Bericht aus Bulgarien (293) – “Mitleid mit den Deutschen”

Deutsche Klinik in Bulgarien
“Symbol der Hoffnung”
(und nicht des Mitleids!)

In der Schweiz hat man mittlerweile Mitleid mit den Deutschen. Oder sollte ich “mal wieder” sagen? Der Grund: Corona und kein Ende: “Früher waren Deutschlands nationale Alleingänge gefürchtet, heute erwecken sie Mitleid” – Untertitel des Artikels in der Neuen Zürcher Zeitung vom 8. September: Die Bundesregierung will nicht akzeptieren, dass die Pandemie ihren Schrecken verloren hat.” Im Detail liest es sich  so: “Weil ein Virus, das nicht mehr annähernd so gefährlich ist, wie es mal war, wieder gefährlich werden könnte, braucht Deutschland weiterhin Maßnahmen, um die Freiheit der Bürger einzuschränken. Man kann nur froh sein, dass die Bundesregierung im Umgang mit der Pandemie in Europa isoliert ist. Früher waren Deutschlands nationale Alleingänge gefürchtet. Heute erwecken sie Mitleid.“ Und nun frage ich mich, ob auch ich Mitleid mit ihnen haben soll. Der halbe Bulgare in mir sagt Ja, der halbe Deutsche aber eher Nein. Nein, so wie Nietzsche Nein zum Mitleid gesagt hat. Denn wenn der Mitleid Verspürende tatsächlich mitleidet, begibt er sich damit auf die gleiche Ebene wie der Gegenstand des Mitleids, was ihn wiederum krank und melancholisch macht. Mitleiden kann dagegen der Bulgare, dessen Batterien des Mitleids, so will ich sie einmal nennen, mir wesentlich aufgeladener erscheinen, als die des Deutschen. Das sage ich vor allem aus eigener Erfahrung. Wie es in der Schweiz aussieht, weiß ich nicht. Ich war noch nie da. Die Schweiz ist außerhalb meines Budgets. Bei mir hat es immer nur für Bulgarien gereicht. Aber vielleicht gehe ich bald einmal hin, wenn es eng wird mit der Kohle, die Schweizer weiter Krankenpflegepersonal suchen, und sie weiterhin, im Gegensatz zu den Mitleid erregenden Deutschen, was immer mehr einem bemitleidenswerten Mitleid erheischen gleicht, nicht Geimpfte einstellen. Dann kann ich herausfinden, wie es um mein Mitgefühl mit den Eidgenossen und ihren Alten und Kranken bestellt ist.

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Bericht aus Bulgarien (292) – “Subbotnik am Sonntag und Einladung zum Sibor”

“Zuhause ist dort, wo wir zusammen sind”
Das Motto der Bulgaren

Ein “Subbotnik” ist ein freiwilliger Arbeitseinsatz am Samstag, von dem sich auch sein Name ableitet, der ursprünglich aus Sowjetrussland kommt und den es auch in der DDR gab. Auf bulgarisch heißt der Samstag “Subbota” (Събота), genauso wie auf russisch “Subbota” (Суббота). Das ist keine Überraschung, denn die Bulgaren haben irgendwann einmal die kyrillische Schrift erfunden, dessen sich auch die Russen bedienen. Eine gemeinsame Sprache oder besser Sprachfamilie, hatten sie schon zuvor. Gestern war nun Sonntag, was auf Bulgarisch “Nedelja” (Неделя), aber auf Russisch “Voskresenje” (Воскресенье) heißt. Es gibt also auch Unterschiede zwischen dem Russischen und dem Bulgarischen.

Doch zurück zu meinem “Subbotnik” am gestrigen Sonntag in den Schluchten des Balkans, den ich meinem Bürgermeister auf dem Geburtstag meines Nachbarn versprochen hatte. Um 14 Uhr rief ich meinen Bürgermeister an, um ihm mitzuteilen, dass mein “Subbotnik” um 15 Uhr beginnen wird. Punkt 15 Uhr stand ich arbeits- und abmarschbereit vorm Bürgermeisteramt, wie es sich selbst für einen halben Deutschen gehört. Fünf Minuten später war mein Bürgermeister da, um mir Öl und Pinsel herauszugeben. Er fragte mich, ob ich alleine arbeiten würde, was ich bejahte. Daraufhin bedankte er sich bei mir, und ich begab mich zu meinen Subbotnik-Arbeitseinsatz-Platz im Wald.

