Bericht aus Bulgarien (289) – “Masters of War”

Gerade erfahre ich, dass Wolfgang Wodarg nicht nur noch am Leben ist, sondern aktuell sogar den bekannten Anti-Kriegs-Song “Masters of War” von Bob Dylan eingespielt hat. Wolfgang Wodarg, wer ihn nicht kennt, ist Kriegsdienstverweigerer und Arzt, den man am Anfang der Pandemie als falschen Propheten bezeichnet hat. Jetzt, also am Ende der Pandemie, stellt sich aber heraus, dass genau die anderen, also Drosten und Gates, die falschen Propheten sind, und zwar die mit der Spritze. Das ganze ist zugegeben etwas untergegangen im Kriegsgeheul von Kriegstreibern wie Biden und Baerbock. Auch ihnen hat Bob Dylan diese Zeilen gewidmet:
Come you masters of war
You that build the big guns
You that build the death planes
You that build all the bombs

You that hide behind walls
You that hide behind desks
I just want you to know
I can see through your masks

You that never done nothin’
But build to destroy
You play with my world
Like it’s your little toy

You put a gun in my hand
And you hide from my eyes
And you turn and run farther
When the fast bullets fly

Like Judas of old
You lie and deceive
A world war can be won
You want me to believe

But I see through your eyes
And I see through your brain
Like I see through the water
That runs down my drain

You fasten all the triggers
For the others to fire
Then you sit back and watch
When the death count gets higher

You hide in your mansion
While the young people’s blood
Flows out of their bodies
And is buried in the mud

You’ve thrown the worst fear
That can ever be hurled
Fear to bring children
Into the world

For threatening my baby
Unborn and unnamed
You ain’t worth the blood
That runs in your veins

How much do I know
To talk out of turn
You might say that I’m young
You might say I’m unlearned

But there’s one thing I know
Though I’m younger than you
That even Jesus would never
Forgive what you do

Let me ask you one question
Is your money that good?
Will it buy you forgiveness
Do you think that it could?

I think you will find
When your death takes its toll
All the money you made
Will never buy back your soul

And I hope that you die
And your death will come soon
I’ll follow your casket
By the pale afternoon

And I’ll watch while you’re lowered
Down to your deathbed
And I’ll stand over your grave
‘Til I’m sure that you’re dead
——————————————————–
Kommt, ihr Herren des Krieges
Ihr, die ihr die großen Kanonen baut
Ihr, die ihr die todbringenden Flugzeuge baut
Ihr, die ihr all die Bomben baut

Ihr, die ihr euch hinter Mauern versteckt
Ihr, die ihr euch hinter Schreibtischen versteckt
Ich möchte nur, dass ihr wisst:
Ich kann eure Masken durchschauen

Ihr, die ihr niemals etwas anderes getan habt,
Als zu bauen, um zu zerstören
Ihr spielt mit meiner Welt
Als wäre sie euer kleines Spielzeug

Ihr legt mir eine Waffe in meine Hand
Und ihr versteckt euch vor meinen Blicken
Und ihr dreht euch um und rennt weit weg,
Wenn die schnellen Kugeln fliegen

Wie Judas zu alter Zeit
Lügt und betrügt ihr
Ein Weltkrieg kann gewonnen werden,
Wollt ihr mich glauben machen

Aber ich schaue durch eure Augen
Und ich schaue durch euer Gehirn,
So wie ich durch das Wasser sehe,
Das in meinen Abfluss fließt

Ihr spannt all die Abzüge,
Damit andere sie abfeuern
Dann lehnt ihr euch zurück und schaut zu,
Während die Zahl der Todesopfer steigt

Ihr versteckt euch in euren Villen
Während das Blut junger Menschen
Aus ihren Körpern fließt
Und im Schlamm versickert

Ihr habt die schlimmste Angst verbreitet,
Die jemals gestreut werden kann:
Die Angst, Kinder
Auf die Welt zu bringen
Für das Bedrohen meines Babys,
Ungeboren und namenlos,
Seid ihr das Blut nicht wert,
Das durch eure Adern fließt

