Bericht aus Bremen (8) in Bulgarien (4)

Am Schwarzen Meer in Bulgarien

Seit einer Woche sind wir nun in Bulgarien. Am vergangenen Freitag landeten wir in Sofia, fuhren Samstag zu Rumen und aus den Schluchten des Balkans weiter nach Veliko Tarnovo, der Stadt der Helden und anschließend nach Kalofer ins Tal der Rosen. Mittlerweile sind wir in einem familiengeführten Hotel an der Küste des Schwarzen Meeres, im Örtchen Sozopol. Übrigens: Das Meer hier ist türkisfarben, kein Schwarz weit und breit! Das Hotel war nicht leicht zu finden, wir mussten durch kleine Gassen und einen beschrankten Durchlass, wo man uns mitteilte, dass das Befahren der Altstadt pro Tag 24 Lewa kostet.

Bevor wir jedoch die 256 km bis Sozopol zurücklegten, machten wir noch einen Abstecher zu einer der größten Rosen-Destillerien Bulgariens. Auch diese war zwar ausgeschildert, doch am Ende nicht zu finden. Es fehlte das Schild „Ich bin die Destillerie“ an der Mauer, die sich rund um das Firmengelände schlängelt. Erst als wir parkten und zum Holztor gingen, fanden wir eine Plakette mit dem Hinweis auf das, was hinter Mauer und Tor zu finden ist.

Eine junge Bulgarin empfing uns mit sehr gutem Englisch und machte sich gleich mit uns auf den Weg in die Destillerie, wo wir beobachten konnten, wie die angelieferten Rosenblüten aus großen Säcken in die Stahlbehälter geschüttet wurden. Im nachfolgenden Siedeprozess wird sowohl Rosenwasser als auch Rosenöl gewonnen. Neben dem Gebäude lieferten die Rosenpflücker/-innen ihre gefüllten Säcke ab. Sie hatten um vier Uhr morgens mit der Ernte begonnen und fuhren nun vor, um den Ertrag wiegen und verbuchen zu lassen.

Rund um die Destillerie roch es intensiv nach Rosen, noch stärker als wir in das Innere des Gebäudes kamen. Hier waren die Destillierbehälter zu sehen, deren Zu- und Abfluss mittels Sensoren und speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS, Siemens, SIMATIC) mit dem Firmennetzwerk verbunden waren. Ein kleiner Monitor zeigte jede Temperaturschwankung und reagierte prompt, wenn es irgendwo Unregelmäßigkeiten gab mit einem roten Warnhinweis.

Kerstin interessierte sich für alles rund um die Rosen, ich war fasziniert von der Verbindung eines über 100 Jahre alten Herstellungsverfahrens mit der Technik aus dem 20. Jahrhundert, gemeinhin bekannt unter dem Begriff Industrie 4.0. Natürlich kauften wir auch das ein oder andere, unter anderem 60-jähriges Rosenöl. Angeblich reift dies mit dem Alter. Rosenöl soll nicht nur gut riechen, sondern auch helfen bei Atemwegserkrankungen oder Strahlenschäden, so wurde uns erzählt. Man muss es auftragen oder inhalieren.

Hoffentlich lesen dies nicht zu viele Menschen, sie könnten auf die Idee kommen, statt der experimentellen Vakzine gegen Covid-xyz es mal mit experimentellen Rosenölinhalationen zu versuchen, die weniger Nebenwirkungen haben. Wer mehr über diese Destillerie erfahren möchte, kann dies über die (englischsprachige) Homepage tun.

Unser Reiseführer empfiehlt den Strand im Örtchen Sinemorets. Dieser liegt südlich von Sozopol und ist in 45 Minuten zu erreichen. Wir also machen uns auf die Suche nach diesem Ort, erfahren die Landstraßen entlang der Küste und dürfen feststellen, dass die für Landstraßen vorgesehene Höchstgeschwindigkeiten von 90 km/h an den wenigsten Stellen gelten, da ständig auf 60 oder gar 40 km/h runterreguliert wird wegen steiler Kurven oder Ein- und Ausfahrten. Dem Bulgaren in seinem PS starken SUV ist dies eh egal und wenn man sich mit Mietwagen daran hält, dann wird man entsprechend oft überholt.

Von den Schlaglöchern, die so häufig seien auf Bulgariens Straßen habe ich auch auf dieser Strecke nicht übermäßig viele erlebt. Meist lässt sich am Fahrverhalten der vorausfahrenden Pkws erkennen, wo man ausweichen sollte. Es waren wirklich nicht viele, die sind eher auf den sehr kleinen Straßen, auch in den Städten, zu finden. Ein richtig großes Loch begegnete uns auf einer Autobahnauffahrt, da war ich froh, es noch im letzten Moment gesehen zu haben, um drumrum zu kommen.

In Sinemorets angekommen, haben wir uns erst mal mit Brot (sehr weich), Frischkäse und Wurst (geschmacklos) eingedeckt und einen Platz gesucht, wo wir in Ruhe Picknicken konnten. Den fanden wir dann auch, mit Blick aufs Meer und ein paar Pferden, die hier frei rumlaufen. Anschließend gings weiter an den Strand, der uns empfohlen wurde und tatsächlich entpuppte sich dieser als leer und idyllisch. Es gab richtige Wellen und keine so mickrigen Andeutungen von Wasserbewegung wie es die Nordsee zeigt (wenn sie denn mal da ist).

Diesmal war es nicht High Noon als wir unterwegs waren, dennoch war es heiß und windig. Was gefährlich ist, da dann die Sonne nicht so arg zu spüren ist und erst am nächsten Morgen sich zeigt wie unvernünftig man war. Nun, wir werden es sehen und spüren. Sinemorets ist wirklich empfehlenswert, nicht nur wegen des idyllischen Strandes, sondern auch wegen der unaufdringlichen Bevölkerung, dem fehlenden Tourismus. Es gibt hier zwar auch Hotels, doch fallen diese nicht besonders auf und die Landschaft ist nicht so zugebaut wie weiter oben im Norden der Küste.

Auf dem Rückweg haben wir noch einzelne Orte an der Küste angefahren und uns dort umgesehen. Alles sehr nett und unverdorben. In einem Ort, ich glaube es war Varvara, da stiegen wir aus, nur um von einer Aussichtsplattform das Meer zu sehen. Neben dieser Plattform gab es ein altes Schild, das verwies auf ein Fisch-Restaurant. Als wir davor längere Zeit standen und versuchten das Schild zu entziffern, kam ein alter Mann heraus.

In seinem Blaumann sah er aus wie ein Handwerker, der gerade bei der Arbeit war. Er sprach uns an, sagte, dass ihm nur Helfer fehlten, Studenten, die den Service für ihn machten, doch es gäbe keine zu finden. Wir müssten mit ihm kommen, in sein Restaurant, wo er uns die Aussicht zeigen wolle. Die hatten wir zwar zuvor schon wahrgenommen, doch nun, warum nicht. Wir also hinter ihm her ins sein Restaurant, das sich als Werkstatt, Lager und Wohnraum entpuppte. Überall lagen Werkzeuge herum, Verpackungsmaterialien, Baumaterial und Möbel. Auf der Verranda angekommen, erzählt er uns, dass er in „Pension“ sei, dass er mit 67 in Pension gekommen sei und schon mal in Berlin war, damals zur Zeit des Kommunismus.

Und wir haben ihn verstanden, ohne ein Wort Bulgarisch zu verstehen. Er sprach in wenigen Brocken Englisch, dann wieder in Bulgarisch, dann zeichnete er mit den Fingern Zahlen auf den Tisch und sprach die bulgarischen Worte dazu. Wir natürlich ebenso, mit Zahlen auf den Tisch mein Alter, mit Zeichnung in der Luft die Lage Bremens in Relation zu Berlin und Hamburg. Geht. Geht alles ohne Übersetzungsgerät! Wir verabschiedeten uns voneinander und machten uns auf den Weg zurück nach Sozopol. Dort gabe es eine längere Suche nach einem empfohlenen Fisch-Restaurant, doch haben wir es nicht gefunden. Und man sollte nicht hungrig nach einem Restaurant suchen, denn dann wird man ungeduldig, ungehalten und unruhig, eben einfach nur „un“.

