Am Samstag in der Rakowskistraße

In der Rakowskistraße in Sofia wohnte einst meine Oma. Immer wenn ich in der Rakowskistraße bin, muss ich an den Winter vor 50 Jahren denken, als ich sie zusammen mit meinem Vater für zwei Monate besuchte. Am Samstag war ich wieder in der Rakowskistraße, diesmal am anderen Ende. Dort befindet sich der Glaspalast der Europäischen Kommission. Ein wenig habe ich mich wie an einem Filmset gefühlt. Wohl auch, weil das, was so aussieht wie Blut im Gesicht und auf der Kleidung der Polizisten, kein richtiges Blut sondern rote Farbe war. Manch einer hatte die aggressiv riechende Farbe auch ins Auge bekommen und musste behandelt werden. Laut offiziellen Angaben wurden zehn Polizisten verletzt – verletzt mit Farbe. Über die Gründe, warum mit roter Farbe gefüllte Eier auf den Sitz der Europäischen Kommission in der Rakowskistraße geworfen worden, weshalb darüber hinaus Fensterscheiben eingeschlagen und wieso sogar Brandsätze auf den Eingang des Gebäudes geworfen worden, habe ich in diesem Artikel geschrieben. Wie bereits erwähnt, war ich vor 50 Jahren auch im Winter in der Rakowskistraße. So etwas gab es damals nicht, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Aber was weiß ich schon, ich war schließlich Kind und meine Oma wohnte am anderen Ende der Straße gegenüber einer großen Kirche.

Hintergrund „unerhörter Szenen in Sofia“

Sitz der Europäischen Kommission in Sofia am Samstag

Beim letzten Mal waren es noch rohe Eier, am Samstag waren es mit roter Farbe gefüllte Eier, die auf den Glaspalast der Europäischen Kommission in der Rakowskistraße geworfen wurden. Einige Kleidungsstücke bekamen etwas Farbe ab, beispielsweise auch mein linker Schuh. Mancher hatte auch Farbspritzer im Gesicht oder gar im Auge. Darunter die zehn Polizisten, die offiziell als verletzt gemeldet wurden. Offiziell festgenommen wurden sechs Demonstranten, und zwar die, die genauso viele Scheiben eingeschlagen hatten. Jetzt nicht mit Eiern, sondern mittels Hammer. Die auf den Eingang geworfenen Brandsätze mussten nicht extra gelöscht werden, sondern gingen von alleine aus. Feuerlöscher kamen nicht zum Einsatz. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich auf X empört über die „unerhörten Szenen in Sofia“. – Im Sommer 2023 soll sie noch gebeten haben, nicht zitiert zu werden, und zwar mit dem Versprechen „Ich werde versuchen Dir zu helfen“. Das Versprechen, das sie dem damaligen Ministerpräsidenten Kiril Petkow gegeben haben soll, soll „Kreativität“ bei der Interpretation der Euro-Kriterien beinhaltet haben, um Bulgarien den Weg in die Eurozone zu ebnen. Es stellt sich die Frage: „Wollte Ursula von der Leyen Bulgarien in die Eurozone schleusen?“, obwohl das Land nicht die Kriterien erfüllte und vermutlich bis heute nicht erfüllt. – Eine aktuelle Umfrage ergab, dass 57 Prozent der Bulgaren gegen die Einführung des Euros sind. Es wurden auch schon mehr als 600.000 Unterschriften für ein Referendum gesammelt. Damit es nicht so weit kommt, dass der Souverän entscheidet, werden Volksbefragungen besser verboten in Bulgarien. – In Schweden ist das Gegenteil der Fall. Das Land, das alle Kriterien erfüllt, hätte längst den Euro einführen müssen. So sieht es der Vertrag von Maastricht vor. Bevor man ihn einführt, soll eine Volksbefragung abgehalten werden. Da man eine solche Volksbefragung bisher nicht durchgeführt hat, muss Schweden den Euro nicht einführen.

Eingang zum Gebäude der Europäischen Kommission (mit Brandsatz)

Deutschland wählt den Wahnsinn

Obige Aufnahme entstand am Samstag in Sofia auf dem Protest gegen die Einführung des Euros in Bulgarien, an dem auch Linke teilgenommen haben. Einer von ihnen schwenkte die DDR-Fahne, die mich sogleich an Deutschland denken ließ, wo der Wahnsinn weiter geht: Zurück in die Zukunft mit Angela Merz & Friedrich Scholz ohne Olaf Habeck. – Die Depression muss wirklich tief sitzen.

Bulgarien sagt Nein zum T€uro

57 Prozent der Bulgaren haben kein Bock auf den T€uro. Und trotzdem soll er eingeführt werden. Eine Volksbefragung darüber darf und und soll es nicht geben. Das haben Volksvertreter, wohl eher „Volksvertreter“, hier in Bulgarien beschlossen. Was sagte neulich noch jemand in Deutschland: Wenn Sie Angst vor ihrem eigenen Volk haben, kann Ihnen niemand mehr helfen. Ich habe lange überlegt, an wen mich diese Worte erinnern. Jetzt ist es mir eingefallen. Sie klingen nach Michail Gorbatschow: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Übertragen auf Bulgarien, wo heute ein Protest von mehreren tausend Menschen gegen die Einführung des T€uros stattfand: Wenn die Volksvertreter nicht mehr das Volk vertreten, bleibt dem Volk nichts anderes übrig, als sich selbst zu vertreten. Oder man geht den deutschen Weg: In die Depression oder in den Wahnsinn.

Schatten voraus werfen

Nächste Woche werde ich wieder Becky bei mir haben, die Hündin meines englischen Freundes Jerry, der am liebsten Deutscher wäre. Darauf freue ich mich schon, und so wie es aussieht auch der Sessel, auf dem Becky neulich noch saß. Sein Schatten erinnert mich bereits an sie.

Kobra mit Trompete

Am Mittwoch war ich in Montana zum Klassik Konzert. Es gab unter anderem Dvoraks „Aus der Neuen Welt“. Ein klein wenig habe ich mich auch wie in einer neuen Welt gefühlt, auf jeden Fall in einer anderen. Im Foyer zum seit Konzertsaal, an dem seit sozialistischen Zeit nichts gemacht wurde, gab es – aus welchen Gründen auch immer – eine Schlangenausstellung. Die meisten der Schlangen waren giftig wie obige Kobra. Sie brachte es auf ganze drei Totenköpfe bei der Beschreibung. Im Hintergrund kommt gerade der Trompeter aus dem Konzertsaal, der sich und sein Instrument auf das Konzert einstimmt. Die Kobra ließ das völlig kalt. Normalerweise tanzen Schlange nach Musik. Hier in Montana war es nicht so. Ich vermute, dass es am Instrument lag. Die Trompete ist nämlich nicht das richtige. Man braucht dazu eine spezielle Kobra-Tanz-Flöte.

Letzte Chance für heiße Krieger

Aktuelles Graffito vor dem dem ZUM in Sofia, das KaDeWe Bulgariens

Was in Deutschland „FCKAFD“ ist, ist in Bulgarien „FCKWAR“. Der klassische bulgarische Autor Aleko Konstantinow, dessen Bücher ich auf Deutsch herausgebe, würde vermutlich sagen:  “разни хора, разни идеали” – “Unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Ideale”. Was den Ukrainekrieg angeht, hält man es hier in Bulgarien mit „Nicht schon wieder Ostfront!“. Den heißen Kriegern in der Heimat, von denen es noch so einige geben soll, rufe ich aus den Schluchten des Balkans zu: Macht Euch auf den Weg, bevor es zu spät ist, sonst droht Frieden!