Über die Fähigkeit, auf den rechten Weg zu kommen

Es ist eine legendäre Rede, allerdings eher im zweifelhaften Sinne. Heute sagt man, glaube ich, „umstritten“ dazu. Aber eben nur in der Form. Dylan scheint betrunken zu sein, vielleicht hat er auch andere Drogen genommen. Er erinnert mich mit seinem Auftritt an Fahrgäste in meinem Taxi. Dort habe ich gelernt, mehr auf den Inhalt und nicht so sehr auf dir Form zu achten. Und da erscheint es mir wichtig, gerade auch in unseren Tagen, genau hinzuhören, was Bob Dylan am 25. Februar 1991 beim Erhalt eines Grammys für sein Lebenswerk zu sagen hatte. Die Laudatio hielt niemand Geringerer als Jack Nicholson
Also (…) mein Vater, er hat mir nicht viel hinterlassen, er war ein ganz simpler Mann. Er hat immer gesagt: ‚Sohn‘ (lange Pause), also (…) er hat so viele Sachen gesagt (das Publikum lacht). Mein Vater sagte: In dieser Welt kann man so leicht verdorben werden, dass sogar deine Eltern dich verstossen. Und wenn das passiert, dann wird Gott dafür sorgen, dass du die Fähigkeit behältst, auf den rechten Weg zu kommen. Danke
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Bericht aus Bulgarien (494) – „Ich als Fotograf“

In den Schluchten des Balkans

Ein Landsmann, der seit eineinhalb Jahren in Bulgarien lebt, hat mich kontaktiert und gefragt, ob ich Fotos von ihm machen könne. Er war durch meine neue Seite und da durch meine Dienstleistung auf mich aufmerksam geworden. Gestern kam er zusammen mit seinem Freund vorbei. Auch er ein Deutscher, der ebenfalls seit anderthalb Jahren hier lebt. Beide sind sie, so wie ich, vor dem Corona-Wahnsinn in der Heimat geflohen. Sie fühlen sich wohl in Bulgarien, sind von den echten und authentischen Menschen angetan. Mein Freund Dietrich hätte sie vermutlich „dreidimensional“ genannt. Ich sage einfach nur „normal“ zu ihnen. Früher habe ich, kam ich aus Amerika zurück und war in der Berliner Ringbahn auf dem Weg nach Hause, gesagt: „Endlich normale Leute!“. Leider kann man das selbst über die Berliner heute nicht mehr sagen. Dafür über die allermeisten Bulgaren. Doch zurück zur Fotosession. Die fand an Wasserfällen statt, die die beiden alleine vermutlich nicht gefunden hätten. Obwohl das Wetter seit einigen Tagen fast Frühlingshaft ist, ist das Wasser, das vom Balkan-Gebirge kommt, natürlich kalt. Trotzdem ist einer von den beiden ins Wasser gestiegen, und ich habe ihn fotografiert. Knapp 1.000 Fotos sind dabei entstanden. Darunter viele sehr schöne von einem nackten Deutschen in kaltem Gebirgs-Wasser umgeben von unberührter Natur bei schönstem Sonnenschein. Im Hintergrund sah man die schneebedeckten Gipfel des Balkangebirges. In den vier Stunden, die die Fotosession dauerte, waren nur wir an den Wasserfällen. Es gibt kaum noch Bulgaren in Bulgarien. Sind ja alle im Ausland auf der Suche nach dem Glück. Haben sie es gefunden? – Wir haben es.

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Bericht aus Bulgarien (493) – „Beten hilft“

Als ich noch Taxi in Berlin gefahren bin, habe ich Sonntags öfters Serdars Sendung auf RadioEins dabei gehört. Ich sage es gleich am Anfang: Ich bin kein Fan von Serdar – im Gegenteil. Seine Sendung habe ich mir angehört, weil ich schon damals dialektisch gedacht habe. Ich hab mir gedacht, dass auch ein Serdar sich verbessern kann. Ich habe Serdar also nie aufgegeben, sondern ihn in meine Gebete eingeschlossen. Meine Gebete wurden erhört. Serdar ist besser geworden, hat dazu gelernt. Ein Fan von ihm bin ich deswegen immer noch nicht. Aber immerhin sehe ich ihn ihm ein Beispiel dafür, dass man auf den rechten Weg zurückfinden kann, auch wenn man zuvor verkehrt abgebogen ist. Ich sage das auch als Taxifahrer, der sich selbst nach vielen Jahren auf den Berliner Straßen immer noch verfahren hat.
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Bericht aus Bulgarien (492) – „Keine Gewalt!“