Letztlich landeten wir bei einem Griechen. Und da wir wussten, dass man in Bulgarien oftmals alle Speisen auf einmal erhält, egal in welcher Reihenfolge bestellt wurde, bestellten wir erst nur einen Salat. Es aber auch passieren, dass in Bulgarien die Gerichte so zum Tisch gebracht werden, wie sie aus der Küche kommen. Ist der Salat fertig, dann wird dieser raus gebracht. Ob das dazu bestellte Brot (ohne Bestellung gibt’s kein Brot) dabei ist, spielt keine Rolle. Das Brot gibt es dann eben später. Meist dann, wenn der Salat schon aufgegessen wurde. Manchmal ist aber das Hauptgericht schon auf dem Tisch, für die eine Person, und irgendwann später kommt der Salat.

Vielleicht liegt vorher schon das Brot vor einem. Es ist nicht immer der selbe Ablauf, also kann auch alles umgekehrt sein, wie so oft in Bulgarien. Alles umgekehrt. Nun, wir bekamen unseren Salat, der schmeckte sehr gut, dann kam das Brot. Und dann unser Clou: wir verlangten erneut die Menükarte und bestellten ein Hauptgericht für jeden. Also Kerstin Fisch, Red Mullet, was auf deutsch Rotbarbe heißt und ich Chicken, weil ich mich auf keine Experimente einlassen wollte. Die Rotbarbe gibt es nicht nur im Mittelmeer und Atlantik, sondern auch im Schwarzen Meer, das eigentlich Türkises Meer heißen müsste, wenn es nach mir ginge.

Morgen fahren wir weiter nach Plovdiv, dort erwarte uns wieder eine Führung durch die Stadt. Und dieses Mal haben wir uns vorgenommen, der Stadtführerin zu sagen, sie möge uns verschonen mit Zahlen, Namen, Kriegen und Heroen. Uns interessiert mehr, was sie persönlich mit den Plätzen und Orten in ihrer Stadt verbindet. Mal sehen, ob sie was darüber erzählen wird.

Foto&Text JoachimBremen

Bericht aus Bulgarien (161)

Boulevard „Vitosha“ / Sofia (Bulgarien)

Das ist jetzt definitiv der letzte Beitrag von mir heute. Das Internet, das dank des Smartphones meines Lesers Joachim aus Bremen nun jederzeit in meiner Hütte verfügbar ist, ist eine große Verführung für mich. Einerseits verständlich, nachdem ich es ein Jahr lang „entbehren“ musste. Ja, es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass ich in Bulgarien und damit ohne permanent verfügbares Internet bin. Wenn es eines Beweises bedurfte, dass dies möglich ist, dann habe ich ihn erbracht.

Es gibt auch noch ein anderes Jubiläum, denn es ist jetzt genau vier Jahre her, dass ich trocken bin, dass ich dem Alkohol komplett entsagt habe. Auch das ist möglich, und ich fühle mich sehr gut dabei, sowohl körperlich als auch seelisch. In „Nüchtern“ von Daniel Schreiber habe ich gelesen, dass man fünf Jahre braucht, um wieder man selbst zu werden. (Übrigens das beste Buch, das ich zum Thema gelesen habe, weswegen ich es sogar zweimal gelesen habe, einmal von vorne nach hinten und dann nochmal von hinten nach vorne, also Kapitelweise.)

Die fünf Jahre sind noch nicht vorbei, ich bin also noch nicht am Ziel, und vielleicht werde ich es auch nie sein. Ich denke, „Werde, der du bist“. – ein Motto von Nietzsche, bei dem er sich bei dem Griechen Pindar bedient hat, ist eine Lebensaufgabe. Sie wird uns demzufolge ein Leben lang begleiten, bis zu unserem Ende. Manch einer wird dabei auf der Strecke bleiben, in (s)einem falschen Leben, vermutlich mit das schlimmste, was einem passieren kann im Leben.

Was mir gerade passiert, ist auch schlimm, aber nicht so schlimm wie „Das falsche Leben“. Ich muss mich wirklich in Acht nehmen, dass ich die eine Sucht, den Alkohol, nicht durch die andere, das Internet, ersetze. Das ist kein Quatsch, denn die Summer aller Süchte ist immer gleich, zumindest gefühlt, und wenn man nicht aufpasst. (Das mit der Summe ist auch ein Running-Gag bei den Anonymen Alkoholikern, aber nicht nur. Der Running-Gag von Jerry und mir folgt sogleich.)

Auch deswegen werde ich morgen nach Sofia fahren, und sowohl das Notebook, als auch das Smartphone hier lassen. Ich werde mich nicht alleine, sondern zusammen mit meinem besten englischen Freund Jerry in die bulgarische Hauptstadt begeben, und darauf freue ich mich schon jetzt, denn Jerry und ich sind seit dem vergangenen Jahr in einem intensiven Austausch, der für uns beide wichtig ist, so denke ich, vielleicht sogar existenziell wichtig, aber who knows?

Jerry, der in einem Nachbardorf wohnt, und ich haben viel Spaß miteinander. Unser liebster Running-Gag ist: „Don’t trust the mayor!“ – Dazu muss man wissen, dass mein Bürgermeister nicht nur mein Bürgermeister, sondern auch mein Freund ist. Zu Jerrys englischem Humor kommt hinzu, dass er am liebsten Deutscher wäre. Ich finde das einerseits irre, andererseits aber auch verständlich.

Wenn der Deutsche nicht so bescheuert wäre mit seinem permanenten sich schuldig fühlen, das sich unter anderem in seinem Zwang zur politischen Korrektheit und dem Verhunzen seiner eigenen Sprache ausdrückt und regelrecht selbstzerstörerisch sein kann – aber nicht nur für ihn selbst, sondern auch und vor allem für andere, seinem duckmäuserischen Gehorsam und seiner übergroßen Angst, dann könnte er wirklich Großes vollbringen.

Aber so bleibt es bei dem, was schon Nietzsche über ihn gesagt hat: „Ein Deutscher ist großer Dinge fähig, aber es ist unwahrscheinlich, dass er sie tut: Denn er gehorcht, wo er kann, wie dies einem an sich trägen Geiste wohl tut.“

Jerry, der eigentlich Musiker ist, hat durch mich seine Liebe zum Lesen (und neuerdings auch zum Schreiben) wiederentdeckt, und ich bin durch ihn in meiner Affinität zu klassischer Musik bestätigt wurden. Der Hauptgrund, dass wir morgen zusammen nach Sofia fahren, ist der, dass dort gerade eine Buchmesse stattfindet, die wir besuchen wollen.

Dann will ich mich noch mit meinem besten bulgarischen Freund und Übersetzter Martin und natürlich auch mit meinem alten Bekannten, den Dudelsackspieler treffen, und wenn es klappt auch noch den Verleger vom „Ost-West-Verlag“ kennenlernen, für den Martin arbeitet. Das wäre sozusagen das Sahnehäubchen. Aber auch wenn aus dem Kennenlernen nichts werden sollte, wird es ein Abenteuer werden, ein Balkan Road Movie, aber eben eins ohne Internet und Smartphone.

In dem Zusammenhang kann ich mich nur nochmal wiederholen: Ein Leben ohne Internet und Smartphone ist nicht nur möglich, sondern auch lebenswert. Ich kann nur jedem empfehlen, es mal auszuprobieren, beispielsweise in Bulgarien.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (160)

Mittagessen in einer bulgarischen Kantine

Komme gerade von meinen Nachbarn, die mich zum Mittagessen eingeladen hatten. Es gab Schweine-Steak, in teurer deutscher Butter (drei Euro das Stück) gebraten, dazu Kartoffelbrei und in Öl und Knoblauch eingelegte Paprika. Zubereitet hat das alles mein Nachbar höchstpersönlich, seine Frau hat das Dessert gemacht, Yoghurt mit frischen Erdbeeren. Ich habe einen grünen Salat mitgebracht, man kommt in Bulgarien nicht mit leeren Händen.