Was weiß ich denn schon,
Dass ich ungefragt rede?
Ihr könntet sagen, ich sei jung
Ihr könntet sagen, ich sei unbelehrt

Aber es gibt eine Sache, die ich weiß,
Obwohl ich jünger bin als ihr:
Nämlich dass selbst Jesus niemals
Das vergeben könnte, was ihr tut

Lasst mich euch eine Frage stellen:
Ist euer Geld so gut?
Könnt ihr euch damit Vergebung erkaufen?
Glaubt ihr, dass es das könnte?

Ich glaube, ihr werdet feststellen,
Wenn euer Sensenmann seinen Tribut fordert,
Dass all das Geld, das ihr verdient habt,
Euch niemals eure Seele zurückkaufen kann

Und ich hoffe, dass ihr sterbt
Und euer Tod bald kommen wird
Ich werde eurem Sarg folgen
An einem fahlen Nachmittag

Und ich werde zusehen, wie ihr hinabgelassen werdet,
Hinunter in euer Totenbett
Und ich werde über eurem Grab stehen
Bis ich sicher bin, dass ihr tot seid
Text BobDylan
Gesang WolfgangWodarg

Bericht aus Bulgarien (288) – “Zweckoptimismus”

“Der Überblicker”
(Denkmal in Bulgarien)

In der DDR sagten wir scherzhaft auf die Frage, warum der Westen uns, vor allem was den Konsum angeht, voraus ist, obwohl wir es ja eigentlich sein wollten, die ihn überholen, dass es abwärts immer schneller geht. Die Frage, die ich mir heute stelle, ist, ob es mit dem Westen und insbesondere mit dem Konsum dort nicht demnächst rasant bergab gehen könnte. Die Talfahrt soll sogar schon begonnen haben, auch wenn Menschen in der Heimat dies noch nicht wahrhaben wollen. Es kommen dann immer Argumente wie, dass andere auch die Nase voll hätten sowohl vom Impfen als auch vom Maske tragen. Letzteres wurde nun per Gesetz ein weiteres Mal unsinnigerweise verlängert, aber einen Aufschrei habe ich deswegen nicht vernommen. Und das macht mich stutzig. Dass die Bulgaren deswegen nicht auf die Straße gehen, kann ich nachvollziehen. Denn das Leben der Bulgaren ist eher ein Überleben, und das schon seit mehr als 30 Jahren. Mit ihnen kann es nicht weiter abwärts gehen. Auf sie trifft jetzt bereits zu, dass wenn du nichts hast, du auch nichts mehr verlieren kannst. Beim Deutschen sieht das anders aus. Der hat beispielsweise sein Wärmekissen zu verlieren, um nur ein Beispiel zu machen. Im Winter ein solches Strombetriebenes Wärmekissen zu haben, ist sicherlich schön. Aber was mache ich mit dem Wärmekissen, wenn es im Winter keinen Strom mehr gibt? Der Blackout, der bisher “nur” unsere Politiker betrifft, könnte sich morgen auch auf Strom und Gas ausweiten, was mit ihm auch eigentlich gemeint ist. Nicht nur ich halte das für mehr als wahrscheinlich. Deswegen bauen sich Milliardäre nicht nur Bunker, sondern stellen sich umweltbewegte Grüne auch schmutzige Dieselgeneratoren in den Keller. Und das würde ich auch jedem anstelle eines Wärmekissens empfehlen. Darüber hinaus Geld ausgeben. Den Keller mit Kühlschränken, Waschmaschinen und Ölradiatoren vollstellen. Jetzt nicht nur wegen dem zu erwartenden Blackout, sondern auch wegen der vor der Tür stehenden Inflation. In Bulgarien gab es die Hyperinflation bereits Ende der Neunziger. Da waren es knapp 1.000 Prozent innerhalb eines Jahres. Danach waren 1.000 Lewa noch genau einen ganzen Lewa wert. Mit dem konnte man dann zwar noch auf Toilette gehen, aber keine Dieselgeneratoren, Kühlschränke oder Waschmaschinen mehr kaufen, was man zuvor noch gekonnt hätte. Wer wenig Geld hat, so wie ich, sollte sich zumindest mit Konserven und Toilettenpapier eindecken. Von meinem englischen Freund Jerry weiß ich, dass im Internet Survival-Kits gerade durch die Decke gehen. Wenn Jerry mir das erzählt, lacht er sich immer wieder aufs Neue kaputt darüber. Dass er sich darüber kaputt lacht, liegt daran, dass er viele Jahre in der Armee ihrer verschiedenen Majestät gedient hat, und er deswegen weiß, dass man sich mit solchem Survival-Zeugs auskennen muss, um es überhaupt benutzen zu können. Denn wenn man sich nicht auskennt damit, wovon bei den allermeisten, die es im Internet bestellen, auszugehen ist, dann überlebe man auch nicht, so Jerry. Wie gesagt, ich spreche nicht nur mit meinem englischen Freund Jerry, sondern auch mit Menschen in Deutschland. Auch wenn es Menschen sind, die ich gut kenne und deren Urteil ich vertraue, erschließt sich mir nicht ganz, woher sie ihren Optimismus nehmen. Es kann sich dabei meiner Meinung nach nur um Zweckoptimismus handeln. Dass ich ihnen dies nicht sage, sondern hiermit erstmals formuliere, liegt vor allem daran, dass ich nicht in Deutschland lebe. Das kann auch von Vorteil sein, denn ich habe dadurch einen gewissen Abstand zu den Dingen. Ob ich auch den Überblick habe wie obiger Bulgare auf seinem Denkmal, wird sich zeigen. Etwas anderes, was ich neben eingangs erwähntem “abwärts geht es schneller” von früher in Erinnerung habe, ist, dass Prognosen schwierig sind, insbesondere wenn die die Zukunft betreffen.

