Unweit der Ferienwohnung meines bulgarischen Freundes befindet sich der Geburtstort von Aristoteles, den ich heute aufgesucht habe. Bevor ich dazu komme, rasch ein paar Worte zu Griechenland, wo ich das letzte Mal vor gut zehn Jahren war, und damals auch nur durchgefahren bin auf meinem Rückweg von der Türkei. Gerade ist Nachsaison und dementsprechend ruhig ist es vermutlich nicht nur hier im Norden, in Mazedonien. Alle sind sehr freundlich und hilfsbereit, was ich gar nicht gewohnt bin. In meiner Region im Nordwesten Bulgariens haben die meisten Menschen chronisch schlechte Laune, so wie in Berlin. Nicht hier, was auch an der gerade zu Ende gegangenen Saison liegt, die sehr gut gewesen sein soll, wie mir ein Einheimischer versicherte. Die Preise sind mehr oder weniger wie in Deutschland, oder mit anderen Worten: alles ist praktisch doppelt so teuer als in Bulgarien.
Mein LBB (Long Bacillus Bulgaricus) ist völlig symptomlos. Theoretisch und auch praktisch bin ich gesund. Das Anbringen der Schilder mit der Bitte um RUHE in deutscher Sprache war also gar nicht nötig. Ich muss auch nicht um fünf Uhr aufstehen und mit einem Badetuch meine Liege reservieren, wie das Deutsche gerne machen. Das liegt nicht daran, dass ich nur halber Deutscher bin, sondern dass ausser mir niemand hier ist. Und somit auch kein Arzt, der herausfinden könnte, was ich habe. Denn heutzutage gibt es keine gesunden Menschen mehr. Wer sich heute noch gesund wähnt, ist nur noch nicht richtig untersucht worden.
Foto&Text TaxiBerlin
Foto&Text TaxiBerlin
Ich erfahre gerade vom ehemaligen Nachrichtenmagazin, dass wieder Tausende Ostdeutsche gegen die Energiepolitik der Bundesregierung demonstrieren. Warum man in Hamburg über Randgruppen berichtet ist unklar, denn das Innenministerium kündigt genaue Zahlen erst für Dienstag, also für heute, an, wie ich aus dem zweiten Absatz erfahre. Dies bedurfte offensichtlich einer Wiederholung, denn im vierten Absatz erfahre ich noch einmal, dass die Polizei genaue Zahlen zu den Teilnehmern am gestrigen Abend nicht nannte. Nichts genaues weiß man also nicht – vielleicht das wichtigste Merkmal von Haltungsjournalisten überhaupt. Bloß nichts wissen, dafür aber immer die richtige Haltung haben. Trotzdem wird es noch interessant, denn der folgenden Satz beginnt mit “Allerdings”, wobei für mich als Leser zunächst unklar ist, worauf sich dieses “Allerdings” bezieht. Auf die Teilnehmerzahl kann es sich nicht beziehen, denn die ist – wie ich mehrfach erfahren musste – nicht bekannt. Beim Lesen des ganzen Satzes: “Allerdings seien die Proteste weitestgehend ruhig verlaufen, sagte ein Polizeisprecher in Sachsen.” wird klar, dass sich “Allerdings” auf “ruhig verlaufen” bezieht und ein Bedauern des Haltungsjournalisten, sein Name ist nicht angegeben, zum Ausdruck bringt. Ehrlicher wäre gewesen, er hätte “leider verliefen die Proteste friedlich” geschrieben. Denn der Wunsch des Haltungsjournalisten war offensichtlich ein anderer, vermutlich das Gegenteil von “ruhig”. Ihm kann dies persönlich auch egal sein, er war sowieso nicht vor Ort beim Protest. Immerhin gibt es die deutsche Sprache, die immer mit im Spiel und darüber hinaus so genau ist, dass sie den enttarnt, der sie nicht richtig beherrscht – den Haltungsjournalisten.