Am 21. April 2021 im Berliner Tiergarten

In den letzten Tagen habe ich mit einigen Menschen in der Heimat gesprochen, Freunde und Bekannte. Viele meiner Gesprächspartner hatten nicht nur das „Manifest für den Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer unterschrieben, sondern wollen auch zur großen Friedensdemonstration am 25. Februar um 14 Uhr ans Brandenburger Tor gehen. Die allermeisten würden damit zum ersten Mal seit langem wieder auf eine Demo gehen. Bisher haben sie still gehalten, aber nun scheint ihre Schmerzgrenze erreicht zu sein. Sie lassen sich auch nicht länger vom Argument der angeblichen Kontaktschuld beeindrucken. Schon gar nicht, wenn es von Herrschenden mit Stockholm-Syndrom kommt, die sich mit den Zerstörern unserer aller Infrastruktur ins Bett legen. Das ist ungefähr so, als würde man mit seinem Vergewaltiger schlafen. Was die Demonstration angeht, kann ich nur jeden ermutigen, hinzugehen und sich sein eigenes Bild zu machen. Ich war auf vielen Demonstrationen, sowohl in Berlin, als auch in Sofia. In Sofia habe ich mich immer sehr sicher gefühlt, im Gegensatz zu Berlin. Dort habe ich mitgeholfen, die Polizei vor linken Provokateuren zu schützen. Die Provokateure waren junge Männer in szenetypischer schwarzer Kleidung, die Masken trugen, was sonst keiner tat. Dass es nicht zu Provokationen ihrerseits kam, lag daran, dass wir „Keine Gewalt!“ skandierten. Wer ’89 auf der Straße war, kann sich an das damals bekannte Motto erinnern. Die jungen Provokateure von heute kannten es offensichtlich nicht. Sie waren so überrascht, dass sie nicht mehr zum Provozieren kamen. Die Polizisten gingen trotzdem mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten vor (Foto), selbst wenn diese zuvor „Keine Gewalt!“ skandiert hatten und ihnen damit aus der Patsche geholfen haben. Trotzdem kann ich das Motto auch für die große Friedensdemonstration am Brandenburger Tor empfehlen: „Keine Gewalt!“

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Bericht aus Bulgarien (491) – „Deutsche Weicheier“

„Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“
Antikriegsdemonstration am 11. Mai 2022 in Sofia / Bulgarien
Was müssen sich die Deutschen gerade wieder anhören? Dass sie Weicheier seien! Auf Typen wie Robert Habeck mag das zutreffen. Im Interview mit Sandra Maischberger sagte er, dass er weder kämpfen noch sterben muss an der Ostfront. Aber du bist doch nicht so eine Null wie Habeck, oder? Ich an deiner Stelle würde es mir nicht gefallen lassen, ein Weichei genannt zu werden, schon gar nicht von einem Ausländer. Nein, ich würde das Gegenteil beweisen wollen. Nur wie? Wahrscheinlich indem ich mir eine Waffe nehmen würde und an der ukrainischen Front kämpfen würde, wo gerade mal wieder unsere Freiheit verteidigt wird.
Zum Glück bin ich jetzt Bulgare. Melnyks Auslassungen Richtung Deutschland und den Deutschen lassen mich völlig unbeeindruckt. Die Bulgaren haben 500 Jahre lang die Osmanen ausgehalten. Dagegen ist der ukrainische Vizeaussenminister Melnyk eine historische Luftnummer. Als in Bulgarien lebender Bulgare erlaube ich mir den Herrschaften Moreno und Melnyk folgendes mit auf den Weg zu geben:
Auch wenn Juan Moreno Claas Relotius als Spiegel-Lügenjournalist enttarnt hat, ist der Titel „Moreno + 1“ für seinen Podcast selbstverliebt und unangemessen. Moreno sollte wissen, dass er lediglich Journalist ist, der Interviews führt und mehr nicht. Dem ukrainischen Vizeaussenminister und ehemaligen Botschafter in Berlin muss erwidert werden, dass nicht die Deutschen für die Ukraine den Krieg gewinnen werden, ganz einfach weil das nicht ihr Krieg ist. Melnyk ist gut beraten, endlich Friedensverhandlungen aufzunehmen statt weiter Hasspredigten zu halten.
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Bericht aus Bulgarien (490) – „Unser Rumen“