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Bericht aus Bulgarien (287) – “Des Deutschen liebstes Hobby”

Nicht mit leeren Händen

Am Nachmittag war kurz der Strom weg, weswegen ich bei den Nachbarn war. Ich wollte sicher gehen, dass auch sie keinen Strohm haben und nicht meine Elektrik im Arsch ist. Ersteres war der Fall, auch sie hatten kein Strom, was sie aber noch nicht bemerkt hatten. Bei der Gelegenheit beklagte sich mein Nachbar über seine Frau, die ihm das Arbeiten mit seinen vielen Maschinen in den Morgenstunden verboten hatte in den letzten drei Tagen. Der Grund war unser Besuch aus Deutschland, den mein Nachbar zu seinem Geburtstag eingeladen hatte, wo wir mit meinem Bürgermeister die Spa-Idee besprochen haben, ich hatte hier darüber geschrieben. Die Frau von meinem Nachbarn meinte, man könne meinem Gast angesichts seiner Spa-Idee keine lauten Geräusche am Morgen zumuten. Mein Nachbar war immer noch fix und fertig ob dieser fixen Idee, und ich auch. Aber so sind sie, die Bulgaren, immer für eine Überraschung gut, in dem Fall war es sogar eine Bulgarin, die mir noch eine Tüte mit Birnen mit nach hause mitgab, so dass ich nicht umsonst bei ihnen war. Es handelt sich dabei um ein festes Ritual. Gehst du zu einem Bulgaren, wirst du nie mit leeren Händen von ihm zurückkehren, auch wenn du, so wie ich, mit leeren Händen gekommen bist. Gerne würde ich meinem Gast aus Deutschland einige der leckeren Birnen weiterreichen, auch damit er sich keine Gedanken macht wegen meines Nachbarn, der wegen ihm (oder war es doch wegen seiner Frau?) nicht wie gewohnt früh mit seinen Maschinen arbeiten konnte. Vor allem soll sich mein Freund, der heute morgen abgereist ist, nicht schuldig fühlen, was leichter gesagt ist als getan, denn sich schuldig zu fühlen ist des Deutschen liebstes Hobby. Das sage ich auch und vor allem als halber Deutscher.

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Bericht aus Bulgarien (286) – “Soljanka für gut”

Unser Besuch aus Deutschland hat uns neben vielen Büchern und einigen Ost-Produkte-Konserven auch diese Nougat Mousse Creme der Firma Komet zum Selbermachen mitgebracht. Die Firma Komet, die sich auf Ost-Produkte spezialisiert hat, ist möglicherweise genau deswegen noch am Start in der Heimat. Im Gegensatz zum West-Deutschen Papierhersteller Hakle, der aufgehört hat zu existieren produzieren. Das Nougat-Mousse-Fertigpulver aus der Heimat habe ich heute verarbeitet, weil ich noch Milch im Kühlschrank hatte, die weg musste. Die 1,5 Liter Kuh-Milch frisch vom Erzeuger habe ich mir am Dienstag in der Kneipe vom Bürgermeister gekauft, der mich darauf hinwies, dass ich sie noch abkochen muss. Das habe ich auch sofort getan, aber der Geruch nach Kuh ging einfach nicht weg, was dazu führte, dass auch ich jetzt überlege, ob der Wiederkäuer nicht weg kann. Erstmal musste seine Milch weg. Das war einfach, ich musste sie nur kalt mit dem Pulver mixen und fertig war das Nougat Mousse. Sowohl der Kuh-Geschmack, als auch der Kuh-Geruch der Kuh-Milch sind im Zuckerbad des Trockenpulvers baden gegangen, haben sich in bulgarische Gebirgs-Luft aufgelöst. Den Mixer musste ich dazu auf maximale Umdrehungen stellen, das ganze drei Minuten, länger gibt der in der Volksrepublik China hergestellte Mixer in Rot nicht her. Dafür hat er nur 15 Lewa (7,50 €) im bulgarischen Supermarkt T-Market gekostet. Jetzt muss er sich erst einmal ein Jahr ausruhen, bevor ich ihn wieder in Betrieb nehmen kann. Das Nougat Mousse der Firma Komet war für mich auch die Eintrittskarte in die Welt des für die Krise vorsorgenden Fertigprodukte-Liebhabers, der umgangssprachlich Prepper genannt wird. Auch deswegen bleibt die ebenfalls von unserem lieben Gast mitgebrachte Soljanka erst einmal für gut.

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Bericht aus Bulgarien (285) – “Optima statt Hakle”

Ausgerechnet DER Hersteller von Toilettenpapier Hakle in der Heimat hat Insolvenz angemeldet. Laut unserem Wirtschaftsminister geht Hakle aber nicht in die Insolvenz, sondern hört nur auf zu produzieren. Insolvenz wird demnächst ein Wort wie Verschwörungstheorie sein. Man vergisst es besser gleich. Zum Glück bin ich in Bulgarien, wo ich gerade das Toilettenpapier von Optima für mich entdeckt habe. Vier Rollen, dreilagig für 1,69 Lewa. Dazu nicht parfümiert, wie das allermeiste Toilettenpapier in den Schluchten des Balkans. Farblich ist es auch schön gestaltet, und zwar grau. Es erinnert mich an dass DDR-Toilettenpapier, was allerdings härter war. Das Toilettenpapier von Optima ist weicher und zugleich stabiler. Fast ein Wunder. Vor allem gefällt mir aber das grau. Es ist, wie so vieles in diesen Tagen, ein Zeichen, so denke ich. Und zwar ein Zeichen dafür, wohin die Reise geht. In Bulgarien hat man das schon begriffen, ist man der Zeit mal wieder voraus. Und das, obwohl das kleine Rand am Rand derzeit keine gewählte Regierung hat, sondern nur eine amtsführende. – Oder vielleicht gerade deswegen.

