
Heute wäre ich fast rückfällig geworden. Jetzt nicht, was den Alkohol angeht, sondern das Taxifahren. Gott sei Dank war gerade keine Schicht frei in den Schluchten des Balkans – irgendwo im bulgarischen Nirgendwo.
Heute wäre ich fast rückfällig geworden. Jetzt nicht, was den Alkohol angeht, sondern das Taxifahren. Gott sei Dank war gerade keine Schicht frei in den Schluchten des Balkans – irgendwo im bulgarischen Nirgendwo.
Bin gerade unterwegs auf der Suche nach deutschen Auswanderern. Es gibt sie, und dass nicht zu knapp. Sie haben Interessantes zu berichten, möchten aber unerkannt bleiben. Ein Phänomen, das auch in der Heimat immer mehr um sich greift. Wer noch eine eigene Meinung hat, möchte nicht erkannt werden, wenn er sie äußert. Was ich sagen kann: Die Landsleute in den Schluchten des Balkans sind topfit, sowohl körperlich als auch im Kopf, obwohl sie oft nicht mehr die Jüngsten sind. Die Jüngeren, also die Mitte 20 bis Mitte 40jährigen, stecken mehrheitlich noch im deutschen Hamsterrad fest. Da keiner vor die Kamera wollte, musste ich auf obiges Foto zurückgreifen, aufgenommen irgendwo im bulgarischen Nirgendwo. Ein Denkmal aus sozialistischen Zeiten mit dem Titel “Der Kampf geht weiter”. Auf ihm ein Storchennest, an dem sich kleinere Vogelnester befinden. Auch wenn der Storch keine Kinder bringt, steht er trotzdem für Fruchtbarkeit – auch bei geistigen Tätigkeiten.
Mein Schreibplatz in der Bulgarischen Eisenbahn
In Bulgarien fahre ich so oft mit der Bahn, dass ich bereits einen eigenen Platz habe, wo mir immer die besten Gedanken kommen. Beispielsweise dieser hier: Donald Trump hat Friedrich Merz als “schwierig” (difficult) bezeichnet. Die Tagesschau hat daraus “er ist nicht ganz einfach” gemacht. Vermutlich, damit es netter klingt. Laut Öffentlich/Rechtlich hat der amerikanische Präsident Merz damit ein Kompliment gemacht. Also ich weiß nicht. Ich finde Friedrich Merz alles andere als schwierig. Ich finde ihn ganz einfach. Allerdings nicht so, wie die Menschen in Bulgarien. Die sind einfach, aber nicht dumm. Friedrich Merz ist nur in dem Sinne einfach, dass er einfach zu durchschauen ist, unser “nicht mein Bundeskanzler” Dr. BlackRock. Generell scheint es mir auch hier wieder alles genau umgedreht zu sein als beim Bulgaren. Zumindest ist das meine Erfahrung. Wenn zum Beispiel ein Deutscher immer wieder betonen muss, und das muss er oft, wie offen er ist, kann man sicher sein, dass er ganz geschlossen ist. Er kann noch so viel gereist sein, sein Weltbild ist meist sehr klein. Reisen verdummt ihn, insbesondere Reisen als Konsum. Was anderes ist es ja am Ende nicht. Darüber hinaus sind meine deutschen Landsleute oft wahnsinnig kompliziert. Einfach, weil sie die einfachsten Zusammenhänge nicht begreifen, nicht begreifen wollen. Kann man deswegen schon von dumm sprechen? Darüber möge sich jeder sein eigenes Urteil bilden. Immerhin reimt es sich: Der Bulgare ist einfach, aber nicht dumm – beim Deutschen ist es andersrum.