Wie überall, so gibt es auch hier das Extreme:
„Gott, gib mir die Kraft, ausreichend Bulgare zu sein!“*

Früher sagten die Menschen gerne zu ihrem Liebsten „meiner“, auch „das ist meiner“ habe ich gehört. Der ein oder andere erinnert sich, auch wenn er es selbst nicht praktiziert hat oder davon betroffen war so wie ich. In Bulgarien passiert es, dass ich als „unser“ bezeichnet werde, was auf bulgarisch „nash“ oder „nashijat“ („наш“ или „нашият“) heißt. Früher geschah es, wenn ich sagte, dass ich aus der DDR, also aus einem „Bruderland“, komme. Hintergrund war aber auch damals schon, dass ich einen typisch bulgarischen Namen habe. Da ich weder in Bulgarien geboren noch aufgewachsen bin, werde ich heute „Der Deutsche“ oder „Rumen, der Deutsche“ genannt. Jetzt, wo ich hier lebe, wird dem gerne „unser“ hinzugefügt, also „unser Rumen, der Deutsche“. – Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wollen und müssen immer irgendwo dazugehören, und zwar zu etwas realem. Wir sind nicht diese Einzelwesen im Metaverse, wie es beispielsweise ein Mark Zuckerberg als Vertreter des neoliberalen Individualismus immer gerne behauptet. Wir sind auch keine kapitalistischen Einzelkämpfer, wie ich es als Berliner Taxifahrer lange Zeit war. Nun zum Bulgaren dazuzugehören, ist nicht das schlechteste, so denke ich. Auch hier gilt die bulgarische Devise: Es hätte schlimmer kommen können.

* Ich wurde darauf hingewiesen, dass die korrekte Übersetzung ist: „Gott, gib mir die Kraft, ein würdiger Bulgare zu sein!“ – Vielen Dank dem Leser für den Hinweis!

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Bericht aus Bulgarien (489) – „Straßen- und Häuserkampf“

Bei mir gegenüber
Erfahre gerade, dass die Straßen in Bulgarien und Rumänien die gefährlichsten sind, die sichersten dagegen die in Schweden und Dänemark. 78 Verkehrstote pro eine Million Einwohner hat es 2022 in Bulgarien gegeben. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt sind es 46 Menschen, in Schweden sterben sogar nur 21 pro eine Million durch Verkehrsunfälle. Noch schlechter ist die Situation in Rumänien mit 86 Opfern pro eine Million Einwohner. Der Straßenkampf hat, wenn man so will, auf dem Balkan schon begonnen. Als nächstes wäre normalerweise der Häuserkampf angesagt, also der Kampf um jedes Haus. Der ist in Bulgarien, wo jedes zweite Haus verfällt oder bereits in sich zusammengefallen ist, allerdings schon verloren. – Jetzt zu etwas völlig anderem, aber nur auf den ersten Blick. Der heutige 21. Februar ist auch der „Welttag der Reiseführer“. Ich selbst war viele Jahre Stadtführer für Berlin und Potsdam, habe individuelle Stadtrundfahrten im Taxi durch die deutsche Hauptstadt angeboten. Jetzt führe ich durch die Schluchten des Balkans, und das sicher. Der Zusatz „sicher“ bekommt durch obige Zahlen eine ganz neue Bedeutung. Dass ich mich unter anderem auf verfallende und verfallene Häuser spezialisiert habe, ist in diesem Kontext nur folgerichtig.
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