Neben dem Pool, den mein Bürgermeister für mich gebaut hat, gibt es zwei Holzpodeste, auf denen Tische und Stühle zum Picknick machen stehen. Diese galt es zu ölen und natürlich auch den Boden, der ebenfalls aus Holz ist. Zuerst musste ich alles vom Laub befreien, denn der Herbst hat in den Schluchten des Balkans bereits Einzug gehalten. Mit im Laub waren auch die ersten Wallnüsse, denn ein großer Wallnussbaum spendet den Sitzmöglichkeiten im Sommer Schatten.

Über das Streichen beziehungsweise Ölen an sich gibt es nicht viel zu berichten, außer dass ich einen Pinsel und keine Rolle benutzt habe, und dass ich mich nicht vorsehen musste, wenn ich etwas verkleckerte, denn es war nur Öl und keine Farbe, und der Boden musste sowieso auch geölt werden. Am meisten sah ich mich vor, dass ich keine Blasen an den Händen bekam, denn ich muss bei mir noch das Holz am Dach ölen, und da kann ich Blasen an den Händen nicht gebrauchen. Das ist sozusagen das nächste, was bei mir ansteht.

Zum Schluss habe ich noch den Müll rings um meinen Pool eingesammelt, wie man das als ordentlicher Deutscher so macht. Eine Dose von meinem Bürgermeister konnte ich nicht verwenden, weil in ihr kein Öl, sondern weiße Farbe war. Der Holz-Boden des zweiten Podestes muss noch geölt werden. Die Arbeit ist also noch nicht vollständig erledigt, was aber zum Motto des Bulgaren passt, der gerne sagt, dass es in Bulgarien Arbeit für das gesamte Chinesische Volk gibt.

Obwohl ich wie gesagt meinen Subbotnik am gestrigen Samstag nicht mit vollständiger Planerfüllung beenden konnte, war ich nicht ganz unzufrieden mit mir und meiner Arbeit. Knapp drei Stunden habe ich nahezu ununterbrochen gemacht und getan und dabei fünf Dosen Öl “verstrichen”, ohne mir dabei auch nur eine Blase zu “erarbeiten”. Für jemanden, der die letzten Monate vorzugsweise mit dem Kopf gearbeitet hat, ist das eine ziemlich gute Leistung, so denke ich.

Vielleicht kann mir mein Bürgermeister im Gegenzug jemanden für meinen Schornstein organisieren. Da muss es auf dem Dach eine undichte Stelle geben. Auch wenn sie nur sehr klein sein kann, hat mein Schornstein eine feuchte Ecke. Der Meister soll natürlich keinen Subbotnik bei mir machen, das ist klar. Ich bin ja schon froh, wenn ich überhaupt jemanden finde, der das macht. Die meisten Bulgaren im arbeitsfähigen Alter sind ja im Ausland, viele in Deutschland.

Mein freiwilliger Arbeitseinsatz am gestrigen Sonntag ist also auch eine Bitte an meinen Bürgermeister, Augen und Ohren für “seinen jungen deutschen Mitbürger und Einwohner” offenzuhalten. So stellt mich mein Bürgermeister immer Leuten vor, die mich noch nicht kennen. Apropos vorstellen: am 23. September wird die Chronik über unser Dorf vorgestellt, in dem auch meine Eselwanderung quer durch Bulgarien vorkommt. Meine Eselin war ja aus unserem Dorf, und meine Wanderung startete an der Wasserquelle auf dem zentralen Dorfplatz, praktisch Downtown, mit dem Segen des Dorfpopen und natürlich auch des Bürgermeisters.

Am 24. September, also am Tag nach der Buchvorstellung, ist unsere Dorfkirmes, wo sich alle auf dem zentralen Dorfplatz versammeln, viele kommen dazu aus Sofia oder gar aus dem Ausland. Nicht ohne Grund heißt Kirmes auf Bulgarisch “Sibor”, was von “sich versammeln” kommt. Auch wer nicht direkt zum Dorf gehört, kann daran teilnehmen. Der Bulgare ist, ich erwähnte das bereits mehrfach, für seine Gastfreundschaft bekannt, auch und gerade am Sibor.