Fahrscheine der Staatlichen Bulgarischen Eisenbahn
Wenn ich in Bulgarien mit der Bahn fahren will, gehe ich an den Schalter, mache dort meine Ansage und bekomme daraufhin einen Fahrschein wie oben, den ich in bar bezahle. Bei der Deutschen Bahn ist das anders, zumindest wenn man ein Deutschland-Ticket kaufen möchte und nicht vor Ort ist. Dann braucht man eine App, also ein Smartphone, und darüber hinaus noch einen Computer, um sich anzumelden. Bezahlen geht natürlich nicht in bar, das ist klar. Aber es geht auch keine Überweisung, zumindest in meinem Fall nicht. Da geht nur Kreditkarte. Auf Nachfrage bekomme ich folgende Antwort von der Deutschen Bahn: Ihre Zahlung per SEPA-Lastschriftmandat für die Bestellung in unserem Onlineshop wurde nicht akzeptiert, daher konnte die Bestellung nicht abgeschlossen und kein Ticket ausgestellt werden. Eine Stornierung oder Kündigung Ihrerseits ist nicht erforderlich. Haben Sie weitere Fragen? – Ich denke, nicht. Es ist alles gesagt:
Der Euro (wahlweise auch die Deutsche Bahn) = Der Fahrschein für die Titanic.
Ich schreibe das auch, weil es mich an die Endzeit der DDR erinnert. Dort hat zum Schluss auch nichts mehr funktioniert. Genauso wie heute. Ich sage nur Verspätung, Zugausfälle, einstürzende Brücken etc. … Mit einem Unterschied: Die Leute damals waren elektrisiert. Heute nehme ich meine Landsleute vor allem betäubt wahr.
Die bulgarische Rose ist nicht ganz so bekannt wie der bulgarische Schafkäse, das Schwarze Meer und der Schopska Salata. Vom bulgarischen Rosenöl dürfte der ein oder andere schonmal gehört haben. Irgendwo müssen die Rosen stehen, aus denen es gewonnen wird. Eine steht direkt vor meiner Hütte, wo die bulgarische Rose wild wächst. Dahinter übrigens die wilde Sauerkirschen, die demnächst kommen. Doch zurück zum Rosenöl, einem Muss für jeden Bulgarienreisenden. Vor kurzem habe ich die Abrechnung bekommen für das von mir herausgegebene Buch über einen mobilen Rosenölhändler. Mir sind die Tränen gekommen. Jetzt nicht vom Rosenöl, sondern von der Anzahl der verkauften Exemplare. Dabei wurde kurz vor Weihnachten nochmal Werbung dafür gemacht. So kann es nicht weitergehen! Wovon soll ich leben? Vielleicht von Wasser und Brot? Das mache ich doch schon! OK, so schlecht ist das auch wieder nicht. Weder das Wasser, noch das Brot. Und überhaupt ist Wasser und Brot das Kommende. Andererseits erfahre ich von Menschen in der Heimat, dass sie schon wieder in den Urlaub fahren, als gebe es keinen Krieg in der Nachbarschaft. Gut, die meisten fliegen nach Spanien oder Portugal, auch weil sie Bulgarien und Rumänien nicht auseinanderhalten können. Aber selbst da kann man lesen, am Strand oder auch im Flieger. Was will man da auch sonst machen, die anderen nerven ja sowieso nur. Und die Saison fängt gerade erst an. Gleichzeitig wird die Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer. Bei wieviel Sekunden liegt sie derzeit? Oder sind wir schon bei Millisekunden angekommen? Am witzigsten finde ich die, die immer von einer Auszeit faseln, und dann in dieser angeblichen Auszeit der Welt im Minutentakt wissen lassen, was für sinnlose Sachen sie gerade machen. Für die ist mein Buch nichts. Für den Rest, falls es ihn noch gibt, schon. Es geht wie gesagt um einen mobilen Rosenölhändler und dessen Abenteuer auf seinen Reisen quer durch Europa. In Bulgarien kennt den Typen, sein Name ist Ganju Balkanski – besser bekannt ist er als Bai Ganju, jedes Kind. Wer Bulgarien nicht mit Rumänien auseinanderhalten kann, kennt ihn natürlich nicht. Das ist klar. Die Lektüre ist durchaus auch beim Tanz auf dem Vulkan zu empfehlen. Vielleicht ist es das letzte Buch, das du liest, bevor es endgültig den Bach runter geht. So nah an einem Dritten Weltkrieg waren wir seit der Kubakrise nicht mehr. Für immer mehr Menschen wäre es gleichzeitig das erste Buch. Also das einzige, was sie je gelesen haben. Noch ist Zeit zum Zugreifen. Bestelle gleich jetzt und bevor es zu spät ist “Bai Ganju, der Rosenölhändler”!