Den Salat hat mir eine andere Nachbarin gegeben, die weiter unter „Auf dem Grat“ wohnt, wie unsere Straße heißt, wobei Straße reichlich übertrieben ist, es ist um genau zu sein ein unbefestigter Weg. Bei der Nachbarin ist alles biologisch, also „sauber“, wie der Bulgare sagt. Dementsprechend schmeckt es.

Beim Essen erfahre ich, dass der Nachbar seinen alten, leicht reparaturdürftigen Ofen an einen Nachbarn verschenkt hat, der noch weiter oben „Auf dem Grat“ wohnt. Zuvor hatte ich ihm, also dem Nachbarn, der mich zum Mittagessen eingeladen hat, meinen alten Ofen geschenkt, der noch so halbwegs funktioniert hat. „Auf dem Grat“ verkommt nichts, es wird einfach weitergereicht.

Ich selbst habe mir letzten Sommer einen neuen Ofen mit einem eigenen kleinen Backofen zugelegt, der gerade im Angebot war, und den ich im Winter nicht nur mit dem Holz befeuert habe, über das ich neben der Zeit, in ausreichendem Maße verfüge, sondern in dem ich auch Brot gebacken habe, was immer sehr lecker war.

Lecker war auch das Mittagessen meiner Nachbarn. Sie hatten mich eingeladen, weil meine Abreise nach Berlin in der nächsten Woche bevorsteht, aber auch, weil sie mein Hot-Spot, also das Smartphone meines Sponsors, ausprobieren wollten. Wir leben nämlich nicht wirklich „Auf dem Grat“, sondern eher hinterm Berg. Ein kleiner Hügel ist zwischen uns und dem Bürgermeisteramt im Dorf, auf dem sich die Antenne befindet, die wir anzapfen.

Mein englischer Freund Jerry meinte neulich noch, dass ich zur Not den Hügel abtragen müsste, um ins Internet zu kommen. Aber da ist wohl sein britischer Humor mit ihm durchgegangen. Der Hügel bleibt auf jeden Fall heil, denn das Smartphone meines Sponsors aus Bremen ist nicht nur Bulgarien-kompatibel, sondern darüber hinaus Bulgarien-überlebensfähig. Vielleicht liegt das auch an der bulgarischen Karte, die ich eingelegt habe. Mit der deutschen Karte wollte es partout nicht funktionieren.

Die bulgarische Karte ist Prepaid, was in Bulgarien schwer zu finden ist. Die meisten Bulgaren haben einen Vertrag, so wie in Deutschland auch. Die Karte funktioniert, ohne dass ich mich irgendwo registrieren musste. Aufladen kann ich sie allerdings nicht. Ich muss dann eine neue Karte kaufen. Entweder 15 GB für 15 Lewa (7,50€) oder 50 GB für 45 Lewa (22,50€) für 30 Tage. Danach kann ich die Karte – so oder so – wegschmeißen.

Das habe ich bis eben noch alles meiner Nachbarin erklärt, während ihr Mann schon in der Koje lag und Mittagsschlaf gehalten hat. Das werde ich jetzt auch machen, denn auch ich bin etwas erschöpft. Das hat auch mit dem Wetter zu tun. Es ist gerade ziemlich schwül bei uns „Auf dem Grat“ und in der Ferne bahnt sich ein Gewitter an. Auch deswegen sage ich schonmal „Frohe Pfingsten“ Richtung Heimat, denn bei Gewitter reißt die Verbindung „Auf dem Grat“ regelmäßig ab.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (159)

Von meinem Sponsor – in tiefer Dankbarkeit

Seit meinem ersten Artikel „Bulgarien – die große Freiheit“ auf Multipolar habe ich Sponsoren in der Heimat, die ich bei den Anonymen Alkoholiker (AA) nicht hatte, obwohl AA für seine Sponsorenschaft bekannt ist. Einer meiner Sponsoren ist aus Bremen und gerade ist er zusammen mit seiner Frau in den Schluchten des Balkans unterwegs. Das Wochenende hatte ich sie zu mir in meine Hütte „Auf dem Grat“ eingeladen, so heißt meine Straße wirklich, wobei mit Grat der des Balkangebirges gemeint ist.

