Bericht aus Bulgarien (198) – “Mein erstes Business Treffen”

Mal was anderes als im Taxi

Ich bin neuerdings selbständig, und zwar als Desillusionist. Das war der Grund, dass ich mich auf einer Business-Plattform im Internet angemeldet habe. Kurz zuvor hatte ich “Plattform” von Michel Houellebecq nochmal gelesen gehabt, was auch ein Grund war beizutreten. Der wichtigste Grund für meinen Beitritt ist aber, dass mir der Austausch mit den unterschiedlichsten Menschen fehlt, wie ich ihn in meinem Taxi hatte. Ich treffe heute eine junge Frau, die seit einiger Zeit arbeitslos ist. Schnell mache ich klar, dass ich kein Business-Typ bin, ich also keine Arbeit für sie habe. Wir treffen uns an obiger Sitzgarnitur, die mich an das Berlin der Neunziger erinnert, im Stadtteil “Drushba” (Freundschaft). Hier erzählt mir Albena, die natürlich nicht Albena heißt, dass sie lange Zeit für eine Firma gearbeitet hat, wo sie viel reisen musste, und dass sie jetzt die Zeit ohne dieses ständige Reisen genießt. Andererseits vermisse sie die Reisen aber auch ein wenig, weil sie meist mit einem ihrer Chefs gereist ist, mit dem sie ein Verhältnis hat beziehungsweise hatte. In diesem Punkt herrschte eine gewisse Unklarheit. Ihr Chef, der nicht ihr direkter Vorgesetzter war, ist älter als sie und verheiratet. Seine Frau und er sind Swinger, sind also sexuell aufgeschlossen. Der Chef hat für Albena unter anderem auch ein Treffen mit einem anderen Mann organisiert, einen so genannten “Dreier”. Das gefalle ihr besser, als etwas mit einem Paar, Mann & Frau, zu machen. Die Frau ihres Chefs, der sie einmal sogar zu seinem Geburtstag eingeladen hatte, weiß bis heute nichts von dem Verhältnis, was ein wenig ungewöhnlich ist, weil sie und ihr Mann ja angeblich Swinger sind. Auf der Geburtstagsparty soll es dann so gewesen sein, dass alle Anwesenden gewusst hätten, dass sie diejenige ist, die der Chef auf seinen Reisen vögelt, nur eben seine Frau nicht. Möglicherweise ist das der Grund, dass sie ihre Arbeit verloren hat, erlaube ich mir anzumerken, und weniger Corona, wie sie denkt. Albena will davon nichts wissen. Nach unserem Treffen wird sie mir schreiben, dass sie “schockiert” gewesen wäre über unser Treffen und worüber wir gesprochen hätten. Die Reaktion war etwas überraschend für mich, auch weil sie nach ähnlichen Gesprächen bei mir im Taxi in der Vergangenheit ausgeblieben war. Andererseits bestätigt sie, dass man auch im Alter und selbst im Ausland immer noch dazu lernen kann. Das kann keine Künstliche Intelligenz (KI) leisten, das sage ich auch als Desillusionist.

Foto&Text TaxiBerlin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert