Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass ich meinen Freund Martin am letzten in den Straßen Sofias verbliebenen Buchstand kennengelernt habe. Martin ist zu meinem besten bulgarischen Freund geworden, und ich zu seinem besten deutschen Freund. Damals wollte Martin noch nach Deutschland gehen, um dort sein Studium fortzusetzen, was ich für keine gute Idee hielt. Heute ist Martin froh, dass er in Bulgarien geblieben ist. Sein Kanal “Rationaler Widerstand” läuft sehr gut und mit der Ausstrahlung des obigen Videos könnte Martin ein richtiger You-Tube-Star werden. In Bulgarien ist er das schon. Immer, wenn ich mit ihm durch die Straßen von Sofia laufe, wird er von Menschen angesprochen, die ihn von seinem Kanal und seinen Auftritten im bulgarischen Fernsehen kennen, und die sich bei ihm für seine Arbeit bedanken. Mit obigem Interview mit Professor Ivo Hristov, einem im Land bekannten Soziologen, ist Martin nun, wenn man so will, ein Coup gelungen. Der kritische Professor hat schon längere Zeit keine Interviews mehr gegeben. Die Fragen der Mainstream-Journalisten sind für ihn eine Zumutung, eine Beleidigung seines Denkapparates. In dem Interview mit Martin sagt Ivo Hristov über Deutschland, dass das jetzt zum Drama wird (eine regelrechte “Dusch-Soap” – Anmerkung TaxiBerlin), was in Bulgarien seit mehr als 30 Jahren an der Tagesordnung ist. Die Regierung in Deutschland hält der Professor für eine Marionettenregierung der Amerikaner, also eine Regierung von Verrätern am eigenen Volk. Da Ivo Hristov aus genannten Gründen Mainstream-Medien seit einiger Zeit keine Interviews mehr gibt, könnte die Zahl der Besucher des Interviews mit Martin in die Hunderttausende gehen. Bekannt ist Martin wie gesagt schon, jetzt könnte er dazu auch noch reich werden. YouTube hat gerade der Monetarisierung seines Kanals zugestimmt. Vielleicht wird Martin bald auf der Straße, auf der ich ihn kennengelernt habe, tanzen oder gar in Geld schwimmen können. Ich wünsche es ihm von Herzen. – Sehr gute Arbeit, Martin, weiter so!
PS: Auf Martins Frage, ob die Deutschen im Herbst ein anderes Lied singen werden, und zwar dass man russisches Gas kaufen wird, weil man dann sagen wird, dass uns die Wirtschaft wichtig ist und damit wir ein gutes Leben haben, antwortet Professor Ivo Hristov: “Von diesem Deutschland erwarte ich nichts dergleichen.”
Obwohl noch Sommer bereiten sich viele Bulgaren bereits auf den Winter vor. Die meisten von ihnen sind dabei, sich Holz zu besorgen, was jetzt schon um ein Drittel teurer ist als letztes Jahr, Tendenz steigend. Aber auch in Deutschland bereitet man sich vor, beispielsweise Volksverräterin Annalena Baerbock auf Volksaufstände, was die Unterstützung der Ukraine zum Erliegen bringen könnte, “weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind.” Wir aus dem Osten sind Volksaufstände gewöhnt, für uns sind Volksaufstände nichts Besonderes. Im Westen schon, weswegen man ihnen sogar eine große Straße gewidmet hat, die Straße des 17. Juni im Berliner Tiergarten. Viele wissen gar nicht, dass an diesem Tag ein Volksaufstand war. Mit den Volksaufständen ist es wie mit dem Sex. Wer noch welchen hat, genießt und schweigt. Für wen Sex ein Fremdwort ist, und das ist er für die allermeisten, der muss sich mittels Reiz-Wäsche-Werbung den Eindruck vermitteln lassen, dass er noch welchen hätte. Ich bereite mich mit No-Comment-Filmen ganz ohne Reiz-Wäsche-Werbung auf den Winter vor, beispielsweise mit obigem aus Russland. Im Moment habe ich, wie ich hier schrieb, noch einen Esel, aber vielleicht kann auch ich mir bald ein Pferd und einen geschlossen Wagen leisten. Das wäre im Winter natürlich ideal, obwohl ich dann immer noch sämtliche Scheiben frei kratzen müsste. Zumindest daran wird sich wohl nichts ändern.
Während man in der Heimat immer noch über die Energiewende nachdenkt, hat hier in den Schluchten des Balkans bereits eine ganz andere Wende begonnen, und zwar die Transportwende. Immer mehr Bulgaren können sich den Sprit nicht mehr leisten, weswegen sie ihr geliebtes Auto in zwei Teile schneiden und ihr Pferd aus dem Stall holen müssen, um noch irgendwie von A nach B zu kommen, und so auch ich. In Bulgarien gibt es auch schon Nummernschilder für diese Hybridfahrzeuge, obiges hat die Ordnungsnummer 042 und ist im Ort Varshets zugelassen, wo sich das Café “Vegas” befindet. Ich selbst bin immer noch auf meinem Weg nach Sofia und habe die Nacht im Vorort Kostinbrod zugebracht. Dass ich noch nicht in der bulgarischen Hauptstadt angekommen bin, liegt daran, dass ich mir einen alten Traum erfüllt und einen Esel vor mein halbes Auto gespannt habe. Ich denke mal, dass ich damit heute in der Kapitale eintreffen werde, denn hinter dem Vorort Kostinbrod zeichnet sich bereits das Vitosha-Gebirge ab, an dessen Fuß sich die bulgarische Hauptstadt befindet. Wer in der Heimat schon mit dem kalt oder auch nur kürzer duschen angefangen hat, der ist möglicherweise bereit für den nächsten Schritt. Die Transportwende wird allerdings nicht das Neun-Euro-Ticket sein, auch wenn viele das denken, sondern das klimaneutrale und ökologisch korrekte durchgeschnittene Auto, einmal in der Luxusvariante mit Pferd und dann noch die fürs Volk mit Esel. Zu den Ungläubigen, also zu denen, die es nicht glauben wollen, sagt man in Bulgarien übrigens: “Du wirst schon sehen!”
