„Land of the Freaks“

„Land of the Freaks“ – so heißt nicht nur Bulgarien unter Insidern, sondern auch der zweite Teil unseres Bulgarien-Podcasts. Da wir viel positive Rückmeldung auf unseren ersten Teil „Bacillus Bulgaricus“ erhalten haben, haben wir uns heute gleich nochmal an den Küchentisch gesetzt und eine Fortsetzung aufgenommen. Auch weil unser eigentliches Thema, das Auswandern, im ersten Teil etwas kurz gekommen war. Vor dem zweiten Teil muss aber auch gewarnt werden, denn es geht nochmal an den Anfang zurück, nämlich zur Corona-Zeit, dem Gehorsamkeitsexperiment, mit dem die viel beschworene „Zeitenwende“ eingeläutet wurde. Aber keine Sorge, an erste Stelle geht es ums „Auswandern“ und persönliche Erlebnisse und Erfahrungen im „Land of the Freaks“.

Blonde Bestien

Gestern sind die beiden Bestien von gegenüber und ich Freunde geworden, und das kam so: Vorgestern hatte ich Geburtstag, und da mache ich traditionell Schnitzel. Um Geld zu sparen, habe ich diesmal Fleisch gekauft, an dem noch der Knochen dran war. Eigentlich wollte ich die Knochen auskochen und zu einer Suppe verarbeiten. Daraus wird jetzt aber nichts, weil ich gestern die beiden blonden Bestien meiner Nachbarn damit gefüttert habe. Mit dem Fleisch habe ich die Gäste meiner kleinen Geburtstagsfeier bewirtet. Am Ende waren alle zufrieden: sowohl meine alten, als auch meine neuen Freunde. Man kann sich auch mit blonden Bestien anfreunden.

Bacillus Bulgaricus

Den Bacillus Bulgaricus gibt es wirklich. Er befällt im Normalfall keine Homo Sapiens, sondern macht Milch zu Joghurt. Manchmal infizieren sich aber auch Menschen mit ihm, beispielsweise Bulgarienreisende, die einmal da gewesen nicht mehr loskommen von dem kleinen Land am Rande unseres Kontinents. In unserem Podcast unterhält sich ein von Geburt aus Infizierter mit einem frisch Infizierten. Also meine Wenigkeit, dessen Vater zwar Bulgare ist, der selbst aber in Deutschland geboren und groß geworden ist, und der seit Corona immer mehr Zeit in Bulgarien verbringt. Und Achim, der sich aus Bremen in die Schluchten des Balkans gewagt hat, und das bereits zum dritten Mal. Der Bacillus Bulgaricus produziert überwiegend linksdrehende Milchsäure, nicht rechtsdrehende. Ob dies in unserem Podcast genauso ist, möge der geneigte Hörer selbst herausfinden.

Frieden machen

Wenn ich in Sofia bin, gehe ich nicht nur in die Universitätsbuchhandlung, sondern auch ins Antiquariat. Aber nicht in irgendein Antiquariat, sondern in das Antiquariat „Ortograph“, weil dies das beste der Stadt ist, auch wenn „Ortograph“ orthographisch nicht ganz korrekt ist. Mittlerweile ist es so, dass es im Antiquariat bessere Bücher in deutscher Sprache gibt als in der Universitätsbuchhandlung. Genau genommen gehe ich aber gar nicht wegen den Büchern auf deutsch hin, ich habe genug Bücher, sondern wegen dem „Feeling“, um es mal so zu formulieren. Vor den Flohmärkten sind es vor allem die Antiquariate, die mir fehlen. Im Antiquariat „Ortograph“ kommen noch die zum Nachdenken anregenden Sprüche hinzu. Der Ire Gerry Adams war erst Oberbefehlshaber im Untergrund und hat dann Frieden gemacht. Mit Gerry Adams verhält es sich also so wie mit dem Antiquariat „Ortograph“. Gerry Adams ist nicht irgendjemand, sondern jemand, der sich mit Frieden machen auskennt.