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Bericht aus Bulgarien (284) – “After The Schwab Fall”

“Kloschüsseln zu Blumenschalen”
Gestern sind wir mir meinem englischen Freund Jerry, der am liebsten Deutscher wäre, und seinem Allradbetriebenen Lada “Niva” in die Berge gefahren. Die Frage, ob man ein solch russisches Auto noch fahren darf, konnte Jerry nicht abschließend beantworten, aber immerhin insoweit, dass er bisher keine Schwierigkeiten gehabt habe deswegen in Bulgarien. Später kamen wir auf diesen Artikel im englischen Guardian zu sprechen, aus dem wir erfahren hatten, wie sich Milliardäre auf die bevorstehende Apokalypse, also “After The Schwab Fall”, vorbereiten. Da saßen wir schon im “Fish&Chips”, einem Geheimtip-Restaurant Jerrys in den Schluchten des Balkans. Auf dem Gang zur Toilette bemerkte ich obige mit Blumen bepflanzte Kloschüssel, bei deren Anblick ich erst zu mir und dann später zu Jerry sagte, dass genau so “After The Schwab Fall” für den kleinen Mann aussehen könnte. Praktisch das “Stahlhelme zu Kochtöpfen” des 21. Jahrhunderts. Mit “After The Schwab Fall” ist die Zeit nach dem Great Reset gemeint. Eine Ära, in der, geht es nach dem größten Denker nach Karl Marx Klaus Schwab niemand mehr etwas besitzen wird, nicht einmal eine eigene Kloschüssel, weil alles allen gehört, auch die Frauen, so wie die Kommunisten das am Anfang geplant hatten, und trotzdem glücklich sind. Geht es nach meinem englischen Freund Jerry, heißt das Motto auf englisch: “I own nothing, I know nothing and I’m happy”. Übrigens auch ein Grund für unseren gestrigen Ausflug, denn Gefahr für den privaten Besitz eines Lada “Nivas” könnte nun auch von Schwabs Jüngern drohen und nicht nur von der für den Frieden frierenden weil Russland ruinieren wollenden Annalena B.. Nicht nur Lada “Niva” werden dann weniger gebraucht, sondern auch Kloschüsseln. Zu einem Bunker für alle, wie Klaus Schab ihn wie die eingangs erwähnten Milliardäre für sich alleine hat, wird es wohl nicht reichen. Für uns gibt es keine privaten Bunker, wir müssen uns mit gemeinsamen Wärmestuben zufrieden geben, dafür aber mit Maske und gemeinsamem Klo, weswegen keiner von uns mehr seine heimische Toilette braucht. In Anlehnung an “Stahlhelme zu Kochtöpfen” wird später, also nach “After The Schwab Fall”, dies mit “Kloschüsseln zu Blumenschalen” umschrieben werden.

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Bericht aus Bulgarien (283) – “Kommst du nach Spa”