Foto&Text TaxiBerlin
Bereits als Achtjähriger war ich im Machtdreieck von Sofia zu hause. Es gibt Fotos von mir vor obiger Volksversammlung zusammen mit einem gleichaltrigen bulgarischen Mädchen. Da es Winter war, tragen wir dicke Wollmäntel und Fellmützen auf dem Kopf. Das ist fast 50 Jahre her. Jetzt berichte ich für die “Epoch Times” von den Wahlen in Bulgarien. Seit kurzem ist meine Wahlberichterstattung auch online nachzulesen. Am Samstag gab es sie bereits als Printausgabe zu kaufen. Dort sogar mit den Interviews, die ich mit Nichtwählern geführt habe. Es ist bereits der zweite Artikel, den ich für die “Epoch Times” geschrieben habe. Mein erster Artikel beschäftigt sich auch mit der Wahl, ist aber vor ihr geschrieben und veröffentlicht worden. Auch wenn es wie zu befürchten keine Regierung geben wird in Bulgarien, steht der Winter vor der Tür. Bereits im letzten Jahr habe ich mich mit Wintermänteln eingedeckt. Im Second-Hand habe ich für drei Lewa (1,50€) drei Wollmäntel bekommen. Ein wenig Holz zum Heizen habe ich auch, und zum Kochen noch eine gefüllte Gasflasche in Reserve. Im Notfall trinke ich Wassersuppe (Wasser gibt es am Dorfbrunnen gratis) und ziehe die drei Wollmäntel übereinander. Ich denke, ich bin gut vorbereitet auf das Kommende.
Foto&Text TaxiBerlin
Ende September, genau war es der 28., ich hatte hier darüber berichtet, war ich zu einer Veranstaltung des “Ost-West-Verlages” in Sofia, zu der der Historiker David Engels eingeladen war, dessen Bücher mein Freund Martin ins Bulgarische übertragen hat. Unter den knapp 50 Besuchern der Veranstaltung waren viele junge Bulgaren, die bis vor kurzem noch in Deutschland oder Österreich gelebt hatten und dementsprechend Deutsch sprachen. Nach der Veranstaltung unterhielt ich mich mit einem jungen Mann, der zuvor 13 Jahre in Regensburg gelebt hatte und im November nach Bulgarien zurückgekehrt war, weil er es in Deutschland nicht mehr ausgehalten hat. Wie ihm geht es einige Bulgaren insbesondere in den beiden deutschsprachigen Ländern, in denen die Corona-Regen besonders streng gehandhabt bzw. von den Bewohnern besondern gerne befolgt werden. Meinem Gesprächspartner wurde schnell klar, dass man sowohl in Deutschland als auch in Österreich dabei ist, den gesunden Menschenverstand zu verlieren. Die Rückkehr nach Bulgarien fiel dem jungen Mann nach 13 Jahren in Deutschland nicht leicht, aber es blieb ihm keine andere Wahl. Immerhin hat er noch Familie in Bulgarien. Das habe ihm geholfen, und auch ein Artikel, den er Ende Dezember gelesen hatte und in dem jemand von Deutschland nach Bulgarien gegangen war. Dieser habe ihm aus dem Herzen gesprochen. Spätestens als er das sagte, wurde mir klar, dass er von meinem Beitrag “Bulgarien – die große Freiheit” sprach. Der junge Mann war mindestens genauso überrascht, dass er gerade mit dem Autor genau dieses Beitrages sprach, wie ich überrascht war, mit einem Leser meines Beitrages zu sprechen. Immerhin, es war nicht meine Veranstaltung, sondern die von David Engels. Unser Aufeinandertreffen war also absolut zufällig. Und das ist es auch, was ich jedem Autor und auch Schriftsteller wünsche. Dass er mit seinen Lesern spricht, ohne dass diese wissen, dass er der Autor ist, dessen Bücher sie gelesen haben.
Foto&Text TaxiBerlin