Deutschland ganz unten

Der linke Pfeil muss eigentlich nach unten zeigen, denn dort befinden sich die drei letzten verbliebenen Kisten mit deutschen Büchern (Foto unten). Darunter so wichtige Werke wie „Die Hölle der Zahlen“, „Erotische Volksmärchen aus aller Welt“ und „Wir treffen uns in New York“. Es ist nicht irgendeine Buchhandlung in Bulgarien, wo die Aufnahmen entstanden, sondern die der Universität in Sofia. Deutschland ist also jetzt auch bei den bulgarischen Gelehrten ganz unten angekommen. Auf dem absteigenden Ast war es bei vielen Bulgaren zuvor schon gewesen. Sie haben es einfach nicht mehr verstanden. Da helfen auch keine Bücher mehr.

Abstand ist gesund – aber wo?

Gestern war ich wieder in Montana. Da es wie aus Eimern schüttete, trieb es mich anstatt zum Flohmarkt zu Humana Second Hand Bulgaria, wo es nicht nur abgelegte Klamotten aus Deutschland gibt, sondern auch die unaufgebarbeitete neuerliche Vergangenheit meiner Landsleute. Das mit dem Abstand halten soll beispielsweise total ausgedacht gewesen sein, also ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage. Es war – wenn man so will – lediglich Teil eines Gehorsamsexperiments, von dem man heute nichts mehr wissen will. Deswegen hängen die orangenen T-Shirts, die aussehen wie die von der Berliner Stadtreinigung (BSR), auch in Bulgarien und nicht in Berlin rum. Mit fünf Lewa (2,5€) das Stück nicht nur farblich, sondern preislich ansprechend, wie ich finde.

Humana Second Hand Bulgaria hat nicht nur T-Shirts, sondern auch Unterwäsche. So (Foto unten) sieht es aus, wenn Frau zu oft auf Lady Camel Toe gemacht hat. Es soll auch einen männlichen Camel Toe geben. Das war das letzte, was ich von der armen Kamelzehe gehört habe, was ich mir aber nicht wirklich vorstellen kann. Male Camel Toe – echt jetzt? Wenn es sie wirklich gibt, kann sie nicht sonderlich gesund sein. Denn genau deswegen habe ich seinerzeit den Hodenhalter erfunden, der nicht einfach nur das Gegenstück zum Büstenhalter ist, sondern eine gesundheitsfördernde Aufgabe hat. Diese besteht darin, die paarig angelegten Hoden, auf lateinisch Testis, vom Körper wegzuhalten, denn diese brauchen, um optimal zu funktionieren, leichte Untertemperatur. Hier ist das Abstand halten wirklich wissenschaftlich belegt. Wer’s nicht glaubt, fragt die KI.

Wo die Welt (noch) in Ordnung ist

Wenn ich in Sofia bin, und das bin ich in letzter Zeit immer öfter, gehe ich immer auf die Toilette im ersten Haus am Platz. Ich verrate jetzt nicht den Namen des Hotels, denn ich will keine Nachahmer. Ich kann so viel verraten: Als ich klein war, waren solche Hotels mein zuhause. Ich bin nämlich mit einem, gut nicht goldenen, aber doch silbernen Löffel groß geworden. Das war eine zeitlang ganz schön, am Ende aber doch ziemlich anstrengend. Deswegen habe ich irgendwann gesagt, dass ich, wenn ich groß bin, Vagabund werden will. Und das bin ich geworden. Aus alter Gewohnheit suche ich weiterhin die Orte auf, wo die Welt in Ordnung ist. Und dabei spare ich noch Geld. Der Toilettengang in der Hauptstadt kostet normalerweise einen Lewa (0,50€), im ersten Haus am Platz ist er umsonst. Man muss sich natürlich weltmännisch geben, aber das kann ich. Gerade habe ich Besuch aus Deutschland. Gestern sind wir nach Sofia gefahren, wo wir gemeinsam auf Toilette waren. Das Schöne am Deutschen ist, dass man ihm immer ansieht, dass er nicht von hier ist. Dementsprechend besteht auch keine Gefahr, dass man von Mitarbeitern des Hotels blöd angesprochen wird. Auch mein Besuch aus der Heimat findet, dass die Welt, wenn schon nicht in ganz Bulgarien, so doch im ersten Haus am Platz (noch) in Ordnung ist.