Mein Sponsor und seine Frau haben mich aber nicht nur einfach besucht, sondern mir auch Geschenke mitgebracht, immerhin hatte ich am Vortag Geburtstag, darunter obiges Smartphone, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Eigentlich brauche ich kein Smartphone, ich brauche es „nur“ als Hot-Spot, um ins Internet zu gehen. Seit Montag habe ich nun Internet in meiner Hütte, vorher musste ich deswegen immer runter zum Bürgermeisteramt.

Mein Sponsor aus Bremen ist einer der Menschen, die Dinge gerne doppelt haben, was viele von sich vermutlich auch kennen. Er gehört darüber hinaus zu denen, die Dinge, die sie mehrfach besitzen, verschenken, und solche Mitmenschen sind erfahrungsgemäß rar gesät. Vor allem für diese Eigenschaft bin ich meinem Sponsor dankbar, und natürlich auch für das Smartphone, mit dem ich wie gesagt nur ins Internet gehe und nicht telefoniere.

Dankbar bin ich meinem Sponsor aus Bremen auch für obiges Buch, das gestern für mich hier in den Schluchten des Balkans ankam, und das er bei seiner Abreise aus Deutschland für mich bestellt hatte. Ich habe gestern angefangen zu lesen, bin also noch nicht durch, aber was ich gelesen habe, ist genauso gut wie der Titel, der sozusagen mein neues Mantra ist: „Glaube wenig – Hinterfrage alles – Denke selbst“.

Da wir im Dorf zwar eine Post haben, aber keine Postfrau, die die Post austrägt, übrigens eine Tätigkeit, zu der ich mich neben vielen anderen auch schon berufen gefühlt habe in meinem Leben, ruft mich mein Bürgermeister immer persönlich an, wenn etwas für mich angekommen ist, damit ich es mir später bei ihm direkt in seiner Kneipe abholen kann und nicht von den Öffnungszeiten der Post abhängig bin, die wie nicht anders zu erwarten auf dem Dorf eher „konservativ“ sind.

In der Kneipe von meinem Bürgermeister arbeitet seit vielen Jahre eine Frau, die ich nicht nur seit genauso vielen Jahren kenne, sondern die auch in meiner Straße „Auf dem Grat“ wohnt. Fürsorglich fragte sich mich, wo ich abgeblieben wäre die ganze Woche lang und ich habe es ihr erklärt, dass nun auch ich ein Smartphone habe, mit dem ich jetzt auch von meiner Hütte aus ins Internet gehen kann. 

Daraufhin lachte sie, weil sie bisher nur mein altes Handy kannte, mit dem ich hin und wieder telefoniere, und ich musste auch lachen. Ich will unser gemeinsames Lachen jetzt nicht schlecht machen, lachen ist bekanntlich gesund, aber ich frage mich schon, ob ich nun mit meinem Smartphone nicht meine eigene Legende kaputt mache. Denn nachdem ich vor Jahren mit einem Esel aus unserem Dorf quer durchs Land bis ans Schwarze Meer gezogen war, gelte ich hier eigentlich als verrückt, aber im positiven Sinne – versteht sich.

Und nun bröckelt möglicherweise diese mühsam aufgebaute Fassade, befürchte ich.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (158)