Ein intaktes Dach überm Kopf und Holz vor der Hütte
Prioritäten in Bulgarien

Gestern hatte mein Nachbar Geburtstag, und wir waren eingeladen, auch mein Besuch aus Deutschland: Joachim aus Bremen (sein Spitzname ist Achim), gerade unser Gast. Seit meinem ersten Artikel “Bulgarien – die große Freiheit” auf “Multipolar” ist er nicht nur ein Unterstützer meiner Arbeit, sondern sind wir auch Freunde. Mein Bürgermeister Emil (sein Spitzname ist Emu) war auch eingeladen und ein Paar aus Sofia, das auch englisch sprach. Natürlich wollte man wissen, was Joachim macht. Joachim ist Professor, der andere Professoren ausbildet. Zumindest habe ich das so erzählt. Das mit dem Professor macht man so in Bulgarien. Jeder, der lehrt, ist Professor hier, so wie jeder, der einem Handwerk nachgeht, ein Maistor ist. Der Unterschied zu Deutschland ist, dass Joachim nicht lehrt, sondern lernen lässt. Das ist sozusagen die höhere Schule des Lehrens, und das probierte er auch gleich bei meinem Bürgermeister aus. Er erzählte ihm, dass es irgendwo in Italien einen Ort gibt, in den wurzellose Städter kommen und für ein halbes Jahr zum Nulltarif Leben und Arbeiten können, mit dem Ziel, dass sie vielleicht dort bleiben und Wurzeln schlagen. Meinem Bürgermeister hat die Idee sogleich sehr gut gefallen. Auch er fände es gut, wenn mehr Menschen in unser Dorf kämen. Er tut auch schon viel, beispielsweise ein Fussballfeld anlegen oder einen Malnachmittag mit hiesigen Künstlern organisieren, damit insbesondere die Kinder sich nicht langweilen, wenn sie für ein paar Tage aus Sofia oder gar aus dem Ausland in das Dorf zurückkehren, in dem ihre Eltern einst geboren und groß geworden sind. Die kommen auch, weil sie noch Häuser im Dorf haben, um die sie sich kümmern müssen, wenn nicht auch sie verfallen sollen wie viele Häuser im Land. Bei unserem gemeinsamen Rundgang später durchs Dorf haben Joachim und ich beispielsweise ein leer stehendes Haus mit nagelneuen Fenstern gesehen, von dem jetzt das Dach in Auflösung begriffen ist. Bei vielen Häusern liegt Brennholz vor der Tür, dessen Preis sich im Vergleich zum letzten Jahr verdoppelt hat, und das klein gemacht werden muss, will man damit im bevorstehenden Winter sein Haus beheizen. Leer stehende Häuser ohne Holz vor der Tür gibt es auch genug in unserem Dorf. Die meisten von ihnen verfallen oder sind bereits in sich zusammengefallen. Und das ist genau das Problem meines Bürgermeisters, der sich wie erwähnt freuen würde, wenn mehr Leute in unser Dorf kämen, denen er auch freie Kost und Logie anbieten würde, zumindest für die ersten sechs Monate, wenn er es könnte. Im Moment hat er einfach nicht die Möglichkeit dafür. Aber vielleicht findet er sie, nachdem mein deutscher Freund und Professor Joachim gestern angefangen hat, auch ihn lernen zu lassen. Eine Idee hat mein Bürgermeister von mir gratis bekommen, die er heute schon umsetzen will. Und zwar ist mir als Comercial-Guy aufgefallen, dass unser Dorf mit Spa beginnt. Wenn man diese drei Buchstaben groß, also S P A, beispielsweise auf ein T-Shirt schreibt und darunter klein chevtsi, dann ist das nicht nur eine tolle Reklame für unser Dorf, sondern auch eine geniale Geschäftsidee. Mein Bürgermeister wollte sich wie gesagt gleich um die T-Shirts kümmern, und vielleicht kann er von den Einnahmen auch bald Leute für ein halbes Jahr zu uns aufs Dorf einladen. Das war zumindest sein Plan nach der ersten “Lernen lassen Lektion” meines Freundes und Professors aus Bremen auf der gestrigen Geburtstagsparty meiner Nachbarn. Dass mit dem SPA-Dorf ist auch nicht übertrieben, sondern im Gegenteil. Unser Dorf Spanchevtsi mit seiner eigenen Mineralquelle, an der täglich viele Menschen halt machen und ihre oft unzähligen mitgebrachten Flaschen mit Mineralwasser aus Spancevtsi auffüllen, ist landesweit bekannt, unter Insidern auch als Kurort vom offiziell anerkannten Kurort Varshets mit seiner über 170-jährigen Tradition nicht nur zu Füßen des Balkangebirges, sondern auch zu Füßen unseres Dorfes. Da ich meinen Bürgermeister jetzt viele Jahre kenne, halte ich es sogar für sehr wahrscheinlich, dass er sich noch heute um die die SPA-T-Shirts kümmert. Wer Interesse an dem Angebot hat, für sechs Monate in unser Dorf zu kommen, auch weil die Situation in der Heimat sich immer mehr zuspitzt, sollte nicht lange überlegen und mich möglichst umgehend kontaktieren, bevor alle Plätze gleich wieder vergeben sind.

Foto&Text TaxiBerlin