Was mache ich hier?
Schwarzes Brett am Haus der Jugend in Montana
Dass mich eine Französin gestern beim Klassik-Konzert in Montana für den Dirigenten hielt, lag daran, dass ich mich in Schale geworfen hatte, wie man so schön sagt. In Bulgarien wird, nicht nur auf dem Dorf, ganz klar zwischen Klamotten unterschieden, die man nur zu hause trägt, und Klamotten, mit denen man sich in der Öffentlichkeit zeigt. Ja, es gibt auch hier Menschen, vor allem Männer, die draußen mit Jogginghose unterwegs sind, aber nicht so viele wie in Neukölln. Dass ich mich besonders herausputze, wenn ich raus gehe, liegt daran, dass ich auf dem Dorf wohne, und dort ganz am Rand. Wenn ich mir hier rausputze, sieht das keiner, und wenn doch, dann hält er mich für verrückt. Hinzu kommt, dass ich mich mit meinem englischen Freund Jerry im Wettbewerb um den “Best Dressed Man of Bulgarians North-West” befinde, der ärmsten Region des Landes, wenn nicht gar des Kontinents. Gestern war unser Outfit ziemlich ausgeglichen. Vielleicht war meins sogar besser, weswegen ich und nicht Jerry von der Französin für den Dirigent gehalten wurde. Es kann aber auch daran liegen, dass ich der jüngere von uns beiden bin. Der richtige Dirigent kam übrigens aus Amerika, und das Orchester aus Vidin, der Hauptstadt des bulgarischen Armenhauses. Das war auch der Grund, dass die Musiker nur Noten spielten und nicht wirklich in der Musik waren, die sie machten, und die immer wieder mal “out of tune” war, wie man im englischen sagt. Der Grund dafür hat, das meint zumindest Jerry, durchaus etwas mit der Herkunft der Musiker aus der Stadt Vidin zu tun haben. Die liegt nämlich zwei Stunden von Montana entfernt. Jerry, der selbst Musiker ist, ist sich sicher, dass die meisten Musiker des Vidin Symphonie Orchesters sich bei ihrem Auftritt im Haus der Jugend gestern vor allem eines gefragt haben: “What the f..k I’m doing here?”