Bericht aus Bulgarien (416) – “Hipster trifft Zigeuner”
Mein Dorf Spa wird unter Insidern auch der Kurort vom Kurort genannt, womit das Nachbarstädtchen gemeint ist. Kurort ist auch in Bulgarien das Wort für Kurort, wobei hier wiederum nur Insider wissen, dass Kurort aus dem Deutschen kommt. Im Kurort nebenan gibt es neben vielen Hotels und Pensionen auch das Gästehaus “Berlin”, was sich über dem Café “Berlin” befindet. Im Café “Berlin” habe ich mir früher immer mein Frühstück gekauft, eine Banitsa mit Boza. Das ist jetzt einige Zeit her. Bevor auch dort vor einem Jahr alles teurer wurde, war zuvor schon die Qualität der angebotenen Speisen schlechter geworden. Einfach deswegen, weil sich gute Qualität kaum noch jemand leisten kann. Das ist wie mit dem mit Palmfett versetzten Schafkäse aus Kuhmilch, über den ich gestern geschrieben habe. Gleich geblieben ist, dass das Café “Berlin” gerne und zahlreich von Zigeunern frequentiert wird. Für manch einen in Deutschland ist Zigeuner ein umstrittener Begriff, aber nicht für jeden. Beispielsweise nicht für Ralf Bauerdick, der vor jetzt genau zehn Jahren ein Buch mit dem Titel “Zigeuner” geschrieben hat. Auch in Bulgarien ist der Begriff Zigeuner nicht umstritten, genauso wie Gypsy es im Englischen nicht ist. Eine Fremdbezeichnung ist das Wort Zigeuner auch nicht, zumindest nicht in meinem Nachbarort, wo es ein eigenes Zigeuner-Viertel gibt, das so genannte Machala, in dem ich mich vor Jahren nach einem Esel für meine Wanderung umgesehen habe. Ich kenne auch einige Zigeuner aus dem Machala, beispielsweise den Maistor Manol, einer der besten Verputzer in der Region. Maistor Manol hat auch schon für mich gearbeitet. Der Mann ist aber – zu Recht – nicht ganz billig. Ein anderer Zigeuner-Maistor hat mir damals den Gepäcksattel für meinen Esel gebaut, den ich am Ende in meinem Dorf gefunden habe. Auch er ist ein Meister seines Fachs. Maistor Manol habe ich neulich auf dem Basar getroffen. Wir haben kurz gesprochen, es geht ihm gut, er hat wie immer viel Arbeit. Unterhalten haben wir uns auf Bulgarisch, mit seinen Leuten spricht er Zigeunerisch. Auch im Café “Berlin” wird viel Zigeunerisch gesprochen. Manchmal gehe ich genau deswegen noch hin, nur um diese für mich fremde Sprache zu hören. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich mir Berliner Hipster im Café “Berlin” des Nachbarorts vorgestellt habe. Möglich wäre es ja, immerhin ist es ein Kurort und verfügt dementsprechend über Hotels, Pensionen und – last but not least – das Gästehaus “Berlin”. Auch wenn ich keine Werbung für den Nachbarort – und schon gar nicht für mein Dorf – und das dortige Café “Berlin” unter Berliner Hipstern machen möchte, fände ich dieses Aufeinandertreffen – “Hipster trifft Zigeuner” – schon wieder reizvoll. Wenn also irgendein Berliner Hipster nicht nur die Hose auf der Hüfte trägt, sondern in seiner Hose auch noch einen Arsch hat, den er in die Schluchten des Balkans bewegen möchte, so ist er hier auf jeden Fall willkommen.
Foto&Text TaxiBerlin