab es eine Tüte mit Obst und Gemüse aus ihrem Garten. Die Birnen und Pfirsiche auf dem Tisch waren in einer davon. In den anderen befanden sich Zwiebeln, Paprika, Feigen, Tomaten, Knoblauch, Auberginen und Zucchini. Jetzt sind wir erstmal versorgt. Früher haben wir Dinge auch eingekocht, aber das schaffen wir heute nicht mehr. Dafür sind wir zu sehr mit dem Lesen und Schreiben beschäftigt. Baba Bore weckt wie jedes Jahr ein, sie ernährt damit ihre Kinder, Enkel und Urenkel. Damals hat sie uns Tips gegeben wegen dem Einwecken, aber wir haben auch im Internet nachgeschaut. Und da war es so, dass der Deutsche unbedingt Etiketten fürs Einwecken braucht. Das war komplett irre, auch weil sich dieser Hinweis nirgendwo sonst fand, und beim Deutschen man das Gefühl bekam, dass man ohne Etiketten nicht einwecken kann. Baba Bore sind Etiketten unbekannt. Es geht also auch so. Das können wir aus eigener Erfahrung bestätigen.
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