“Wir wollen keinen Euro!” & “Schützen wir den bulgarischen Lev” – Nationalistisch?
Meinen Beitrag über die Proteste in Sofia wollte die Berliner nicht haben, da man in der Redaktion bereits an einem Artikel zur aktuellen Situation in Bulgarien arbeite. Heute ist dieser Beitrag erschienen. Ich gehe davon aus, dass es der angekündigte ist. Hier nochmal mein Beitrag. Möge sich jeder sein eigenes Urteil bilden. Eine Sache fällt mir am Beitrag der Berliner Zeitung auf, weswegen ich in Form eines Leserbriefes nachgefragt habe. Die Rede ist von den “nationalistischen Slogans”, die erst als Bildunterschift und später nochmal im Text zu finden sind . Die Autorin der Berliner Zeitung schreibt in ihrem Beitrag: “Die Demonstranten riefen demnach nationalistische Slogans und …” Worauf bezieht sich nun “demnach”? Ich gehe davon aus, dass es sich auf einen verlinkten Artikel von “Novinite” bezieht, obwohl “Novinite” erst danach namentlich erwähnt wird. Demnach (hier ist “demnach” richtig) rief die Menge wiederholt Parolen wie „Rücktritt“, „Mafia“, „Nein zum Euro“ und „Mörder“. Nur, was davon ist ein nationalistischer Slogan? Wie bereits erwähnt war ich am Samstag in Sofia, wo ich Plakate mit Aufschriften wie „Referendum = Freedom“, „Brussels! Are You Blind?“ und „Wir wollen keinen Euro!“ gesehen und diese Slogans gehört habe: „Rücktritt!“, „Referendum!“ und „Wir wollen den Lev!“. Auch hier die Frage: Welcher davon ist nationalistisch? Zu meiner Frage habe ich mir erlaubt in meinem Leserbrief zwei Sachverhalte zu erwähnen, die in dem Artikel der Berliner leider nicht zu finden sind – wohl aber in meinem – und die mir wichtig erscheinen. Zum Einen, dass eine Meinungsumfrage Anfang des Jahres ergab, dass 57,1 Prozent der Bulgaren gegen die Einführung des Euros in Bulgarien sind und nur 39 Prozent dafür. Mit anderen Worten: Die Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen, weswegen sich jetzt auch der Präsident zu Wort gemeldet und die Demokratie in Form eines Referendums angemahnt hat. Zum Anderen die Information, die sich zwar bei “Novinite” findet, aber nicht in der Berliner Zeitung, und zwar, dass bei dem heutigen Protest bis zu 100.000 Menschen auf den Straßen von Sofia gewesen sein sollen, was für Bulgarien eine sehr große Teilnehmerzahl ist.
Haifisch Europa
Lange habe ich nicht verstanden, warum so viele Leute ständig Bulgarien mit Rumänien verwechseln. Jetzt scheint es eine Erklärung zu geben. Nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen neulich in Rumänien nun der gefälschte Bericht, dass Bulgarien angeblich die Kriterien der Eurozone erfüllt. Alle Bulgaren, egal ob sie für oder gegen den Euro sind, wissen, dass Bulgarien die Kriterien für die Eurozone nicht erfüllt. Das sage nicht ich, ich bin ja nur halber Bulgare, sondern Ivelin Mihaylov, Vorsitzender der Partei „Velichy“. Also nicht so ein schräger rechter Vogel von der utranationalistischen und prorussischen Partei “Wiedergeburt”. Aber es wird noch besser: Ivelin Mihaylov sagt das nicht irgendwem, sondern dem Bulgarischen Nationalradio (BNR). Und die veröffentlichen das auch noch prompt, das muss man sich mal vorstellen! Sind die denn des Wahnsinns? Die haben offensichtlich vorher nicht in Brüssel angerufen, mit welchen Adjektiven die EU den Herrn bereits belegt hat. Ich vermute, unsere Ursula wird demnächst wieder auf X von “unerhörten Szenen in Sofia” schreiben.
Tip für heute: An einer neuen Version von “Alles nur geklaut” mit dem Titel “Alles nur gefälscht” arbeiten.