Ein Nachbar von mir – ich nenne ihn Klaus

Gestern war ich, ich habe hier darüber geschrieben, in der neben Montana nächst größeren Stadt Vraca zum Konzert, und zwar mit meinem englischen Freund Jerry, der nicht nur am liebsten Deutscher wäre, sondern der viele Jahre in der Armee ihrer Majestät gedient hat, zeitweise auch in Berlin. Zuvor hatten wir uns im Kurort Varshetz im Café „Vegas“ getroffen, wo wir Pläne machten und Ideen austauschten. Dazu muss man wissen, dass ich hier nicht nur jeden Tag mein bulgarisch verbessere, sondern auch mein englisch. Gestern habe ich nun Jerrys neues Mantra erfahren. Jerry ist, was sein neues Mantra angeht, wie sollte es anders sein, von einem Deutschen inspiriert, und zwar von Klaus. Klaus sieht zwar alles andere als schön aus (wer mit Klaus die Nacht verbringen möchte: Hand hoch!), eher wie eine Mischung aus Außerirdischer und Echse, aber Klaus hat, geht es nach Jerry, „a plan, an opinion and the power“. Jerry ist also „really impressed by this german dude“, weswegen er jetzt dessen Mantra übernommen hat: „I know nothing, I own nothing – but I’m happy!“ – Angesprochen auf seine Hütte hier, die er zweifelsohne (noch) besitzt, meinte Jerry, dass er nicht davon ausgeht, dass der Klaus sich ausgerechnet für die interessieren würde, womit er wohl recht hat. Das wäre noch was, wenn der Klaus aus Davos in die ärmste Region Europas umziehen würde. Obwohl, der von mir geschätzte Aleko hat die Berge hier immer als die „Bulgarische Schweiz“ bezeichnet. Und der Klaus aus Davos könnte in der ärmsten Region des Kontinents der „King of Montana“ werden, da sind Jerry und ich uns sicher. Aber, und jetzt kommt das große ABER, das Symphonie Orchester von Vraca ist auf jeden Fall besser als das von Montana. In Montana gibt es nämlich gar keins, das müsste der Klaus erst noch mitbringen. Nur, wem wird das dann wieder gehören(?), wo doch keinem mehr irgendetwas gehören soll. Dem Klaus? Also ich weiß nicht(s).

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (157)

So schnell wie heute ist es noch nie gegangen, dass das Konzert hochgeladen wurde. Ich war noch gar nicht zurück zu hause, da war es schon im Internet abrufbar. Der Höhepunkt war zweifellos der Auftritt einer gerade mal 17-jährigen blinden Pianistin. Meiner Meinung nach ist das ganze Konzert hörens- und damit auch nachhörenswert. Mein englischer Freund Jerry, er ist Musiker und spielt auch immer mal wieder in dem Symphonie Orchester der Stadt Vraca, hatte natürlich was rumzumäkeln. Aber da mache ich mir nichts draus, seit ich weiß, dass Jerry am liebsten Deutscher wäre. Der Deutsche hat bekanntlich immer irgendetwas auszusetzen. Eine Eigenschaft übrigens, die in Bulgarien gar nicht gut ankommt. Das durfte auch ich über viele Jahre immer wieder auf’s Neue erfahren – bis heute.
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (156)

Drei Esel vor Schäferhütte mit Landschaft

Zugegeben, ich lag mit meiner Prognose nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz verkehrt. Prophezeite ich doch, dass der Esel, und nicht der Affe, das nächste große Ding nach Corona wird. Ich sehe es sportlich: Was nicht ist, das kann noch werden. Auch rein praktisch, und auf jeden Fall in Bulgarien. Letztes Jahr sind die Eselwanderungen von HappyDonkeys, die ich begleiten wollte, ausgefallen. Das kann dieses Jahr anders werden. Aber nicht nur das: Du hast es in der Hand. Wenn du eine Eselwanderung buchst, dann habe ich Arbeit. Das meiste hättest du aber davon. Denn es gibt keinen besseren Therapeuten als den Esel, insbesondere in diesen Zeiten. In Italien, wo Michele von HappyDonkeys herkommt, weiß man das. Da ist die Therapie mit Eseln, wobei sich der Esel den Menschen aussucht und nicht umgedreht, ein „Big Deal“, wie man in Amerika sagt. So gesehen ist es gut, dass nicht der Esel, sondern der Amerikaner, Verzeihung, der Affe natürlich, das nächste große Ding nach Corona geworden ist. Und da scheint eine Eselwanderung vor dem nächsten Lockdown unbedingt noch drin zu sein. Zumindest in Bulgarien, wo die Uhren etwas anders ticken und man Deutschland um eine Stunde voraus ist.

Foto&Text TaxiBerlin