Foto&Text TaxiBerlin
Als ich noch Taxi gefahren bin, als ich noch kein Trockener Taxifahrer war, durfte man in meinem Taxi, ich habe das mehrfach erwähnt, zwar nicht telefonieren, dafür aber alles sagen – sogar die Wahrheit. Auch ein Julian Reichelt hätte das gedurft. Julian Reichelt, wer ihn nicht kennt, war bis Oktober vergangenen Jahres “Vorsitzender der Chefredaktionen und Chefredakteur Digital” bei Bild. Dann wurde er entlassen wegen “Vögeln, fördern, feuern”, wie der Spiegel es nannte. Genau deswegen nehme ich den Bösewicht Julian Reichelt als Beispiel. Auch er hätte wie gesagt alles sagen dürfen in meinem Taxi, so wie er es in obigem Video tut, und ich hätte es mir angehört. Ich weiß, wie schwer zuhören mitunter sein kann, insbesondere wenn der Sprecher alles andere als ein Sympathieträger ist wie Julian Reichelt. Es ist richtiggehend Arbeit und man muss es auch üben. Nachdem ich Uber-Corona-bedingt meine Arbeit als Taxifahrer verloren habe, konnte ich das Zuhören weiter bei den Meetings der Anonymen Alkoholiker praktizieren. Auch dort sind mir nicht alle sympathisch gewesen, trotzdem habe ich sie ausreden lassen, habe ihnen zugehört und bin danach, vielleicht das schwerste überhaupt, aber nicht über sie herfallen, sondern habe von mir erzählt, von ihnen gar nicht. Genau das möchte ich meinen Lesern vorschlagen, sozusagen als Experiment. Wer kann, möge sich das, was Julian Reichelt zu sagen hat, anhören, und zwar komplett, ohne es zu bewerten. Auch danach nicht, sondern vielmehr schauen, was das gesagte mit einem macht und warum. Macht es etwas, weil Julian Reichelt es gesagt hat, oder gibt es einen anderen Grund? Und bin der Grund vielleicht ich selbst?
Da ich jetzt auch unter die Farmer gegangen bin, ist es für mich natürlich interessant und auch wichtig zu sehen, was die Kollegen so machen. Und da musste ich gerade erfahren, dass ganz schön was los zu sein scheint mit den Farmern, und das weltweit. Man erfährt darüber nur wenig, sowohl in Bulgarien, als auch in Deutschland, was merkwürdig ist. Produzieren die Bauern doch die Grundlage unseres Lebens, unsere Nahrung. Diese ist in Bulgarien, obwohl auch sie in den letzten Monaten um einiges teurer geworden ist, von der schlechtesten Qualität, die man sich vorstellen kann. Aber nicht nur das Essen, sondern auch alles andere. Wer kein Geld hat, bekommt den Dreck. Das war schon immer so. Auch deswegen züchte ich meine eigenen Tomaten. Der Mensch lebt aber nicht nur von Tomaten allein. Auch die Bauern wollen leben, und das können sie immer weniger. Auch das ist nicht neu. Wer sich etwas mit der Landwirtschaft beschäftigt hat, weiß, dass das schon seit Jahren so ist. Nun scheint das Leben der Bauern immer mehr einem Überleben zu gleichen, so wie es in Bulgarien für die meisten Menschen ist. Deswegen kommen Bauern in die Städte, um beispielsweise ihre Gülle vor dem Parlament abzukippen, wie in Holland geschehen (ab 1:07). Manch einer meint nun, das würde den Bauern Spaß machen. Ich kann dazu sagen, dass es für mich immer eine Qual ist, in die Hauptstadt zu fahren, wie ich es morgen tun muss, um meine Frau vom Flughafen abzuholen. Eine Qual ist es für mich vor allem deswegen, weil es in großen Städten von kranken Menschen nur so wimmelt. Auch das ist nicht neu. Und auch, dass es sich dabei meist um bedauernswerte, weil wurzellose Menschen handelt. In Berlin noch mehr als in Sofia, denn in der bulgarischen Hauptstadt kommen die allermeisten vom Dorf, wo sie am liebsten auch geblieben wären, wenn es dort zum Überleben gereicht hätte, was sich natürlich auch auf die Stimmung in der Hauptstadt auswirkt. Sofia hat keine guten “Vibes”, also Vibration, um es mal so zu formulieren – das ist leider auch wahr.