Zu ihr, also zur Kirmes, wird es Live-Musik geben, zu der auf der von der Polizei gesperrten Durchfahrt-Straße von alt und jung getanzt wird, und zwar der ebenfalls bereits erwähnte bekannte “Ringelpietz mit Anfassen”, der auf Bulgarisch “Horo” heißt. Gegessen wird traditionell zu hause in der Familie und mit Freunden. In der Vergangenheit war es so, dass ich mich vor Einladungen nicht retten konnte.

Dieses Jahr wird es wohl noch “verschärfter” werden, weil im letztes Jahr der “Sibor” wegen Corona ausgefallen ist und nun alle ganz heiß sind, denn die Kirmes ist das größte Fest des Jahres überhaupt. Wer noch nie einen bulgarischen “Sibor” miterlebt hat, sollte sich ihn auf keinen Fall entgehen lassen. Dieses Jahr ist, nachdem er wie gesagt letztes Jahr ausgefallen ist, die beste Zeit dafür.

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Bericht aus Bulgarien (291) – “Körpersprache”

Eselflüsterer in Aktion

Als Eselflüsterer lasse ich mir nicht nur was ins Ohr flüstern von ihnen, sondern studiere auch ihre Körpersprache. Genau dabei bekomme ich gerade folgende Hilfestellung von der “Daily Mail”, die schreibt: “Dies ist eine phänomenale und unerwartete Szene, die eine gewisse natürliche Vorsicht und Unbeholfenheit in der Körpersprache zeigt”, und weiter: “die vier reihen sich zusammen, um eine Form der Einheit anzudeuten.” Dann ist noch dies in der englischen Zeitung zu lesen: “Wenn das Paar die Hände umfasst, sind es seine Finger, die sich nach unten bewegen, während ihre um seine Handfläche herum gelegt sind, wobei ihr Daumen sanft seine Hand streichelt.” – Ihr ahnt es sicherlich schon, es geht nicht um mich, sondern um die königliche Familie, genauer um die beiden Enkel der verstorbenen Königin und ihre Ehefrauen. – Von den Vorfahren des neuen König, Charles III, ist folgendes zu erfahren: Charles I wurde vom Volk gestürzt und enthauptet, und Charles II zeugte nur uneheliche Kinder. Die Körpersprache von Charles Philip Arthur George, also Charles III, erinnert an die von William „Bill“ Henry Gates III. Das denke ich zumindest als gelernter Eselflüsterer mit langjähriger Erfahrung.

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Bericht aus Bulgarien (290) – “Aus der Erfahrung”

An meinem Bad im Wald, das mein Bürgermeister für mich gebaut hat

Neulich auf dem Geburtstag meines Nachbarn habe ich meinem Bürgermeister zugesagt, dass ich die Holzmöbel an meinem kleinen Mineralbad im Wald ölen werde, das er für mich gebaut hat. Öl und Pinsel will mir geben, das ist also nicht das Problem. Das Problem ist, dass ich außer lesen und schreiben seit Wochen, ach was sage ich, seit Monaten, nichts anderes mache. Ich bin mir also nicht sicher, ob ich überhaupt noch streichen kann. Jetzt bin ich endgültig so einer geworden, der nur noch mit seinem Kopf arbeitet. Damit genau das nicht passiert, bin ich überhaupt Taxi gefahren damals. Jetzt habe ich oft richtig Kopfschmerzen vom vielen Denken. Und nun könnte es also passieren, dass ich wieder Blasen an den Händen bekomme vom Ölen. Denn geölt werden muss nicht nur die Bank und der Stuhl im Bild oben, was schnell getan wäre, sondern auch zwei große Unterstände mit vier Bänken und das ist richtig Arbeit. Aber versprochen ist versprochen, so denke ich. Ein Mann muss zu seinem Wort stehen. In dem Zusammenhang fällt mir meine Eselwanderung quer durch Bulgarien ein, die jetzt auch schon wieder 10 Jahre zurück liegt, und die ich auch gemacht habe, damit die Leute bei mir im Dorf wissen, dass auch ich verrückt bin, dass ich einer von ihnen bin. Verrückt zu sein kann auf Dauer ganz schön anstrengend sein, das sage ich nach jahrelanger Erfahrung. Es wird Zeit etwas anderes zu beginnen, das wichtigste im Leben sind bekanntlich die Veränderungen. Dazu passt auch das Lied “It’s a new day, it’s a new life”, das ich heute beim Aufstehen auf den Lippen hatte. Obwohl, so neu ist das neue Leben jetzt auch nicht. Seit Jahren mime ich nun schon den seriösen und zuverlässigen hier in den Schluchten des Balkans. Da muss ich dranbleiben, das sagt auch die Erfahrungen. Denn einmal unzuverlässig ist nicht mehr zuverlässig.

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Ärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt: “Karl Lauterbach hat Medizin studiert, ist aber kein Arzt.”

Ein klein wenig ist es wie bei “Des Kaisers neue Kleider”. Aber jetzt mal im Ernst: Karl Lauterbach ist nicht nur kein Stand-Up Komödiant, sondern auch kein Arzt. Was soll denn nun bloß noch aus ihm werden? Wird er jetzt auch in die Schluchten des Balkans kommen? Ich meine, ich bin auch nicht nur kein Taxifahrer mehr, sondern darf auch nicht mehr als Krankenpfleger arbeiten – auch “Dank” Karl Lauterbach. So gesehen hätte ich durchaus noch ein Hühnchen zu rupfen mit ihm. Aber ich will nicht nachtragend sein. Und die bulgarische Gastfreundschaft kennt auch keine Ausnahmen. Also wenn du, wie ich vor einiger Zeit bereits, keine Zukunft mehr für dich siehst in der Heimat, dann mache dich auf den Weg, Karl! Ich rede mit meinem Bürgermeister. Wir finden eine Lösung – auch für dich.
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Bericht aus Bulgarien (289) – “Masters of War”

Gerade erfahre ich, dass Wolfgang Wodarg nicht nur noch am Leben ist, sondern aktuell sogar den bekannten Anti-Kriegs-Song “Masters of War” von Bob Dylan eingespielt hat. Wolfgang Wodarg, wer ihn nicht kennt, ist Kriegsdienstverweigerer und Arzt, den man am Anfang der Pandemie als falschen Propheten bezeichnet hat. Jetzt, also am Ende der Pandemie, stellt sich aber heraus, dass genau die anderen, also Drosten und Gates, die falschen Propheten sind, und zwar die mit der Spritze. Das ganze ist zugegeben etwas untergegangen im Kriegsgeheul von Kriegstreibern wie Biden und Baerbock. Auch ihnen hat Bob Dylan diese Zeilen gewidmet:
Come you masters of war
You that build the big guns
You that build the death planes
You that build all the bombs

You that hide behind walls
You that hide behind desks
I just want you to know
I can see through your masks

You that never done nothin’
But build to destroy
You play with my world
Like it’s your little toy

You put a gun in my hand
And you hide from my eyes
And you turn and run farther
When the fast bullets fly

Like Judas of old
You lie and deceive
A world war can be won
You want me to believe

But I see through your eyes
And I see through your brain
Like I see through the water
That runs down my drain

You fasten all the triggers
For the others to fire
Then you sit back and watch
When the death count gets higher

You hide in your mansion
While the young people’s blood
Flows out of their bodies
And is buried in the mud

You’ve thrown the worst fear
That can ever be hurled
Fear to bring children
Into the world

For threatening my baby
Unborn and unnamed
You ain’t worth the blood
That runs in your veins

How much do I know
To talk out of turn
You might say that I’m young
You might say I’m unlearned

But there’s one thing I know
Though I’m younger than you
That even Jesus would never
Forgive what you do

Let me ask you one question
Is your money that good?
Will it buy you forgiveness
Do you think that it could?

I think you will find
When your death takes its toll
All the money you made
Will never buy back your soul

And I hope that you die
And your death will come soon
I’ll follow your casket
By the pale afternoon

And I’ll watch while you’re lowered
Down to your deathbed
And I’ll stand over your grave
‘Til I’m sure that you’re dead
——————————————————–
Kommt, ihr Herren des Krieges
Ihr, die ihr die großen Kanonen baut
Ihr, die ihr die todbringenden Flugzeuge baut
Ihr, die ihr all die Bomben baut

Ihr, die ihr euch hinter Mauern versteckt
Ihr, die ihr euch hinter Schreibtischen versteckt
Ich möchte nur, dass ihr wisst:
Ich kann eure Masken durchschauen

Ihr, die ihr niemals etwas anderes getan habt,
Als zu bauen, um zu zerstören
Ihr spielt mit meiner Welt
Als wäre sie euer kleines Spielzeug

Ihr legt mir eine Waffe in meine Hand
Und ihr versteckt euch vor meinen Blicken
Und ihr dreht euch um und rennt weit weg,
Wenn die schnellen Kugeln fliegen

Wie Judas zu alter Zeit
Lügt und betrügt ihr
Ein Weltkrieg kann gewonnen werden,
Wollt ihr mich glauben machen

Aber ich schaue durch eure Augen
Und ich schaue durch euer Gehirn,
So wie ich durch das Wasser sehe,
Das in meinen Abfluss fließt

Ihr spannt all die Abzüge,
Damit andere sie abfeuern
Dann lehnt ihr euch zurück und schaut zu,
Während die Zahl der Todesopfer steigt

Ihr versteckt euch in euren Villen
Während das Blut junger Menschen
Aus ihren Körpern fließt
Und im Schlamm versickert

Ihr habt die schlimmste Angst verbreitet,
Die jemals gestreut werden kann:
Die Angst, Kinder
Auf die Welt zu bringen
Für das Bedrohen meines Babys,
Ungeboren und namenlos,
Seid ihr das Blut nicht wert,
Das durch eure Adern fließt

Was weiß ich denn schon,
Dass ich ungefragt rede?
Ihr könntet sagen, ich sei jung
Ihr könntet sagen, ich sei unbelehrt

Aber es gibt eine Sache, die ich weiß,
Obwohl ich jünger bin als ihr:
Nämlich dass selbst Jesus niemals
Das vergeben könnte, was ihr tut

Lasst mich euch eine Frage stellen:
Ist euer Geld so gut?
Könnt ihr euch damit Vergebung erkaufen?
Glaubt ihr, dass es das könnte?

Ich glaube, ihr werdet feststellen,
Wenn euer Sensenmann seinen Tribut fordert,
Dass all das Geld, das ihr verdient habt,
Euch niemals eure Seele zurückkaufen kann

Und ich hoffe, dass ihr sterbt
Und euer Tod bald kommen wird
Ich werde eurem Sarg folgen
An einem fahlen Nachmittag

Und ich werde zusehen, wie ihr hinabgelassen werdet,
Hinunter in euer Totenbett
Und ich werde über eurem Grab stehen
Bis ich sicher bin, dass ihr tot seid
Text BobDylan
Gesang WolfgangWodarg

Bericht aus Bulgarien (288) – “Zweckoptimismus”

“Der Überblicker”
(Denkmal in Bulgarien)

In der DDR sagten wir scherzhaft auf die Frage, warum der Westen uns, vor allem was den Konsum angeht, voraus ist, obwohl wir es ja eigentlich sein wollten, die ihn überholen, dass es abwärts immer schneller geht. Die Frage, die ich mir heute stelle, ist, ob es mit dem Westen und insbesondere mit dem Konsum dort nicht demnächst rasant bergab gehen könnte. Die Talfahrt soll sogar schon begonnen haben, auch wenn Menschen in der Heimat dies noch nicht wahrhaben wollen. Es kommen dann immer Argumente wie, dass andere auch die Nase voll hätten sowohl vom Impfen als auch vom Maske tragen. Letzteres wurde nun per Gesetz ein weiteres Mal unsinnigerweise verlängert, aber einen Aufschrei habe ich deswegen nicht vernommen. Und das macht mich stutzig. Dass die Bulgaren deswegen nicht auf die Straße gehen, kann ich nachvollziehen. Denn das Leben der Bulgaren ist eher ein Überleben, und das schon seit mehr als 30 Jahren. Mit ihnen kann es nicht weiter abwärts gehen. Auf sie trifft jetzt bereits zu, dass wenn du nichts hast, du auch nichts mehr verlieren kannst. Beim Deutschen sieht das anders aus. Der hat beispielsweise sein Wärmekissen zu verlieren, um nur ein Beispiel zu machen. Im Winter ein solches Strombetriebenes Wärmekissen zu haben, ist sicherlich schön. Aber was mache ich mit dem Wärmekissen, wenn es im Winter keinen Strom mehr gibt? Der Blackout, der bisher “nur” unsere Politiker betrifft, könnte sich morgen auch auf Strom und Gas ausweiten, was mit ihm auch eigentlich gemeint ist. Nicht nur ich halte das für mehr als wahrscheinlich. Deswegen bauen sich Milliardäre nicht nur Bunker, sondern stellen sich umweltbewegte Grüne auch schmutzige Dieselgeneratoren in den Keller. Und das würde ich auch jedem anstelle eines Wärmekissens empfehlen. Darüber hinaus Geld ausgeben. Den Keller mit Kühlschränken, Waschmaschinen und Ölradiatoren vollstellen. Jetzt nicht nur wegen dem zu erwartenden Blackout, sondern auch wegen der vor der Tür stehenden Inflation. In Bulgarien gab es die Hyperinflation bereits Ende der Neunziger. Da waren es knapp 1.000 Prozent innerhalb eines Jahres. Danach waren 1.000 Lewa noch genau einen ganzen Lewa wert. Mit dem konnte man dann zwar noch auf Toilette gehen, aber keine Dieselgeneratoren, Kühlschränke oder Waschmaschinen mehr kaufen, was man zuvor noch gekonnt hätte. Wer wenig Geld hat, so wie ich, sollte sich zumindest mit Konserven und Toilettenpapier eindecken. Von meinem englischen Freund Jerry weiß ich, dass im Internet Survival-Kits gerade durch die Decke gehen. Wenn Jerry mir das erzählt, lacht er sich immer wieder aufs Neue kaputt darüber. Dass er sich darüber kaputt lacht, liegt daran, dass er viele Jahre in der Armee ihrer verschiedenen Majestät gedient hat, und er deswegen weiß, dass man sich mit solchem Survival-Zeugs auskennen muss, um es überhaupt benutzen zu können. Denn wenn man sich nicht auskennt damit, wovon bei den allermeisten, die es im Internet bestellen, auszugehen ist, dann überlebe man auch nicht, so Jerry. Wie gesagt, ich spreche nicht nur mit meinem englischen Freund Jerry, sondern auch mit Menschen in Deutschland. Auch wenn es Menschen sind, die ich gut kenne und deren Urteil ich vertraue, erschließt sich mir nicht ganz, woher sie ihren Optimismus nehmen. Es kann sich dabei meiner Meinung nach nur um Zweckoptimismus handeln. Dass ich ihnen dies nicht sage, sondern hiermit erstmals formuliere, liegt vor allem daran, dass ich nicht in Deutschland lebe. Das kann auch von Vorteil sein, denn ich habe dadurch einen gewissen Abstand zu den Dingen. Ob ich auch den Überblick habe wie obiger Bulgare auf seinem Denkmal, wird sich zeigen. Etwas anderes, was ich neben eingangs erwähntem “abwärts geht es schneller” von früher in Erinnerung habe, ist, dass Prognosen schwierig sind, insbesondere wenn die die Zukunft betreffen.

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Bericht aus Bulgarien (287) – “Des Deutschen liebstes Hobby”

Nicht mit leeren Händen

Am Nachmittag war kurz der Strom weg, weswegen ich bei den Nachbarn war. Ich wollte sicher gehen, dass auch sie keinen Strohm haben und nicht meine Elektrik im Arsch ist. Ersteres war der Fall, auch sie hatten kein Strom, was sie aber noch nicht bemerkt hatten. Bei der Gelegenheit beklagte sich mein Nachbar über seine Frau, die ihm das Arbeiten mit seinen vielen Maschinen in den Morgenstunden verboten hatte in den letzten drei Tagen. Der Grund war unser Besuch aus Deutschland, den mein Nachbar zu seinem Geburtstag eingeladen hatte, wo wir mit meinem Bürgermeister die Spa-Idee besprochen haben, ich hatte hier darüber geschrieben. Die Frau von meinem Nachbarn meinte, man könne meinem Gast angesichts seiner Spa-Idee keine lauten Geräusche am Morgen zumuten. Mein Nachbar war immer noch fix und fertig ob dieser fixen Idee, und ich auch. Aber so sind sie, die Bulgaren, immer für eine Überraschung gut, in dem Fall war es sogar eine Bulgarin, die mir noch eine Tüte mit Birnen mit nach hause mitgab, so dass ich nicht umsonst bei ihnen war. Es handelt sich dabei um ein festes Ritual. Gehst du zu einem Bulgaren, wirst du nie mit leeren Händen von ihm zurückkehren, auch wenn du, so wie ich, mit leeren Händen gekommen bist. Gerne würde ich meinem Gast aus Deutschland einige der leckeren Birnen weiterreichen, auch damit er sich keine Gedanken macht wegen meines Nachbarn, der wegen ihm (oder war es doch wegen seiner Frau?) nicht wie gewohnt früh mit seinen Maschinen arbeiten konnte. Vor allem soll sich mein Freund, der heute morgen abgereist ist, nicht schuldig fühlen, was leichter gesagt ist als getan, denn sich schuldig zu fühlen ist des Deutschen liebstes Hobby. Das sage ich auch und vor allem als halber Deutscher.

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Bericht aus Bulgarien (286) – “Soljanka für gut”

Unser Besuch aus Deutschland hat uns neben vielen Büchern und einigen Ost-Produkte-Konserven auch diese Nougat Mousse Creme der Firma Komet zum Selbermachen mitgebracht. Die Firma Komet, die sich auf Ost-Produkte spezialisiert hat, ist möglicherweise genau deswegen noch am Start in der Heimat. Im Gegensatz zum West-Deutschen Papierhersteller Hakle, der aufgehört hat zu existieren produzieren. Das Nougat-Mousse-Fertigpulver aus der Heimat habe ich heute verarbeitet, weil ich noch Milch im Kühlschrank hatte, die weg musste. Die 1,5 Liter Kuh-Milch frisch vom Erzeuger habe ich mir am Dienstag in der Kneipe vom Bürgermeister gekauft, der mich darauf hinwies, dass ich sie noch abkochen muss. Das habe ich auch sofort getan, aber der Geruch nach Kuh ging einfach nicht weg, was dazu führte, dass auch ich jetzt überlege, ob der Wiederkäuer nicht weg kann. Erstmal musste seine Milch weg. Das war einfach, ich musste sie nur kalt mit dem Pulver mixen und fertig war das Nougat Mousse. Sowohl der Kuh-Geschmack, als auch der Kuh-Geruch der Kuh-Milch sind im Zuckerbad des Trockenpulvers baden gegangen, haben sich in bulgarische Gebirgs-Luft aufgelöst. Den Mixer musste ich dazu auf maximale Umdrehungen stellen, das ganze drei Minuten, länger gibt der in der Volksrepublik China hergestellte Mixer in Rot nicht her. Dafür hat er nur 15 Lewa (7,50 €) im bulgarischen Supermarkt T-Market gekostet. Jetzt muss er sich erst einmal ein Jahr ausruhen, bevor ich ihn wieder in Betrieb nehmen kann. Das Nougat Mousse der Firma Komet war für mich auch die Eintrittskarte in die Welt des für die Krise vorsorgenden Fertigprodukte-Liebhabers, der umgangssprachlich Prepper genannt wird. Auch deswegen bleibt die ebenfalls von unserem lieben Gast mitgebrachte Soljanka erst einmal für gut.

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Bericht aus Bulgarien (285) – “Optima statt Hakle”

Ausgerechnet DER Hersteller von Toilettenpapier Hakle in der Heimat hat Insolvenz angemeldet. Laut unserem Wirtschaftsminister geht Hakle aber nicht in die Insolvenz, sondern hört nur auf zu produzieren. Insolvenz wird demnächst ein Wort wie Verschwörungstheorie sein. Man vergisst es besser gleich. Zum Glück bin ich in Bulgarien, wo ich gerade das Toilettenpapier von Optima für mich entdeckt habe. Vier Rollen, dreilagig für 1,69 Lewa. Dazu nicht parfümiert, wie das allermeiste Toilettenpapier in den Schluchten des Balkans. Farblich ist es auch schön gestaltet, und zwar grau. Es erinnert mich an dass DDR-Toilettenpapier, was allerdings härter war. Das Toilettenpapier von Optima ist weicher und zugleich stabiler. Fast ein Wunder. Vor allem gefällt mir aber das grau. Es ist, wie so vieles in diesen Tagen, ein Zeichen, so denke ich. Und zwar ein Zeichen dafür, wohin die Reise geht. In Bulgarien hat man das schon begriffen, ist man der Zeit mal wieder voraus. Und das, obwohl das kleine Rand am Rand derzeit keine gewählte Regierung hat, sondern nur eine amtsführende. – Oder vielleicht gerade deswegen.

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